Apple-Chef Dewald: "Wir müssen vermeiden, auf allen Hochzeiten zu tanzen"

03.07.1997
MÜNCHEN: In Cupertino baut Apple sein Management nach der "Kulturkrise", so deren oberster Chef Gilbert Amelio, um und ab. In Deutschland übernimmt jetzt Peter Dewald die Stelle des Geschäfts-führers. Welche Impulse er der neu formierten D.A.C.H.-Organisation (Deutschland, Österreich, Schweiz) geben will, erklärt er gegenüber ComputerPartner-Redakteur Wolfgang Leierseder.

MÜNCHEN: In Cupertino baut Apple sein Management nach der "Kulturkrise", so deren oberster Chef Gilbert Amelio, um und ab. In Deutschland übernimmt jetzt Peter Dewald die Stelle des Geschäfts-führers. Welche Impulse er der neu formierten D.A.C.H.-Organisation (Deutschland, Österreich, Schweiz) geben will, erklärt er gegenüber ComputerPartner-Redakteur Wolfgang Leierseder.

?Herr Dewald, Sie lösen Hussein Khalil als Deutschland-Geschäftsführer ab. Welche Absichten bringen Sie auf Ihre neue Position mit?

DEWALD: Es geht hier nicht darum, alles auf den Kopf zu stellen. Wir werden an unserer dualen Vertriebsstrategie nichts ändern. Auf der einen Seite arbeiten wir mit einer begrenzten Anzahl von Händlern direkt zusammen, die für uns die wichtigen Segmente abdecken, wo wir eine unmittelbare Beziehung brauchen und wollen.

Auf der anderen Seite arbeiten wir in größerem Umfang mit mehreren Distributoren zusammen, die dann alle anderen Händler abdecken. Diese Distributoren arbeiten zum Teil über den gesamten deutschsprachigen Bereich hinaus. Wir haben außerdem unverändert einen Bereich der Großkunden in Deutschland, die ausschließlich über den Fachhandel beliefert werden. Natürlich wollen große Firma eine direkte Verbindung zu Apple.

Also haben wir insgesamt eine ganz klare Aussage zum indirekten Vertrieb. Mit einem dualen Vorgehen zum Teil mit Händlern direkt, aber zum Teil mit Distributoren.

?Sie setzen also das von Ihrem Vorgänger Khalil ins Leben gerufene Vertriebssystem weiter fort?

DEWALD: Wir werden die organisatorische Veränderung, die Khalil angefangen hatte, weiterführen. Dazu muß man auch ergänzen, daß es sich hier um ein europäisches Konzept handelt. Deshalb gibt es durch den personellen Wechsel keine Änderung.

Ich habe auch nicht unmittelbar vor, irgend etwas am Vertriebskonzept zu ändern. Aber der Markt, in dem wir uns bewegen, ist ein sehr dynamischer Markt. Schon deshalb werden wir sicherlich über die Zeit Veränderungen vornehmen müssen.

?Trotzdem muß sich nach Meinung Ihres CEO Amelio einiges ändern, damit Apple überlebt. Welche Veränderung werden in naher Zukunft stattfinden?

DEWALD: Wir haben einen großen Schritt getan. Wir haben Next übernommen. Das wird spürbare Auswirkungen haben und Veränderungen mit sich bringen.

Verändern wird sich sicherlich auch unser Fokus. Und zuletzt muß unsere organisatorische Ausrichtung angepaßt werden. Wir sind bisher nach Business-Units ausgerichtet. Dahinter verbirgt sich die Grundidee, das ein oder andere Geschäftsfeld stärker auszubauen. Das ist aber nicht so ohne weiteres machbar. Denn es ist sinnlos, eine Neuorganisation aufzubauen, in der drei Business-Units zusammen weniger als zehn Prozent Umsatz machen und die anderen 90 Prozent. Insofern reduziert sich das Ganze ja doch wieder zu einer Geschäftseinheit.

?Was haben Sie denn für Umsatzziele in diesem Jahr?

DEWALD: Ich kann mich jetzt zu den einzelnen Umsätzen nicht äußern. Wir haben weltweit eine Konsolidierung des Geschäftes. Und in ähnlicher Weise trifft das natürlich auch auf unsere Region zu. Wir haben uns in Deutschland sehr stark auf gewisse Segmente konzentriert und wollen die Produktion hierfür auch halten. Wir wollen aber auch neue Bereiche aufbauen können.

?Welche Bereiche sind das?

DEWALD: Der Publishing-Bereich mit den daraus resultierenden elektronischen Medien. Auf der anderen Seite, das ist kein Geheimnis, engagieren wir uns stark bei dem Projekt "Schulen ans Netz". Aus globaler Sicht ist in Deutschland der Anteil des Macintosh in diesem Segment absolut unterdurchschnittlich.

?Wie sieht es mit den Bereichen Animation oder Medizin aus?

DEWALD: Wir haben eine ganze Reihe von Handelspartnern, die in diesen Bereichen sehr engagiert sind. Was den Animationsbereich betrifft, so gibt es Händler und auch Softwarehäuser, die in diesem Bereich sehr rührig sind. Da steckt ein erhebliches Potential drin. Meiner Meinung nach wird sich der Publishing-Bereich in diese Richtung entwickeln. Aber Deutschland ist da noch nicht so weit. Und es besteht kein besonderer Grund, warum das nicht anders sein kann. Wir haben das offensichtlich nicht ausreichend bearbeitet oder dafür noch nicht die richtigen Partner.

?Welche Argumente haben Sie in diesem Bereich für Apple-Rechner?

DEWALD: Sehen Sie sich die Komplexität der Applikationen und die Entwicklung der Kosten an. Bis vor kurzem konnte und mußte man solche Dinge ausschließlich mit einer Unix-Workstation und teuren Grafikprogrammen erledigen. Kostenpunkt: Zwischen 50 bis 100.000 Mark. Heute machen wir so was ganz locker mit dem PowerMac. An dieser Entwicklung partizipieren wir. Eine Zielgruppe, bei der der Macintosh naturgemäß sehr gut ankommt, ist auch das künstlerische Umfeld. In den USA sind wir dort exzellent vertreten. In Deutschland sehe ich da noch Nachholbedarf.

?In diversen unternehmenskritische Bereichen, wie zum Beispiel Warenwirtschaftssysteme, sind Sie nicht oder nur kaum vertreten. Das Stichwort SAP und NT sei genannt. Planen Sie, sich vermehrt um diese Segmente zu kümmern?

DEWALD: Diesen Aufwand haben wir bisher nicht getrieben, obwohl ich es gerne tun würde und eine der Sachen ist, die ich mir für die nächsten Zeit vorgenommen habe. Es ist eine Frage der Ressourcen. Wir müssen vermeiden, den Fehler zu wiederholen, den wir lange Zeit gemacht haben: Der Versuch auf allen Hochzeiten tanzen zu wollen.

?Sie haben erklärt, worauf sich Apple fokussieren sollte. Was bleibt dann auf der Strecke?

DEWALD: Zunächst müssen wir unterscheiden in Angelegenheiten, die die D.A.CH-Region betreffen, und Dinge, die weltweit beeinflußt werden, wie zum Beispiel die Newton-Technologie. Wir sind auf weltweiter Ebene dabei, unsere Geschäftsfelder zu analysieren und ausfindig zu mache, wo unsere Kernkompetenzen liegen. Die Fragen lauten: Wo leisten wir einen beachtlichen Beitrag? Wo können wir etwas günstiger machen? Und wo sind Aktivitäten, die keine Kernkompetenzen fordern und besser von außen eingekauft werden sollten. Wir haben ja ein ganz eklatantes Beispiel gebracht: Wir haben mit Next die Basis für unsere neue Betriebssystemstrategie eingekauft. Das ist für Apple ein wirklich einschneidender Schritt und eine wesentliche Änderung im Geschäftsverhalten. Noch vor drei, vier Jahren war so etwas absolut unmöglich, undenkbar. Und genauso durchforsten wir jetzt alle unseren geschäftlichen Aktivitäten und prüfen, was weiterhin Sinn macht und was nicht. Wir stehen unter einem immensen Kostendruck. Der betrifft zwar die gesamte Industrie, aber Apple besonders stark.

?Kam der Kauf von Next nicht auch aus der Not heraus, weil Apple sein neues Betriebssystem Copland einfach nicht fertigbekommen hat?

DEWALD: Zur Entwicklung eines Betriebssystems gehören im wesentlichen drei Dinge: Kreativität, Disziplin und wirtschaftliches Denken. Wenn wir beschließen, ein neues Betriebssystem zu entwickeln und arbeiten zwei Jahre daran, um festzustellen, daß es immer noch nicht auf dem Markt ist, dann muß jemand die Reißleine ziehen. Denn trotz aller Innovationen und kreativer Verspieltheit muß irgendwann ein Produkt daraus werden. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Als ich hier angefangen hatte, beschäftigte ich mich sehr stark mit Software-Entwicklung. Die Devise lautete: Etwas ist gut, wenn es cool ist. Ich habe mir dann erlaubt zu fragen, ob etwas nur cool sein müsse oder wir damit auch Geld verdienen wollen. Deshalb: Wir fördern innovative, kleine Softwareschmieden zu einem gewissen Prozentsatz, aber wir müssen auf der anderen Seite auch sicherstellen, daß die Oracles, Microsofts und Adobes dieser Welt sich ebenfalls für uns engagieren und sich durch uns betreut sehen. Unsere Software-Entwickler waren sicherlich lange Zeit viel zu cool.

?Für Apple und seine VARs ist der Server-Markt sicherlich nicht uninteressant. Welche Rolle will das Unternehmen hier in Zukunft spielen?

DEWALD: Das ist kein leichtes Thema. Wir sind seit mehreren Jahren in diesem Markt. Und speziell bei Unix-Servern seit etwa eineinhalb Jahren. Das ist ein Bereich, der sehr hohe Investitionen erfordert. Nicht so sehr im finanziellen Bereich, sondern in den Bereichen der Know-how-Gewinnung, Infrastruktur, Autorisierung der Partner sowie Service und Support. Das haben wir alles gemacht und sind damit auch mittlerweile recht gut unterwegs. Im übrigen will ich auf das Servergeschäft ungern verzichten. Sehen Sie sich nur mal das Verhältnis der Umsätze und das Verhältnis der entsprechenden Margen und Gewinne an. Server sind auf jeden Fall ein wichtiges Segment, in dem wir tätig sind.

?Paßt zu dieser Absicht, daß NT künftig nicht mehr den Power-PC portieren wird?

DEWALD: Ich bin darüber nicht sehr glücklich, aber NT war nie der wesentliche Pfeiler unserer Strategie. Es hätte ein nettes Produkt in unserem Portfolio werden können. Das ist jetzt aber vorbei. Dennoch ist das Verhältnis zwischen Apple und Microsoft heute deutlich entspannter als es noch vor einiger Zeit war. Und deswegen glaube ich nicht, daß schon alle Türen zu sind.

?Nun hat es den Anschein, als stünden Sie mit dem Power-PC und MacOS ganz allein da.

DEWALD: Ich glaube das Potential des Power-PCs ist in der PC-Welt überhaupt noch nicht erkannt und anerkannt worden. Wir haben die Basis dafür geschaffen und sowohl IBM wie auch Motorola legen sich mächtig ins Zeug. Aber ich wünsche mir natürlich, daß die noch aktiver werden. Ich glaube, die Plattform ist noch nicht ausgereift. Im Gegenteil. Ich bin davon überzeugt, daß da noch ein paar Überraschungen auf uns zukommen. Im positiven Sinne natürlich.

?Sprechen wir das Verhältnis zu den Apple-kompatiblen Herstellern an. Bisher haben diese sogenannten Clones-Anbieter hauptsächlich in die Märkte hinein verkauft, wo auch Apple tätig ist. Ihr CEO Amelio hat letztes Jahr auf der Mac-Welt-Expo klar gesagt: Wenn die uns Märkte wegnehmen, werden wir sie - überspitzt gesagt - als Feinde betrachten. Sollte Apple nicht eher zusammen mit den Clones-Herstellern überlegen, wie sie gemeinsam den Marktanteil erweitern.

DEWALD: Ich sage das mal so. Es gibt da zwei Ebenen. Die eine Ebene ist strategischer Natur und betrifft die Betreuung dieser Lizenznehmer. Das ist nichts anderes als ein Kooperationsabkommen. Das gesamte Know-how stammt von uns. Die Hersteller sollten darauf aufbauen und weiterentwickeln. Zum Zweiten gibt es das operative Geschäft. Und da stoßen sie sich kräftig die Hörner glatt. Da sitzen alle vor dem gleichen Kunden, der sein Geld nach links oder rechts ausgeben muß. Insofern ist die Angelegenheit etwas heikel.

?Letztes Jahr hat Apple einem seiner Distributoren, der Firma Schuh, untersagt, Clones zu vertreiben. Sie verlangen 100 Prozent Apple-Distribution. Werden Sie weiterhin so restriktiv verfahren, wenn einer ihrer Distributoren Clones anbieten möchte, weil er sich dadurch ein gutes Geschäft verspricht?

DEWALD: Dann werden wir ein ernstes Gespräch mit ihm führen müssen. Und wenn er seine Meinung nicht ändert, werden wir die Beziehung abbrechen müssen.

?Betrifft das Gleiche auch die Händler?

DEWALD: Ja.

?Und ein Apple-Center muß auch weiterhin 70 Prozent Apple-Produkte im Angebot haben?

DEWALD: Wir haben keinerlei Gründe, einen spezialisierten Kanal einem Wettbewerber zu überlassen. Wie gesagt, das Ziel ist ja, den Markt zu erweitern.

?Was können Sie mittlerweile einem Händler in Sachen MacOS, Rhapsody und Rückwärtskompatibilität sagen? Was erwartet die Wiederverkäufer?

DEWALD: Da gibt es eine ganz klare Aussage: Business as usual. Das MacOS wird weiterentwickelt, der erste Schritt mit System 7.6 ist getan. Als nächstes ist bei Version 7.7 geplant, noch mal umfassende Neuerungen in die bestehende Architektur zu bringen. Alle anderen Sachen sind heute noch in einer Konzeptphase. Was wir aber innerhalb der nächsten zwölf Monate umsetzen wollen, ist, die Händler mehr an das bestehende MacOS-System heranzubringen. Die Händler sollten ihr Know-how aufbauen, um einem Kunden klar zu zeigen, wie er seine bestehende Investition absichert, aber dennoch die Möglichkeit hat, andere Plattformen mit zu unterstützen. Was die weiteren Versionen des MacOS anbelangt, kann am besten an einem Beispiel klargemacht werden. Ich denke, die Situation ist vergleichbar mit Windows 95 und Windows NT. Das sind zwei parallel existierende Betriebssysteme, und genauso werden Rhapsody und MacOS parallel existieren, wobei gleichzeitig durch die Kompatibilität von MacOS mit Rhapsody gewährleistet ist, daß die meisten Anwendungen von MacOS auf Rhapsody laufen.

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