Aktien der Kontrakt-Fertiger für die Computerindustrie vor Comeback?

06.09.2001
Nach dem Ende des IT-Booms sind die Kapazitäten der Kontrakt-Fertiger nur zur Hälfte ausgelastet. Der nächste Konjunkturaufschwung soll den Umsätzen und Aktienkursen kräftig auf die Beine helfen.

Wenn die Kapazitäten der Computerkonzerne oder der Telekomausrüster in ihrer Eigenschaft als Markenproduzenten (Original Equipment Manufacturer: OEM) nicht mehr ausreichen, springen Firmen wie Flextronic, Solectron, Jabil Circuit oder Celestica ein. Sie entwerfen Prototypen, führen Testreihen durch, besorgen Komponenten und die Montage sowie den Vertrieb und den Support für Kundenservice. Die OEMs ersparen sich damit häufige Umrüstungen und können Produkte schneller auf den Markt bringen.

Geschäftsmodell lohnt sich nur bei guter Auftragslage

Das Geschäftsmodell rechnet sich für diese Contract Electronics Manufacturer (CEM) oder Electronic Manufacturer Services (EMS) genannten Unternehmen, solange das Auftragsvolumen stimmt. Sobald es damit abwärts geht, wie in jüngster Zeit, brechen die Kurse ein. Jedoch hatte der Trend zum Outsourcing jahrelang für starken Auftrieb gesorgt.

Für die künftige Kursentwicklung spielen die jeweiligen Tätigkeitsbereiche eine Rolle. Flextronic etwa rekrutiert 49 Prozent des Umsatzes aus dem Telefon- und Handyzuliefergeschäft. Auch bei Jabil Circuits und Sanmina stammen zwischen 45 und 50 Prozent der Erlöse aus der derzeit mit Problemen kämpfenden Telekommunikationsindustrie. Die Nachfragetrends seien schwach, erklärte beispielsweise Sanmina und kündigte wie andere Firmen Werksschließungen an. Im zweiten Quartal fielen die Umsätze gegenüber den ersten drei Monaten um 40 Prozent. Kürzlich hat das Unternehmen für sechs Milliarden Dollar den Konkurrenten SCI System gekauft, was bis zu 150 Millionen Dollar an Kosten sparen soll. Weitere Übernahmen in der Branche werden folgen.

Umsätze werden als "kritische Masse" eingestuft

Die Umsatzgrößen sind als "kritische Masse" durchaus von Bedeutung. Denn die Kontrakt-Fertiger können bei den Materialkosten, die in den Fertigungskreisläufen kräftig zu Buche schlagen, stattliche Rabatte herausholen. Die vier Großen kommen aktuell auf 10 bis 15 Milliarden Dollar Jahresumsatz.

Die kanadische Celestica mit IBM und Sun als größten Kunden kann dank des breiter angelegten Produktspektrums ein konstanteres Wachstum vorzeigen. Für das am 30. Juni abgelaufene dritte Geschäftsquartal wurde ein um 27 Prozent auf 2,661 Milliarden Dollar gestiegener Umsatz präsentiert, was vor allem dem gut laufenden Server- und Lagergeschäft auf fremde Rechnung zu verdanken war. Der PC-Anteil betrug nur fünf Prozent. So galt Celestica bislang als Toptitel unter den EMS-Anbietern. Dennoch verlor der Kurs binnen Jahresfrist rund die Hälfte seines Wertes und steht derzeit bei 50 Dollar. Celestica entstammt einer IBM-Ausgliederung (Spin-off). Die Aktien wurde Mitte 1996 zu 17,0 Dollar an die Börse gebracht. Solange IBM gesund ist, kann Celestica nicht viel passieren.

Zunehmend diversifiziert die Branche ins CDM-Geschäft (Contract Design and Manufacturing). Flextronic etwa entwickelte zu gleichen Teilen mit Microsoft die neue Spielemaschine X-Box, die in den USA im November auf den Markt kommen soll. Daneben wird Flextronic die X-Box montieren, verpacken und verschicken. Nur das Marketing besorgt Microsoft selber, mal abgesehen vom teuren Lageraufwand.

Kritik an Outsourcing-Strategien der Hersteller

Neuerdings werden am fortwährenden Outsourcing jedoch auch Zweifel geäußert. Die Consultingfirma Booz Allen & Hamilton erklärt in einem aktuellen Report, dass die bisherige Outsourcing-Praxis beispielsweise Apple, Cisco, Compaq, Palm, Philips und Sony "mehr Kopfweh als Lösungen" brachte. Outsourcing sei dafür da, Fertigung und Distribution effizienter zu machen, die Lager zu reduzieren und den Blick für Produktdesign und Innovation zu schärfen. Das Resultat sei nun aber durchwachsen. Sobald die Nachfrage an den Endmärkten einbricht, klappt das Modell nicht optimal.

Cisco und andere Konzerne nahmen vertragsgemäß große Posten an Produkten ab, für die in der sich abkühlenden Konjunktur keine ausreichende Verwendung bestand, oder sie zahlten immense Lagerkosten. Gerade die Telekomausrüster mussten in den vergangenen zwei Quartalen riesige Summen auf altes und neues Inventar wertberichtigen. Das Dilemma ist offenkundig: Während die OEMs auf Flexibilität achten müssen, um schnell reagieren zu können, wenn eine Produktserie gut läuft oder gar ein Hit wird, legen die Contract Electronics Manufacturer Wert auf klare Produktionsfahrpläne und Kostenkontrolle. Sibyllinisch heißt es nun: Das Outsourcing-Spektrum sei so breit wie eh und je, doch sei der Abschluss dieser Transaktionen infolge des schwierigen Nachfrageumfeldes und der zunehmenden Größe dieser Abschöpfungen fraglich.

Die Empfehlungslage für die Aktien ist seit jeher ganz gut. Solectron etwa wurde im Februar zu Kursen zwischen 35 und 40 Dollar massiv zum Kauf empfohlen (mit dem Hinweis, dass das Outsourcing in Zeiten schärferen Wettbewerbs in der Computerindustrie zunehmend mehr genutzt würde, um Kosten zu sparen). Inzwischen hat sich herausgestellt, dass auch die Planzahlen der Electronic Manufacturer Services drastisch zurückgehen. Die Kurse fielen im Gleichklang mit den Umsatz- und Gewinnwarnungen von Compaq, Nortel, Cisco, EMC und anderen. Die Solectron-Aktie pendelt nach dem kürzlichen Erwerb des kanadischen Konkurrenten C-Mac für 2,7 Milliarden um die 15 Dollar.

Als positiv wird ins Feld geführt, dass die Branche selbst bei geringer Auslastung Geld verdient, solange der Zustand nicht allzulange andauert. Als Pro-Argument gilt auch die "gute Sichtbarkeit" der Erträge, weil man aufgrund der Auftragslage und der ausgehandelten Verträge relativ gut auf Umsätze und Erträge schließen kann. Skeptiker meinen, dass die Durststrecke bei den EMS diesmal ziemlich lang dauern wird. Langfristig gehörte die Sparte mit jährlichen Zunahmen in der Größenordnung zwischen 20 und 30 Prozent zu den Wachstumsindustrien. Inzwischen stehen die Papiere bei den meisten Analysten nur mehr auf "neutral", was derzeit angemessen erscheint.

Die letzte große Zeit des Sektors datiert aus dem Jahr 1992, als nach der US-Rezession viele Unternehmen beschlossen, ihre Fertigung auszulagern. Zur Kundschaft der Kontrakter gehören auch die Medizintechnik und die Industrieautomation. Beim nächsten Konjunkturaufschwung könnte sich das wiederholen - inklusive üppiger Kursgewinne. (kk)

Zur Startseite