AIM/IMC prophezeit den DMS-Durchbruch nach der Jahrtausendwende

22.04.1999

MÜNCHEN: Anfang dieses Jahres veröffentlichte der internationale Dokumentenmanagement-Verband AIIM/IMC eine in Zusammenarbeit mit dem englischen Beratungsunternehmen Strategy Partners erstellte unabhängige Untersuchung des europäischen Dokumentenmanagement Marktes. Über die Größe des Marktes, erkennbare Trends sowie Konsequenzen für die Anwender sprach ComputerPartner-Mitarbeiter Siegfried Dannehl mit Paul Carman, President European Region des AIIM/IMC.

Wie groß ist er denn nun, der europäische Markt für Dokumenten-management-Systeme (DMS)?

CARMAN: Die Gesamtausgaben für DMS, das heißt Software und Dienstleistungen, betrugen 1998 europaweit zirka 5,5 Milliarden Mark. Damit wuchs der Markt gegenüber 1997 um 22 Prozent. Der Anteil der Software am Gesamtmarkt beträgt 30 Prozent, den Rest nehmen Serviceleistungen ein.

Welche Wachstumsperspektiven erwarten Sie für die nächsten Jahre?

CARMAN: In diesem Jahr rechnen wir mit leicht zurückgehenden Wachstumsraten. Wir gehen 1999 von einem europäischen Umsatzvolumen von zirka 6,5 Milliarden Mark aus, das entspricht einem Zuwachs von 17 Prozent. Den eigentlichen Durchbruch für das DMS-Geschäft erwarten wir kurz nach der Jahrtausendwende, wenn die Probleme mit der Umstellung auf das Jahr 2000 und den Euro bewältigt sind.

Welchen Stellenwert hat der deutsche Markt innerhalb Europas?

CARMAN: Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bleiben beim Einsatz von DMS führend. Ihr Anteil beträgt 32 Prozent. Dahinter folgen Großbritannien/Irland mit 29 und Frankreich mit 12,5 Prozent.

Wie stellt sich Ihrer Meinung nach die Situation auf dem deutschen Markt dar?

CARMAN: Wie in der gesamten Dokumentenmanagement-Branche können wir auf dem deutschen Markt gegenwärtig eine Konsolidierung beobachten, die durch Übernahmen und Partnerschaften gekennzeichnet ist. Die prominentesten Beispiele sind die Übernahme der Siemens Nixdorf Tochter, Sidoc, durch Computer Equipment und die Übernahme von Quantum Software durch die SER AG. Dieser Konzentrationsprozeß wird weiter anhalten.

Wie beurteilen Sie die Chancen deutscher DMS-Unternehmen im internationalen Wettbewerb?

CARMAN: Sehr gut. Viele deutsche Unternehmen haben auf dem Heimatmarkt eine ausreichende Zahl von Installationen vorzuweisen. Auf dieser Grundlage verfolgen sie dann konsequent die Internationalisierung ihres Dokumentenmanagement-Geschäfts. Zudem haben einige es verstanden, mit Erfolg spezielle Marktsegmente und Nischen zu besetzen, wie zum Beispiel im behördlichen Bereich.

Welche Bedeutung besitzen die einzelnen Dokumentenmanagement-Technologien für den Handel?

CARMAN: Die strenge Einteilung in Workflow, Archivierung oder Information Retrieval ist in der Praxis häufig überholt. Durch die zunehmende Anwendungsreife der Produkte werden gleich mehrere Dokumentenmanagement-Komponenten für eine spezifische Applikation eingesetzt. Anwender verlangen eine komplette Lösung, die alle Bereiche des Dokumentenmanagements abdeckt.

Welche Ziele verfolgen Unternehmen heute durch den Einsatz von DMS?

CARMAN: Die naheliegendste Antwort wäre: um die wachsenden Papierberge in den Griff zu bekommen. Doch dem ist nicht so. Der Hauptgrund für den Einsatz von DMS, so das Ergebnis unserer Untersuchung, ist die Verbesserung des Kundenservices. An zweiter Stelle folgt das "Information-Management". Unternehmen nutzen auf der Basis digitaler Archive Dokumentenmanagement für die effiziente Kommunikation mit Kunden und Partnerunternehmen. Die große Vision ist der Aufbau eines "Information-Warehouse".

Was versteht man unter einem "Information-Warehouse"?

CARMAN: In einem "Information Warehouse" sind alle Informationen, ob strukturiert oder unstrukturiert, Teil des Informationsspeichers. Vom PC aus werden alle Informationen, ob Texte, Video oder Audio, dem Anwender zur Verfügung gestellt. Ländergrenzen werden irrelevant, da das Information-Warehouse im wahrsten Sinne des Wortes global ist. Informationen sind einfach erhältlich und schnell analysiert. Dies wird die Arbeitsproduktivität von Unternehmen deutlich steigern.

Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Internet und Intranet für die Entwicklung der Branche?

CARMAN: Das Internet wird zu einer bedeutenden Plattform des Dokumentenmanagements. Fast jeder Anbieter erlaubt heute die Nutzung von Standard-Browsern beim Zugriff auf Dokumente. Doch das Zusammenspiel zwischen Internet und Dokumentenmanagement geht weit darüber hinaus. Das Schlagwort heißt "Business-to-Business-Management".

Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

CARMAN: Integrierte Dokumentenmanagement-Lösungen nutzen das Internet als zugrundeliegende Infrastruktur. Die Software erzeugt dynamische Extranetseiten, auf die beide Geschäftspartner gleichzeitig zugreifen können. Dabei sorgen Module für die elektronische Archivierung aller Dokumente. Andere Module dienen der Automatisierung von Geschäftsprozessen. Mit Diskussionskomponenten können Unternehmen zudem kooperativer zusammenarbeiten. Das Web ist dabei Diskussions- und Lösungsmedium zugleich und protokolliert Inhalt und Zusammenhang aller geschäftlichen Transaktionen.

Welche weiteren Trends zeichnen sich Ihrer Ansicht nach ab?

CARMAN: Der Trend zu einer Integration von Dokumentenmanagement-Komponenten in Betriebsysteme und Standard-Business-Software hat sich weiter beschleunigt. Der Anwender benötigt keine gesonderten DMS-Produkte mehr, sondern kann innerhalb der Applikation direkt darauf zugreifen. SAP ist heute schon der größte Anbieter von Workflow-Software europaweit. Microsoft plant, das kommende Betriebssystem Windows 2000 um Dokumentemanagement-, Workflow- und Suchfunktionen zu erweitern.

Was ist Ihr Ratschlag für potentielle Händler, die in den DMS-Markt einsteigen wollen?

CARMAN: Dokumentenmanagement ist eine Basistechnologie. Wer heute auf diese Technologie verzichtet, wird mittelfristig Wettbewerbsvorteile verlieren. Damit der Anwender bei langfristigen Entscheidungen die richtige Wahl trifft, sollte er sich vorab umfassend informieren. Gute Gelegenheiten dazu bieten einschlägige Dokumentenmanagement-Fachmessen wie beispielsweise die IMC 99, die vom 8. bis 10. Juni in Amsterdam stattfindet.

"Wer auf DMS verzichtet, wird langfristig Wettbewerbsvorteile verlieren", prophezeit Verbandschef Paul Carman.

Zur Startseite