Astra: Die Chefs stehen am Pranger

26.06.2004
Astra könnte die Insolvenz drohen, hieß es vergangene Woche in der Branche. Viele der Probleme des Unternehmens seien dabei hausgemacht, sagen Insider. Von ComputerPartner-Redakteurin Beate Wöhe

Kurz nach den Pfingstferien ging es in der Distributionslandschaft rund: Die Information machte in der Branche die Runde, dass die Astra Datentechnik GmbH vor dem Aus stehe. Bis Redaktionsschluss am vergangenen Freitag lag dem Amtsgericht Köln weder ein Insolvenzantrag der Astra Datentechnik GmbH vor, noch hat die Geschäftsleitung zu den schriftlichen Fragen der ComputerPartner-Redaktion Stellung genommen.

Über die Gründe, die zu dieser Situation geführt haben, müssen die meisten Branchenkenner nicht erst spekulieren. Die meistgenannten Aussagen lauten: Kalkulation mit zu geringen Margen in Verbindung mit zu schnellem Wachstum plus ein üblicherweise laues zweites Quartal.

Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit war Guido Mumm, Geschäftsführer der Astra Datentechnik, nicht bereit, die Spekulationen und Vorwürfe zu entkräften. "Ich kann und will zu der derzeitigen Situation keine Stellung nehmen", sagte er vergangenen Mittwoch gegenüber ComputerPartner. Es seien noch verschiedene Gespräche zu führen, wiegelte der Geschäftsführer ab. Dem Vernehmen nach holte sich Mumm bei seiner Hausbank am vergangenen Donnerstag eine Abfuhr. Der Gesellschafter und ehemalige Geschäftsführer der Astra Datentechnik GmbH, Markus Schulericki, ist seit längerer Zeit nicht mehr erreichbar. Er halte sich in Holland auf, heißt es.

Gespräche führten auch die Kreditversicherer mit diversen Lieferanten der Astra. Aussagen der Versicherer wie "Jetzt werden wir bezüglich der Limits noch restriktiver" sind nicht gerade eine freudige Nachricht für die gesamte IT-Branche. So holten auch bereits ab vergangenem Dienstag mehrere Lieferanten ihre Ware aus dem Lager des Hürther Distributors zurück.

Gegen Ende der Woche spitzte sich die Lage offensichtlich noch weiter zu. Am Donnerstag kündigte ein Rechtsanwalt für Freitag, den 18. Juni beim Amtsgericht Köln die Einreichung eines Insolvenzantrages betreffend die Astra Datentechnik GmbH an. Um wessen Rechtsvertreter es sich dabei handelte, war jedoch nicht bekannt.

Welche Rolle spielt Vito?

Über die Zukunft von Astra spekulierten nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch viele Branchenvertreter. Ins Gespräch kommt in diesem Zusammenhang immer wieder die niederländische Astra Benelux mit Sitz in Kerkade, die von der deutschen Astra im Jahr 2001 als ihre Dependance vorgestellt wurde. Vor der Namensänderung in Astra Benelux firmierte sie seit 1996 unter dem Namen Vito Computers BV. In Branchenkreisen wird der Astra Datentechnik GmbH und der Vito Computers BV mehr als nur ein Lieferanten-Kunden-Verhältnis nachgesagt. Seit Mittwoch vergangener Woche hat der holländische Distributor seinen alten Namen wieder angenommen. Die Domain "vito-international.com" wurde am 9. Juni 2004 beantragt.

Jens Harnisch, Geschäftsführer des niederländischen Distributors, sagte ComputerPartner: "Die deutsche Astra war und ist lediglich einer unserer Lieferanten." Astra Datentechnik sei zu keiner Zeit Gesellschafter der Astra Benelux gewesen - was jedoch in Deutschland nach außen hin ganz anders dargestellt wurde (siehe Kasten). Seine Gesellschafter wollte Harnisch aber auch nach mehrmaligem Hinterfragen nicht preisgeben. Ein Astra-Mitarbeiter bestätigte jedoch, dass die Familie Schulericki Gesellschafter der Vito in Holland sei. Zudem seien Jens Harnisch und Markus Schulericki alte Studienkollegen gewesen.

Aus Astra-nahen Kreisen ist außerdem zu erfahren, dass die Vito Computers International BV (ehemalige Astra Benelux) für die Astra Deutschland wesentlich mehr war als nur ein gewöhnlicher Kunde: "Das war die Steueroase der Familie Schulericki und der Abladeplatz für die Astra Datentechnik." Waren, die in Hürth nicht mehr abgesetzt werden konnten, seien der Astra Benelux "aufs Auge gedrückt worden".

Meinung der Redakteurin

Für die massiven finanziellen Schwierigkeiten, in denen Astra steckt, ist das Management verantwortlich. Der Distributor hat auf den schnellen Euro gesetzt: Aggressive Preise bei Niedrigstmargen sollten die Wettbewerber ausschalten und den Umsatz in die Höhe treiben. Auf der Strecke blieben dabei die Margen. In der Distribution kann solch ein Schuss schnell nach hinten losgehen.

Niederlassung oder Kunde?

Originalauszug aus: http://www.astra-gmbh.de/astrawebsite/profil/portrait.html

1996 erfolgte mit der Auslieferung über die Niederlande in den Benelux-Raum die Erschließung internationaler Märkte. Im August 2000 wurde die erste Niederlassung in Antibes, Frankreich, eröffnet. Von dort erreichen die Lieferungen Südeuropa. Im Herbst 2001 erfolgte die Erweiterung des internationalen Kundennetzes mit der Gründung einer Niederlassung in Österreich. Über eine enge Anbindung an die deutsche Zentrale und tägliche Belieferung verwirklichen die multinationalen Satelliten ein räumliches Vertriebskonzept. Neben den bestehenden Dependancen Astra BENELUX, Astra MEDITERRANNEE und Astra ALPE ADRIA sind weitere internationale Stützpunkte in Planung.

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