BE Inc. liefert zur Comdex das Release R4 von BE-OS aus

11.12.1998

MÜNCHEN: An der Vorherrschaft von Windows als PC-Betriebssystem dürfte sich so bald nichts ändern. Dennoch versucht seit Anfang der 90er Jahre ein kleines Unternehmen aus Kalifornien, Be Inc., ein weiteres Betriebssystem für PCs auf dem Markt zu etablieren. Zumindest bisher gelang ihr das nur mit bescheidenem Erfolg. Nichtsdestotrotz hat der europäische Be-Vizepräsident, JeanCalmon, mit "Be-OS" noch Großes vor.

Urspünglich als eine Alternative zum Mac-Betriebssystem konzipiert, entwickelt sich Be-OS zunehmend zu einer weiteren Plattform für Intel-basierte PCs. Daß tatsächlich ein Bedarf für ein weiteres PC-Betriebssystem besteht, versuchte Jean Calmon in einem Gespräch mit dem ComputerPartner-Redakteur, Ronald Wiltscheck, zu belegen.

An wen denken Sie denn mehr, wenn Sie neue Versionen von Be-OS entwickeln, an die Mac- oder Windows-User?

CALMON: Nun, ursprünglich haben wir Be-OS für alle Risc-basierten Rechnerplattformen entwickelt, und dann speziell für den Power-PC als Mac-OS-Alternative. Die Mac-Gemeinde behalten wir selbstverständlich weiterhin im Auge, doch nachdem Apple sich standhaft weigert, uns Interna über die G3-Modelle zur Verfügung zu stellen, können wir für diese spezielle Plattform nicht mehr unterstützen. Aufgrund der momentanen Marktlage fokussieren wir unsere Anstrengungen vornehmlich auf die Intel-Plattform, von den jetzigen Be-OS-Installationen sind auch über 95 Prozent dort angesiedelt.

Welcher Marktanteil bei PC-Betriebssystemen schwebt Ihnen denn vor?

CALMON: Genaue Zahlen kann ich Ihnen jetzt nicht nennen, momentan sind wir irgendwo bei Null, doch wir wollen Windows gar nicht Konkurrenz machen. Vielmehr streben wir an, Be-OS als die führende Plattform für Video-, Audio- und 3D-Anwendungen zu verankern. Diese breitbandhungrigen Applikationen werden bei drei bis sieben Prozent aller PCs verstärkt nachgefragt, und hier sehen wir einen potentiellen Markt für Be-OS.

Wer sollte also Ihrer Meinung nach zu Be-OS greifen?

CALMON: Sicherlich niemand, der seinen Windows-PC ausschließlich für Office-Anwendungen nutzt. Aber für jemanden, der sich zumindest semiprofessionell mit digitaler Medienbearbeitung beschäftgt, ist Be-OS sicherlich eine reizvolle Alternative. Hier sehen wir auch unsere Stärken gegenüber Windows. Eben diese sogenannten "Pro-sumers", also Konsumenten mit dem Hang zur professioneller Software, sind unsere bevorzugte Zielgruppe.

Wie sieht es mit der Hardware-Unterstützung aus?

CALMON: Sicherlich ist unser Hardware-Support bisher noch relativ begrenzt, doch wir unterstützen die gängigsten Motherboards und Erweiterungskarten. Eine aktuelle Liste mit Be-OS-kompatiblen Hardware-Komponenten findet sich unter www. be.com/products/beosreadylist.html.

Und wie ist es um die unter Be-OS laufenden Programme bestellt?

CALMON: Wir gehen von 7.000 bis 8.000 Entwicklern aus, die für Be-OS Programme schreiben. Zirka 1.000 von ihnen bieten ihre free- und shareware unter www-us.beeurope.com/beware/ zum kostenlosen Download an. Weitergehende Produkte zu Be-OS, wie zusätzliche Software, Bücher und andere Artikel, können im virtuellen Be-shop unter www.bedepot.com erworben werden. So sind bereits sogar komplette Office-Pakete für Be-OS verfügbar. Wir selbst entwickeln jedoch keine spezielle Software.

Doch warum sollte man sich die Mühe machen, ein völlig neues Betriebssystem zu installieren, wenn der Vorrat an dafür verfügbarer Software begrenzt ist und nicht jede Hardware-Komponente unterstützt wird?

CALMON: Be-OS ist eben etwas für Leute, die sich weder mit Windows noch mit Mac-OS zufriedengeben, aber ein stabiles Betriebssystem für die Bearbeitung ihrer multimedialer digitaler Inhalte benötigen. Und das Reservoir an Software wächst täglich. Immerhin engagiert sich hier sogar Maxon, ein deutscher Software-Hersteller im 3D-Grafik-Bereich. Erst kürzlich hat sich die Frankfurter Firma für die Portierung ihres 3D-Modelling- und -Animationsprogramms Cinema4D XL auf Be-OS entschieden.

Aber wenn man von Windows und Mac-OS die Nase voll hat, sollte man da nicht gleich auf das Intel-kompatible Unix-Derivat, auf Linux, umsteigen?

CALMON: Nein, denn mit Linux kommt der Normalverbraucher kaum zurecht. Das ist ein sehr gutes Betriebssystem für Netzwerkanwendungen, zum Steuern von Routern oder als Plattform für einen Web-Server. Mit Be-OS kommt hingegen jeder sofort zurecht, sofern er zumindest ein wenig im Umgang mit Windows oder Mac-OS geübt ist. Derjenige kann hier sofort mit seiner Arbeit loslegen, was er bei Linux nicht so ohne weiteres könnte.

Was passiert mit Be-OS in der Zukunft?

CALMON: Zur Comdex werden wir das Release R4 vorstellen. Diese Version wird noch mehr Hardware-Komponten unterstützen, beispielsweise den Soundblaster sowie weitere USB- und SCSI-Peripherie-Geräte. Noch im Dezember ist mit einer deutschen Version zu rechnen. Ferner wollen wir mit noch mehr Hardware-Herstellern und Software-Entwicklern Vereinbarungen zum Be-OS-Support treffen. Wir stehen mit allen großen PC-Herstellern in Verhandlungen. Die Anzahl der verfügbaren Applikationen wird in den nächsten Monaten stark ansteigen. Außerdem sind wir bestrebt, weitere Features ins Be-OS einzubauen, um noch mehr Hardwarekomponenten zu unterstützen.

Wie wollen Sie Be-OS vertreiben?

CALMON: In Deutschland ausschließlich indirekt. Denn wir haben festgestellt, daß die Deutschen im Gegensatz zu den Franzosen noch große Scheu verspüren, ihre Kreditkartennummern über das Internet weiterzugeben. Deshalb wollen wir das Web vornehmlich zu Marketingzwecken verwenden, für die Abwicklung von Geschäftsvorgängen über dieses Medium ist es noch zu früh. Unsere deutschen Distributoren sind die Jolo Data aus Hildesheim und Mindwork Technologies aus Heilbronn. Zur Zeit verhandeln wir noch mit einem weiteren potentiellen Großhändler, aber mit mehr als drei von ihnen wollen wir keine Geschäfte machen. Wir hoffen natürlich, daß unsere zwei oder drei Distributoren sich jeweils ein weit verzweigtes Netzwerk an Wiederverkäufern aufbauen können, um so die Verbreitungsbasis von Be-OS wesentlich zu vergrößern. Dabei werden wir die Wiederverkäufer sowohl vertriebs- als auch marketingtechnisch nach Kräften unterstützen. (rw)

Wer sich ein wenig mit Windows oder Mac-OS auskennt, kommt auch mit Be-OS zurecht.

Jean Calmon: "Mit Be-OS wollen wir Windows keinesfalls Konkurrenz machen."

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