Ausländische Konzerne machen Deutschen Büroartikel-Händlern das Leben schwer

23.07.1998

FRANKFURT: Die Globalisierung und Konzentration im Bürobedarfsmarkt sorgt unter deutschen Fachhändlern zusehends für Nervosität. Dabei sieht sich die einheimische Branche einer regelrechten Invasion ausländischer Spezialisten gegenüber.Das Übernahme- und Fusionskarussell im Markt für Büroartikel dreht sich immer schneller. So kündigte zu Jahresbeginn der französische Filialist Pinault Printemps Redoute an (Umsatz knapp 30 Milliarden Mark), den mächtigsten europäischen Bürofachhändler, die Guilbert-Gruppe (Umsatz 1,7 Milliarden Mark), für 2,7 Milliarden Mark übernehmen zu wollen. Vor ein paar Wochen erst gab Office Depot, der amerikanische und weltgrößte Händler für Bürobedarf, die Verschmelzung mit Büroversand-Primus Viking bekannt. Branchenzweiter

Staples konterte unverzüglich mit der Übernahme des US-Catalogers Quill für 1,2 Milliarden Mark.

Branchenkreise sind überzeugt, daß diese Mammuthochzeit nicht ohne Auswirkungen auf den deutschen Handel (Umsatzvolumen 55 Milliarden Mark) bleiben werde. Schließlich haben bereits alle namhaften Global Player ihren Fuß auf deutsches Terrain gesetzt. Für Herbst hat sich mit dem britischen Großhändler Spicers bereits ein weiteres ausländisches Unternehmen angekündigt. Die berechtigte Sorge geht um, daß die finanzstarken ausländischen Unternehmen den mittelständisch geprägten deutschen Bürobedarfshändlern noch weitere Umsatzanteile abnehmen werden. Geschäftsführer Ekkehardt Poeschmann von der Einkaufsgenossenschaft Büro actuell sagt, daß die größten deutschen Unternehmen im Vergleich zur internationalen Konkurrenz Umsatzzwerge seien: "Wenn ein deutscher Fachhändler 100 Millionen Mark erlöst, dann ist das bereits eine dramatische Größe."

Ein wichtiger Grund für die Verschiebung der Gewichte ist nach Auffassung von Dr. Benedikt Erdmann, Vorstandsmitglied der Fachhandelsgenossenschaft Soennecken, Vater Staat: Während die Unternehmen in den USA oder Frankreich ihre Kriegskassen füllten, so Erdmann, werde in Deutschland "zuviel wegbesteuert". Die Expansion deutscher Fachhändler ins Ausland habe auch aus diesem Grund bislang überhaupt nicht stattgefunden.

Im Inland besitzen die Genossenschaften wegen der großen Zahl angeschlossener Unternehmen eigener Einschätzung nach gute Voraussetzungen, im Konzern der Großen mitzumischen. Soennecken zählt 379 Mitglieder, Wettbewerber Büro actuell zirka 550 Genossen. Eine große Mitgliederschar wird aber in Zukunft kaum ausreichen. Das sieht auch Poeschmann so. Es müßten Voraussetzungen geschaffen werden, um Großkunden bundesweit flächendeckend beliefern zu können.

Ein anderes Problem: Die Einkaufsbündelung nationaler Abnehmer steckt noch in den Kinderschuhen. Daß aber immer mehr Kunden, wie Banken oder öffentliche Verwaltungen, zentrale Konditionen aushandeln und dezentral beliefert werden wollen, ist auch für den Chef des erfolgreichen amerikanischen Fachversenders Viking, Rolf van Kaldekerken, ein offenes Geheimnis.

Büro actuell hat inzwischen immerhin eine Gesellschaft gegründet, mit der im größeren Umfang zentrale Konditionen mit dezentral organisierten Großabnehmern für ihre Mitglieder ausgehandelt werden sollen.

Die Beispiele von Staples oder BT-Office zeigen, daß die ausländische Konkurrenz in dieser Frage nicht viel Zeit verliert. So hat Staples angekündigt, pro Jahr "mindestens" 20 bis 25 Märkte eröffnen zu wollen. Hierzulande erkennt Deutschland-Geschäftsführer Michael Baur ein Potential von insgesamt 250 Outlets. BT-Office hingegen kauft einen Wettbewerber nach dem anderen auf. Office Depot wiederum dürfte sich dem stationären Geschäft in Deutschland zuwenden und nationale Großunternehmen von Key-Accountern betreuen lassen.

Manfred Vossen

Der Beitrag ist erstmals in der Lebensmittelzeitung Nr. 24 vom 12. Juni 1998 erschienen.

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