Aufgewerter Gravis-Macintosh verärgert die Fachhändlerschaft

16.02.1996
BERLIN: Die Einführung des Gravis-Mac hat nach Angaben des Berliner Apple-Discounters für massive Bewegung in der Händlerschaft geführt. Die Geräte wurden dem Anbieter förmlich aus den Regalen gerissen - und viele Fachhändler schauten in die Röhre.Bereits einen Monat, nachdem Gravis-Chef Archibald Horlitz seinen Gravis-Mac vorstellte, waren die Regale auch schon wieder leergefegt: "Wir haben innerhalb kürzester Zeit weit über 500 Systeme verkauft", vermeldet er stolz. "Die Tendenz ging so auf die 800 zu."

BERLIN: Die Einführung des Gravis-Mac hat nach Angaben des Berliner Apple-Discounters für massive Bewegung in der Händlerschaft geführt. Die Geräte wurden dem Anbieter förmlich aus den Regalen gerissen - und viele Fachhändler schauten in die Röhre.Bereits einen Monat, nachdem Gravis-Chef Archibald Horlitz seinen Gravis-Mac vorstellte, waren die Regale auch schon wieder leergefegt: "Wir haben innerhalb kürzester Zeit weit über 500 Systeme verkauft", vermeldet er stolz. "Die Tendenz ging so auf die 800 zu."

Als die Gravis-Macs weg waren, griff das Unternehmen auf Computer mit anderen Konfigurationen zurück. Die Nachfrage sei ungebrochen, aber durch die Situation bei Apple hätten sich die notwendigen Neuverhandlungen zum Thema Gravis-Mac verzögert. Jetzt heißt es für Horlitz "wait and see": Stabilisiert sich die Schieflage beim Lieferanten, werden die Gespräche wieder aufgenommen. Wenn nicht, gibt es ja immer noch Umax, die ihren Mac-Clone für dieses Jahr angekündigt haben und zu denen der Gravis-Vordere "gute persönliche Kontakte" hält.

Die liebste Lösung scheint für Horlitz darin zu liegen, selber Apple-Lizenzen zu nehmen. Dabei kommt ihm die neue Strategie des Herstellers zugute (siehe Interview ab Seite 20).

Horlitz, der sein Unternehmen gerne mit Vobis oder Escom vergleicht ("nur wir haben bessere Produkte und intelligentere Mitarbeiter"), schert es nach so durchschlagendem Erfolg nicht, wenn er von Apple-Fachhändlern die Hucke voll bekommt. "Statt positiver Reaktionen haben wir wegen unserer Gravis-Macs nur Eifersüchteleien und Gejammer geerntet", wundert sich der Apple-Stratege. "Grundsätzlich stand dieses Angebot doch allen Apple-Händlern zur Verfügung, sofern sie bereit waren, entsprechende Stückzahlen-Committments abzugeben." Und die seien gar nicht so hoch gewesen. Seiner Ansicht nach sind viele Händler vor diesem Schritt zurückgeschreckt, weil sie nicht - wie Gravis - so nahe am Endkunden sind. "Wir können einfacher und schneller entscheiden, was will der Kunde", nimmt er für sich in Anspruch. Distributoren oder vergleichbar große Anbieter wie Systematics hätten einfach eine andere Klientel. Alles eine Frage der Flexibilität, also.

Auch den Vorwurf eines Marktexperten, Gravis habe bei der ganzen Aktion draufgezahlt, weist er weit von sich: "Alles Quatsch! Im Gegenteil, wir haben sogar gut an den Systemen verdient, wir können doch rechnen", versichert der Geschäftsmann.

Allen Widersachern zum Trotz will er den Gravis-Mac als Marke etablieren. Dabei liegt ihm nach eigenem Bekunden eher an Kooperation mit dem Kollegen vom Fachhandel denn an Konkurrurenz-Rangeleien, auch wenn er mit seiner Ansicht über Apples Kanalpolitik nicht hinterm Berg hält: "Apple würde mit großen, stabilen und erfolgreichen Handelspartnern besser fahren, statt zu versuchen, 500 oder 600 Händler glücklich zu machen."

Wie man sieht: Der Mitwettbewerb soll sich warm anziehen. Gravis hat Geld und ausgeprägte Expansionsgelüste. Das laufende Geschäftsjahr wird mit rund 80 Millionen Mark Umsatz abgeschlossen werden (das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr) und erstmals seit Bestehen des Unternehmens schaut voraussichtlich auch ein guter Profit heraus. Für Horlitz kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen.

Seine Geschäftspolitik bleibt weiterhin äußerst aggressiv. Ab Anfang März beispielsweise werden alle seine verkauften MacOS-basierten Computer mit Software-Bundles im Wert von stolzen 1.600 Mark ausgeliefert - ohne Aufpreis, versteht sich. So generiert er Umsatz, Profit macht er eher durch den Verkauf von Komponenten und Peripherie. "Wir sind hier natürlich nicht als Sozialverein tätig", betont Horlitz. "Was wir bei solchen Aktionen nutzen, ist unsere Größe im Markt. Mit 130.000 Endkunden und 25.000 verkauften CPUs pro Jahr, können wir ganz einfach einen Leverage-Effekt nutzen."

Zudem möchte er Deutschland innerhalb möglichst kurzer Zeit flächendeckend mit seinen Niederlassungen bestücken. 20 Shops nennt er bereits sein eigen, Nr. 21 öffnet demnächst in Bonn seine Pforten. Einen begehrlichen Blick hält er auch auf das europäische Ausland gerichtet. Da wo vergleichbare rechtliche und vertriebliche Strukturen wie in Deutschland herrschen, wie in Österreich und in der Schweiz, will er Niederlassungen gründen, ansonsten schwebt ihm ein ausgeprägtes Franchising-Konzept vor.

Es fragt sich, wo bei soviel Expansionsdrang noch Platz für die beteuerte Kooperationsbereitschaft mit dem Fachhandel bleibt. "Kleine Händler haben durchaus ihre Vorteile, die sind im Zweifelsfall viel näher am Kunden als wir. Sehr beratungsintensiven Kunden, denen unsere Betreuung nicht ausreicht, geben wir natürlich auch Adressen von regional ansässigen Apple-Händlern", fällt Horlitz zu dem Thema gerade noch ein. "Es ist nicht unser primäres Ziel, den Wettbewerb zu schlagen, wir wollen ja keine Apple-Kunden verlieren", versichert er. "Aber der Kampf gegen Gravis wäre aussichtslos, wir haben den längeren Atem."

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