Aktienmärkte: Zuerst verstört, dann stabiler

20.09.2001

Die Reaktion der Aktienmärkte auf den Terroranschlag war abzusehen. Der DAX und der Nemax-All-Share (Neuer Markt) stürzten um mehr als zehn Prozent ab. In New York eröffneten die Börsen am sechsten Tag nach dem Anschlag deutlich unter dem vorherigen Niveau. Die Lage bleibt sehr angespannt, trotz der vorübergehenden Stabilisierung. Natürlich ergeben sich nun auch Fragen nach einer möglichen Rezession und deren Folgen. Der Terroranschlag trifft die Wirtschaft in einer ungünstigen Situation. Sicher erscheint aber auch, dass im Falle einer noch ausgeprägteren Konjunkturschwäche die Notenbanken die Zinsen rasch senken oder durch andere geeignete Maßnahmen für ausreichend Liquidität im Geldkreislauf sorgen werden. Solche Aktionen kommen dann auch den Aktienkursen zugute.

Die Investmentindustrie wird ziemlich schnell zur Tagesordnung übergehen und prüfen, welche Unternehmen von dem Anschlag be-troffen sind und welche nicht. Neue Investitionen im Sicherheitsbereich werden tendenziell der Computerbranche und der Telekommunikation zugute kommen. Die Krise der Hightech-Firmen dürfte zumindest vorübergehend in den Hintergrund treten.

Allerdings ist nach wie vor zu befürchten, dass es mit einer nachhaltigen Belebung der Geschäfte vor Mitte 2002 nichts wird. Schuld daran ist nicht nur die lahmende Konjunktur, sondern auch die Sättigung ehemals dynamischer Märkte wie etwa der Bereiche Mobiltelefone, PCs und Netzwerkausrüstung. Die Softwareindustrie, die ebenso wie der Hardware- und Chipsektor im vierten Quartal üblicherweise mit einem Aufschwung kalkuliert, muss sich warm anziehen. Nur 34 Prozent der amerikanischen IT-Chefs wollen laut der US-Investmentbank Morgan Stanley im zweiten Halbjahr ihre IT-Ausgaben steigern. Die Höhe der zukünftigen IT-Investitionen bleibt bis auf weiteres unklar und entsprechend wackeln die Börsennotierungen. Den Druck zeigt auch die Megafusion Hewlett-Compaq. Mit weiteren Übernahmen und Zu-sammenschlüssen ist zu rechnen.

Gewöhnungsbedürftig ist für die IT-Aktionäre die Tatsache, dass es mit den hohen jährlichen Zuwachsraten beim Ertrag und Umsatz wie zwischen den Jahren 1992 und 2000 so plötzlich und vorerst endgültig vorbei ist. Denn der IT-Aktiensektor galt jahrzehntelang als besonders profitträchtig. Die Informationstechnologie war der Antrieb für den Wirtschaftsaufschwung. Jetzt könnten die IT-Aktien nochmal ein Stück heruntergehen, bevor tatsächlich eine Trendwende eintritt.

Manches wird aber an den Börsen zu negativ gesehen. Ungeachtet der Krise der New Economy steigt die Zahl der Internetnutzer weiter. Internet und Computer werden nicht wieder abgeschafft, und es läuft nichts ohne Software. Sie muss nicht nur stets verbessert werden, was regelmäßig den Verkauf neuer Versionen ermöglicht, auch das Potenzial der Neu- und Weiterentwicklung ist längst nicht ausgeschöpft. Vor der letzten Rezession in den USA war der Dow-Jones-Index in der zweiten Hälfte 1990 (Golfkrieg) von damals 3.000 auf 2.400 Punkte abgesackt, der Nasdaq-Composite-Index von 480 auf 250 Punkte. Danach kletterte er bis März vorigen Jahres auf 5.200 Punkte. Derzeit pendelt er mit 1.600 Punkten auf dem Niveau von 1998. Kurt Kappler

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