Als Sponsor und Pate den eigenen Nachwuchs heranziehen

13.09.2001
An der Augsburger IT-Akademie beteiligen sich Unternehmen nicht nur an den Ausbildungskosten, sondern aktiv an der Gestaltung des Lernprogramms. Auf diese Weise ist es möglich, frühzeitig qualifizierte Mitarbeiter mit firmenspezifischem Know-how an sich zu binden. Franz Xaver Fuchs* hat sich die Ausbildung genauer angesehen.

Nach sieben Semestern Bauingenieurwesen war Schluss. Zu dröge und theoretisch war der Uni-Alltag für Martin Fischer. Nun stehen auf seinem Stundenplan Online-Recht, Workflow-Management, Groupware, Firewall-Technik und Verschlüsselung. Im Augsburger Fabrikschloss, dort wo einst Webermeister edle Barchentstoffe zur weltweit gefragten Handelsware machten, lässt sich der 30-Jährige zum Security-Administrator ausbilden. Seit November vergangenen Jahres ist die einstige Weberei Brutstätte für qualifizierte IT-Spezialisten.

International anerkannte Zertifizierungen

Die IT-Akademie in der Fuggerstadt ist in vielerlei Hinsicht bislang einzigartig in der bundesweiten IT-Ausbildungslandschaft. Im Gegensatz zu einigen anderen IT-Akademien erhalten die Absolventen nach erfolgreichem Abschluss ein von der Industrie international anerkanntes und teils begehrtes Zertifikat, wie zum Beispiel den Cisco Certified Network Associate (CCNA). "Wir beobachten den Markt nach den entscheidenden Industriezertifikaten", sagt Akademieleiter Volker Falch. Die wirtschaftsnahe und praxisorientierte Ausbildung während des zwei Jahre dauernden Studiums war eine der Voraussetzungen für die 4,6 Millionen Mark, die Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu aus dem Fördertopf der Hightech-Offensive bereitstellte. Im ersten Jahr qualifizieren sich die Studenten in einem Spezialfach - in Vollzeit wohlgemerkt, täglich von 8 bis 16.30 Uhr, Semesterferien gibt es nicht.

Weiteres Alleinstellungsmerkmal: Der zweite Abschnitt der Ausbildung umfasst ein einjähriges "Training on the Job" in einem Unternehmen der Branche. Ziel ist es, das in der Akademie erlernte Wissen mit dem Praxis- und Projektumfeld zu verknüpfen.

Unternehmen finanzieren Stipendien

Der Clou: Während ihrer zweijährigen Ausbildung erhalten die Studenten ein monatliches Stipendium in Höhe von 1.500 Mark von demjenigen Unternehmen, bei dem sie das Training on the Job durchführen. Dass sie sowohl Praxisausbildung als auch Zuschuss erhalten, regelt ein Vertrag, den die Stipendiaten vor Beginn des Studiums mit dem jeweiligen Unternehmen abschließen. Derzeit büffeln 100 Studierende (Durchschnittsalter 24 Jahre) an der Augsburger Akademie - nur jeder Fünfte davon ist eine Frau.

Die Lehrinhalte legt ein aus IT-Akademie und Partnerfirmen bestehendes Gremium fest. Bevor Stipendiat Fischer sich in die Projektarbeit vertiefen kann, muss er sich technische und mathematische Grundlagen aus dem Bereich Wirtschaftsinformatik aneignen. Anschließend geht es ausschließlich um Technik. Nach einer gründlichen Einführung in die Welt der Kommunikationstechnik und Architektur von Rechnersystemen stehen Betriebssysteme auf dem Stundenplan (NT, Linux, Unix, Administration, Server Apache und IIS, Proxy-Server). Den abschließenden Block bildet der Bereich "Programmieren", in dem neben entsprechenden Techniken und Software-Engineering Inhalte wie Datenbankentwicklung, HTML, Java Script und Visual Basic geprüft werden.

Auf Erfolg oder Misserfolg müssen die Studenten nicht lange warten, denn jedes Thema wird nach vier bis sechs Wochen mit einer schriftlichen Prüfung abgeschlossen. "Das ist sehr direkt, man bekommt sofort die Ergebnisse", lobt Fischer. Die Dozenten kommen allesamt aus der Wirtschaft und trimmen ihre Schüler möglichst praxisnah auf das bevorstehende Berufsleben. "Da wird nicht nur über etwas geredet, sondern sofort umgesetzt", unterstreicht Stipendiat Fischer. So habe man zum Beispiel vor kurzem ein eigenes Netzwerk in Windows NT aufgebaut.

Martin Fischer hat einen Vertrag mit Avodaq in der Tasche. Das Starnberger IT-Beratungsunternehmen ist seit vier Jahren auf Technik von Cisco und Siemens spezialisiert und benötigt laut Geschäftsführer Christian Hartlieb dringend kompetentes Personal mit profundem Netzwerkwissen.

Die Firma zahlt daher neben dem Stipendium für Studiosus Fischer die Ausbildungskosten für das ers-te Jahr von derzeit 33.000 Mark. Die restlichen Kosten für den Lehrgangsbetrieb - rund 50.000 Mark pro Teilnehmer - übernimmt das bayerische Wirtschaftsministerium. Da dessen Förderung aber degressiv ausgelegt ist, erhöht sich der Kostenanteil, den die Partnerunternehmen zu tragen haben, jährlich um etwa zehn Prozent. Auf diese Weise will sich die IT-Akademie ab dem Jahr 2004 selbst finanzieren. Davon ist der derzeitige Hauptsponsor auch überzeugt. "Das wird laufen", sagt Bertram Brossardt, Ansiedlungsbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung.

Wirtschaft zeigt großes Interesse

Trotz des scheinbar hohen Kostenanteils von annähernd 70.000 Mark ist das Interesse der Wirtschaft an IT-Spezialisten aus Augsburg groß. Auf der Liste der Partnerunternehmen stehen so renommierte Namen wie Sun, Cisco oder Compaq. Kein Wunder also, dass der im Dezember beginnende zweite Lehrgang bereits fast ausgebucht ist. "Wir suchen Leute, die zum Kunden fahren und dort individuelle Vernetzungslösungen anbieten und erarbeiten können", sagt beispielsweise Volker Rompf. Der Leiter Zentrale Aufgaben Kundendirektion der Deutschen Telekom setzt große Hoffnungen auf die Studenten der IT-Akademie.

Ob die auch erfüllt werden, ist ungewiss. "Topqualität in der Ausbildung können IT-Akademien alleine wegen der hohen Trainerkosten nicht bieten", meint beispielsweise Hugo Schröer, Vorstand Marketing und Vertrieb bei GfN, einem der größten herstellerunabhängigen Anbieter von IT-Schulungen in Deutschland. "Wir sind Trainingspartner für Firmen, die weltweit die Nummer eins sind."

Ausbildung auf höchstem Niveau sei in diesem Marktsegment Standard. Akademien würden eher die breite Masse bedienen. Auch Peter Siwon vom Münchener IT-Ausbil-der Microconsult sieht nur in der Grundausbildung Überschneidungen mit den Angeboten der Akademien, hält deren Qualitätsstandards aber für marktkonform. "Es gibt einen VW und einen Rolls-Royce, und jeder hat seine Käuferschicht."

Vertraglich an Partnerfirma gebunden

Dennoch: Für ihr Geld erhalten die Partnerunternehmen der Augsburger IT-Akademie eine ansehnliche Gegenleistung. Nicht nur, dass die Stipendiaten nach Abschluss der Ausbildung ein Beschäftigungsangebot ihrer Partnerfirma annehmen müssen - andernfalls wird die Rückzahlung des Stipendiums von maximal 27.000 Mark fällig. Firmen wie Avodaq erhalten schließlich auch nach dem ersten Ausbildungsabschnitt über ein Jahr die volle Arbeitsleistung eines Mitarbeiters mit Industrie-Zertifikat.

Wer die IT-Akademie besuchen will, muss ein zweistufiges Auswahlverfahren durchlaufen. "Wir machen zuerst einen dreistündigen Logiktest und anschließend ein strukturiertes Interview", sagt Akademieleiter Volker Falch.

Annähernd die Hälfte aller Bewerber - davon 26 Prozent Frauen - bestehen diesen Test nicht. Die restlichen Kandidaten werden den Unternehmen auf dem Präsentierteller serviert, in Form einer Liste mit den jeweiligen Eignungen des Bewerbers.

Ende September startet die IT-Akademie mit der neuen Ausbildungsrichtung "Internet-Vertrieb und -Beratung". Partnerunternehmen ist Datenbankspezialist Oracle. "Wir benötigen mindestens zwölf Web-Consulter", rechnet Thomas Heyn, Personaldirektor von Oracle für Deutschland und Südeuropa. Die Teilnehmer müssen Interesse an der Internettechnik, in erster Linie aber Begeisterung für alle Formen der Kommunikation und Präsentation mitbringen.

Die IT-Akademie will künftig auch Ansprechpartner für Firmen sein, die kurzfristig qualifiziertes Personal benötigen. Schulungsleiter Falch arbeitet derzeit an einem Fortbildungskonzept (Dauer: drei Monate), das sich speziell an die Inhaber von UMTS-Lizenzen richtet. Denn die, weiß der Trainingsprofi, "benötigen dringend Spezialisten für IP-Services und Funknetze".

www.it-akademie-bayern.de

*Franz Xaver Fuchs ist freier Journalist in Augsburg.

IT-Akademie Bayern

Facts & Figures

Die IT-Akademie Bayern bildet Spezialisten derzeit in drei Ausbildungsrichtungen (Internet, Datenbank, Helpdesk) mit sechs verschiedenen Studiengängen aus. Die Akademieleitung setzt dabei frühzeitig auf fachliche Themenfelder, damit die Studenten eine individuelle Spezialqualifi-kation bekommen. So besitzt der "E-Business Developer" beispielsweise Programmierkenntnisse in Java, Perl, ASP und SQL, kann E-Business-Software verwalten und Projekte managen. Der "Security Administrator" lernt unterschiedlichste Netzwerkstrukturen, -betriebssysteme und -komponenten verstehen und ist in der Lage, Router und Proxy-Server zu installieren. Der "Technical Supporter" kann Kunden lösungs- und dienstleistungsorientiert komplexe Fachthemen verständlich nahe bringen.

Die Lehrinhalte sind vom Kultusministerium weder festgelegt noch können sie von diesem geregelt werden. Sie werden in Abstimmung zwischen Akademie und Unternehmen ausgearbeitet. Ein eigens eingerichteter Beirat aus Firmenvertretern soll dafür sorgen, dass diese Inhalte marktorientiert sind.

Der erfolgreiche Studienabschluss wird durch international anerkannte Industriezertifikate dokumentiert (beispielsweise Microsoft oder Cisco). Verhandlungen über einen BachelorAbschluss werden derzeit mit verschiedenen Hochschulen geführt. Bewerben können sich Personen mit Abitur/Fachabitur, sehr guter mittlerer Reife mit Berufsausbildung sowie Quereinsteiger mit mindestens einem Jahr Berufserfahrung im IT-Bereich. (ff)

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