Ausverkauf bei Boeder - potentielle Käufer in den Startlöchern

11.02.2000
Der Versuch der Boeder Holding GmbH ist fehlgeschlagen: Die Firma wollte sich zum IT- und Multimedia-Zubehör-Anbieter mausern. Jetzt ist das Unternehmen pleite. Retter in der Not könnte die Vivanco AG sein: Sie will Teile des schwer angeschlagenen Unternehmens kaufen.

Die Lichter bei der Boeder Deutschland GmbH sind aus - zumindest vorerst. Letzte Woche beantragte das deutsche Traditionsunternehmen das Insolvenzverfahren. "Die Geschäftsführung sieht sich zu diesem Schritt aufgrund von Problemen, fälligen Zahlungsverpflichtungen im Rahmen der bestehenden Liquiditätssituation des Unternehmens vollständig nachzukommen, veranlasst", heißt es in einem der ComputerPartner-Redaktion vorliegendem Schreiben, das vergangene Woche an Lieferanten und Kunden herausging. Im Klartext: Man ist pleite.

Aufschluss über mögliche Hintergründe gibt der mögliche Kaufinteressent, die Vivanco AG, auf ihrer Homepage, wo die Gruppe bereits lebhaftes Interesse an Teilen von Boeder ankündigte: "Die jetzige Situation der Boeder Holding ist aus Sicht Vivancos aufgrund wesentlicher Vermarktungs- und Management-Fehler eingetreten." Das Boeder-Management ist "bereits von seinen Aufgaben entbunden" - sprich: kurzerhand auf die Straße gesetzt worden. "In Deutschland hatte Boeder schwere strukturelle Probleme: Fehler bei Einkauf und Absatzvermarktung sowie extreme Lieferengpässe. Besonders den deutschen Markt schätzte das Management falsch ein: falsche Schwerpunkte bei den Produkten und die Sortimentspolitik ging am Kunden vorbei", erklärt ein Unternehmenskenner gegenüber ComputerPartner.

1997 strotzte das Boeder-Management noch vor Zuversicht: 160 Millionen Mark wollte man umsetzen, und mittelfristig schwebte der damaligen Geschäftsführung bereits der Börsengang vor (siehe ComputerPartner 5/97, Seite 16). Aber weder 1997 noch in den darauf folgenden Jahren erreichte das Unternehmen seine Ziele; die Umsatzkurve ging immer weiter in den Keller (siehe Grafik).

Vivanco will Marke übernehmen

Vivanco sitzt in den Startlöchern, bereit zur Übernahme: Das Unternehmen ist seit 1999 indirekt, über eine vorgeschaltete Finanzholding, an Boeder mit 24,7 Prozent beteiligt. Jetzt soll das Kuchenstück um die Marke Boeder, bestimmte Warenbestände aus dem IT-Zubehörbereich und eine "noch nicht definierte Anzahl von Mitarbeitern", wie es von offizieller Stelle heißt, erweitert werden. Insolvenz beantragte Boeder am 25. Oktober, bereits am 24. Oktober hatte Vivanco seine Kaufgelüste auf der eigenen Website angekündigt. Bei der Boe-der-Holding reagieren die Mitarbeiter wie in dieser Situation üblich: "Wir suchen nach Lösungen, mehr können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt geben."

Um den Schaden für die deutsche Traditionsmarke Boeder so gering wie möglich zu halten, hatte das Unternehmen kurzfristig in EVG EDV Zubehör Deutschland GmbH (vormals Boeder Deutschland GmbH) umfirmiert. Unter EVG läuft auch der Insolvenzantrag. "Dieser Schritt wurde unternommen, um die Marke Boeder zu schützen. Ich glaube aber nicht, dass uns das wirklich gelungen ist", gibt ein Boeder-Manager resigniert zu. "Das Geschäft läuft aber weiter: Wir haben Warenein- und ausgänge. Würde jetzt alles brachliegen, wäre das kurz vor Weihnachten eine Katastrophe", berichtet er.

Den Anteilseigner Vivanco dürfte das freuen: "Die Marke Boeder, mit jährlich 100 Millionen Mark Umsatz, würde unser Portfolio ergänzen. Außerdem wickelt Boeder 70 Prozent seines Geschäfts im europäischen Ausland ab, was zu unserer strategischen Ausrichtung passt", erklärt Andreas von Villavicencio-Magheri, zuständig für Investor-Relations bei der Vivanco-Gruppe in Ahrensberg, auf Anfrage von ComputerPartner. Er ist sich sicher: "Wir könnten das Ruder für Boeder herumreißen, weil wir den Markt kennen. Immerhin rechnet Vivanco im laufenden Geschäftsjahr mit einem Umsatzwachstum von über 30 Prozent." (ch)

www.boeder.de

www.vivanco.de

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