Alptraum Altgeräte rücknahme: Der Händler kann aus der Not eine Tugend machen

10.04.1996
MÜNCHEN: Am 7. Oktober ist es soweit: Das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz tritt in Kraft. Was bedeutet das für die IT-Händler? Zunächst einmal nichts. Das Gesetz ist zahnlos ohne die zugehörige IT-Schrottverordnung; und die ist noch immer heftig umstritten. Trotzdem: Der kluge Händler baut vor. Früher oder später wird der Kunde mit seinen ausrangierten Geräten auf der Matte stehen.

MÜNCHEN: Am 7. Oktober ist es soweit: Das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz tritt in Kraft. Was bedeutet das für die IT-Händler? Zunächst einmal nichts. Das Gesetz ist zahnlos ohne die zugehörige IT-Schrottverordnung; und die ist noch immer heftig umstritten. Trotzdem: Der kluge Händler baut vor. Früher oder später wird der Kunde mit seinen ausrangierten Geräten auf der Matte stehen.

Viele Köche verderben den Brei; will heißen: Sie streiten so lange um das richtige Rezept, daß die Küche kalt bleibt. So geschehen auch bei der vielzitierten Elektronikschrottverordnung. Seit sechs Jahren schon streiten Bund, Länder, Kommunen und die Verbände um den besten Weg, das Ziel des neuen Abfallgesetzes zu verwirklichen, das da lautet: Die Wirtschaft trägt Verantwortung für die Vermeidung, Verwertung und die Beseitigung von Abfällen. Doch wie weit diese Verantwortung geht, und wer sie genau trägt, darüber herrscht naturgemäß Uneinigkeit. Schließlich geht es um viel Geld.

Statt einer Verordnung gleich drei

Soviel ist inzwischen klar: Die Elektronikschrottverordnung wird es so nicht geben. Statt dessen wird das ganze Paket in drei separate Verordnungen aufgeschnürt: Für die weiße Ware - sprich Haushaltsgeräte - wird es ebenso eigene Vorschriften geben wie für die Unterhaltungselektronik und die Informationstechnologie. Von den dreien ist einzig das IT-Päckchen schon fast gepackt. Der Inhalt entspricht weitgehend den Vorstellungen der Arbeitsgemeinschaft Cycle im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA). Die Mitglieder dieser Herstellergemeinschaft beliefern nach eigener Aussage mehr als 80 Prozent des deutschen IT-Marktes. Die AG hat Ende des vergangenen Jahres ein detailliertes Modell vorgelegt, das die Rücknahme und Entsorgung der Altgeräte dem sogenannten Erstinverkehrbringer auferlegt. Das sind in der Regel die Hersteller, können aber auch PC-Importeure und Assemblierer sein, nicht jedoch Händler (siehe hierzu auch den Artikel in ComputerPartner 4/96).

Ursprünglich wollte die AG Cycle das Einsammeln und Sortieren den Kommunen überlassen und den IT-Schrott dann bequem bei bundesweit zirka hundert Sortierstationen abholen. "Ohne uns", erklärten die Gemeinden und einigten sich mit den Herstellern auf folgenden Kompromiß: Sie übernehmen zwar das Sammeln und Sortieren der gebrauchten Geräte aus den privaten Haushalten, doch um den Computerschrott aus "Industrie, Gewerbe, freien Berufen oder öffentlichen Einrichtungen" müssen sich die "Erstinverkehrbringer" selber kümmern. Damit werden die bereits seit Jahren praktizierten Insellösungen vieler Hersteller für die Zukunft fortgeschrieben.

Der Händler muß freiwillig mitmachen

Nicht alle Hersteller sind jedoch groß genug oder willens, ein eigenes, flächendeckendes Sammelsystem aufzubauen. Im Klartext heißt das: Der Handel wird nicht darum herumkommen, mitanzupacken. "Wir waren nicht in der Lage, die Verordnung zu verhindern. Der Handel konnte nicht mauern", erklärt Thomas Grothkopp. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Bürowirtschaft e.V. (BBW) hat bei den Gesprächen zwischen den Herstellern und der Politik die Rolle des Fürsprechers für den Handel übernommen. Denn nachdem die IT aus der Verordnung ausgegliedert worden war, fiel auch der Bundesverband des Unterhaltungs- und Kommunikationseinzelhandels (BVU) als Interessenvertreter des IT-Handels bei den Gesprächen aus.

Für Grothkopp gilt es nun, aus der Not eine Tugend zu machen. "Viele Kunden erwarten doch schon heute, daß beispielsweise bei der Installation von neuen Geräten die alten zurückgegeben werden können". Indem jeder Händler freiwillige Vereinbarungen mit seinen Herstellern trifft, kann er seinen Kunden einen attraktiven Service anbieten und sich die anfallenden Kosten vom Hersteller zurückholen. Allerdings muß Grothkopp einräumen, daß die meisten Händler die Problematik bislang ignoriert haben: "Ich weiß noch nicht, wie ich das denen verkaufen soll."

Assemblierer und Importeure haben schlechtere Karten

Dabei sind die Händler vergleichsweise gut dran. Sie können mit ihren Lieferanten Rücknahmevereinbarungen treffen, die - je nach Verhandlungsgeschick - mehr oder minder kostenneutral sind. Anders die PC-Importeure und Assemblierer: Sie werden mit ihrem Computerschrott erstmal alleingelassen, denn laut Verordnung sind sie Erstinverkehrbringer und damit Hersteller. Der Preisvorteil der Niedriglohnware aus Taiwan ist damit zumindest teilweise dahin - durchaus im Sinne des Gesetzes, das ja höhere Umweltstandards schon bei der Produktion erzwingen will. Den Importeuren und Assemblierern jeder Größe wird also nichts anderes übrigbleiben, als einen Abnahmevertrag mit einem Entsorgungsunternehmen abzuschließen und die zusätzlichen Kosten auf den Kaufpreis aufzuschlagen. Kein Problem für Vobis & Co. Den zahllosen No-Name-Bastlern könnte der Computermüll jedoch schon bald bis zum Hals stehen.

So einfach die neuen Regelungen auch klingen mögen, der Teufel steckt wie immer im Detail. Zwar fallen nur die Geräte unter die Verordnung, die nach deren Inkrafttreten verkauft werden. Unklar ist jedoch nach wie vor, wie die entsprechende Kennzeichnung der Geräte aussehen soll. Außerdem befürchtet BBW-Chef Grothkopp, daß die Geräte durch den Entsorgungsaufschlag in Deutschland zu teuer werden. Mögliche Folge: Die Kunden kaufen ihre Computer im benachbarten Ausland und entsorgen sie in Deutschland.

Daß dem nicht so sein muß, zeigt das Beispiel Rank Xerox. Der Drucker- und Kopiergerätespezialist holt bereits seit einigen Jahren ausgediente Geräte bei seinen Endkunden ab und entsorgt sie zentral für ganz Europa im niederländischen Venray. Verbrauchsmaterial wie Tonerkartuschen können die Kunden kostenlos per Post einschicken. Glaubt man Peter Bos, dem neuen Geschäftsführer der Xerox Engineering Systems GmbH, dann werden die Produkte dadurch keineswegs teurer; im Gegenteil: "Wir verdienen sogar an den Rohstoffen, die wir so wiedergewinnen."

Goldgräberstimmung bei den Entsorgungsunternehmen

Das ist durchaus glaubwürdig. Nicht umsonst kritisiert beispielsweise die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung in einem Gutachten, daß das neue Gesetz die rentablen Teile der Müllentsorgung - wie den IT-Schrott - Privatfirmen überlasse, während Bürger und Kommunen für den Rest aufkommen. Schon heute gehört die Abfallentsorgung und -Verwertung mit rund 80 Milliarden Mark Umsatz und mehr als 120.000 Beschäftigten zu den wichtigsten Zukunftsmärkten der deutschen Wirtschaft. Bis zum Jahr 2005 erwarten die Experten einen Umsatzsprung auf 200 Milliarden Mark. Allerdings teilen sich den Markt immer weniger Anbieter. Allein zwischen 1989 und 1994 sind laut Gutachten fast 400 mittelständische Entsorgungs- und Recyclingbetriebe von großen Unternehmen geschluckt worden.

Auf der Verliererseite stehen auf jeden Fall die Verbraucher. Sie werden zukünftig für die Umwelt zur Kasse gebeten. Ob das auch für die Händler gilt, bleibt abzuwarten. Zwar wendet sich die Verordnung nur an die Hersteller und auch AG-Cycle-Referent Christoph Hecker versichert, daß "die Hersteller auf keinen Fall dem Handel irgend etwas aufbürden wollen", doch die Realität wird wohl anders aussehen. Viele Kunden werden ihre Altlasten nicht selber in Kartons verpacken, an den Hersteller schicken oder zu den Sammelstellen kutschieren wollen, sondern - wie schon beim Kauf - auf den Händler als ersten Ansprechpartner setzen. Der kann zwar achselzuckend auf den Hersteller verweisen, riskiert aber damit, die Kundschaft zu verärgern. Die Folge: Der Händler muß Rücknahmeverträge mit seinen Herstellern schließen. Laut Hecker haben zum Beispiel schon zirka 700 Sony-Händler entsprechende Vereinbarungen mit dem Monitorhersteller unterschrieben.

Der Händler sollte frühzeitig handeln

Alle anderen können sich noch ein wenig Zeit lassen. Der immer noch "aktuelle" erste Entwurf der IT-Geräteverordnung des Bundesumweltministeriums ist zwar inzwischen schon wieder sieben Monate alt, doch haben sich die Hersteller und die Kommunen noch immer nicht darüber einigen können, wer wieviel für das Einsammeln des privaten IT-Schrotts zahlt und ob die kommunalen Entsorger alles nur bei den Sammelstellen abladen oder auch schon nach Geräteart und Hersteller vorsortieren müssen. Dieser Streit ums liebe Geld könnte sich theoretisch noch bis zum Sankt Nimmerleinstag hinziehen. Ungewiß ist auch noch, ob Verbrauchsmaterialien inklusive Disketten und anderen Datenträgern ebenfalls zum Regelwerk gehören werden. Vor Mitte 1997 läuft nach Ansicht aller Beteiligten gar nichts. Früher oder später aber wird die Verordnung kommen, und der Händler, der bis dahin nicht den Kopf in den Sand steckt, kann wertvolle Erfahrungen und damit einen Wettbewerbsvorteil erwerben. (ld)

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