Bei wettbewerbsrechtlichem Streit ist schnelles Handeln angesagt

04.06.2000
Abmahnungen, gerade im Zeitalter der neuen Medien, häufen sich. Wie der Fachhandel vorbeugen kann und welche Schritte man unbedingt beachten sollte, zeigt Hans-Ulrich Buckenberger* in diesem Beitrag auf.

Das könnte auch Ihnen passieren: Sie haben sich gerade für teures Geld eine Home-page im Internet einrichten oder "verschönern" lassen. Sie sind stolz darauf, Ihren Kunden auch "online" die Leistungsfähigkeit Ihres Unternehmens vermitteln zu können. Der Einfachheit halber haben Sie sich auch sogenannte "Hyperlinks" zu einigen Homepages von Lieferanten einrichten lassen. Wenige Tage später öffnen Sie Ihre Post. Darunter ist auch ein Abmahnschreiben eines Anwalts, der Ihren "Lieblings-Konkurrenten" vertritt. Der Inhalt: Die Homepage der Firma A, auf die Ihr Hyperlink verweist, enthält wettbewerbswidrige Aussagen. Innerhalb einer knappen Frist sollen Sie die beiliegende, vorformulierte Unterlassungserklärung unterzeichnet und zurücksenden sowie die Kosten dieses Anwalts bezahlen. Sie holen tief Luft und überlegen: "Was tun?"

Abmahnungen nicht liegen lassen

Zunächst: Lassen Sie den Brief nicht einfach liegen, sondern handeln Sie - zwar nicht überstürzt, aber rasch. Wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten sind von Natur aus eilig. Grund: Ihre Werbung - auch die eines befreundeten Unternehmens, welche Sie sich zu Eigen gemacht haben, wirkt ständig fort. Wenn Ihr Konkurrent Recht hat, dann hat er auch ein berechtigtes Interesse, dass Ihre Werbung möglichst schnell aufhört. Die Frage bleibt aber: Hat er wirklich Recht?

Sie können natürlich warten, bis das Gericht darüber entscheidet. Das sollten Sie besser nicht tun. Der Gegenanwalt wird den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen und - dafür wird er von Ihrem Konkurrenten bezahlt - seinen Antrag so überzeugend begründen, dass das Gericht darüber ohne mündliche Verhandlung entscheidet, also ohne Sie vorher anzuhören. Selbstverständlich können Sie, nach formeller Zustellung, gegen die Entscheidung umgehend Widerspruch einlegen. Bis darüber jedoch - nach Wochen oder Monaten - das Gericht entscheidet, müssen Sie sich an dessen vorläufiges Verbot halten. Sie müssen also Ihre Homepage so rasch wie möglich und selbst dann ändern, wenn Sie später im Widerspruchsverfahren Recht bekommen sollten. Tun Sie dies nicht, drohen Ihnen empfindliche Ordnungsgelder in bis zu sechsstelliger Höhe.

Sie können (und sollten) stattdessen einen Anwalt fragen - möglichst einen, der sich auf Wettbewerbsrecht spezialisiert hat. Es gibt kaum ein Gebiet, das sich schnelllebiger entwickelt, besonders im Zusammenhang mit den neuen Medien. Auch die Europäische Union (EU) beeinflusst unser nationales Recht, wie zum Beispiel jüngst die Liberalisierung der vergleichenden Werbung. Jedenfalls hier sollten Sie Ihrem Anwalt die verantwortliche Beurteilung überlassen und nicht allein auf Ihre kaufmännische Berufserfahrung oder auf Halbwissen vertrauen.

Zum Thema "Populärwissen" und seinen Gefahren ein praktisches Beispiel: Immer wieder entsteht durch verkürzende Presseberichte der falsche Eindruck, die - einerseits engherzigen, andererseits mittelstandsfreundlichen - deutschen Gesetze zur Gewährung von Rabatten und Zugaben wären inzwischen aufgehoben worden (nur weil manche unserer EU-Partnerstaaten sie nicht mögen). Dies ist jedoch immer noch nicht der Fall. Auch zu solchen Themen sollte Ihnen besser Ihr Anwalt sagen, was man ab wann tun oder besser noch lassen sollte.

Wenn Sie zum Anwalt gehen, dann tunlichst nicht kurz vor Fristablauf. Häufig sind weitere Fakten ergänzend zu klären, wozu man Ruhe und Zeit braucht. Bringen Sie schon zum ersten Besprechungstermin alles mit, was Ihnen wesentlich erscheint, also die beanstandete Werbung selbst (zum Beispiel ein Original-Exemplar des Flyers, einen Ausdruck des Bildschirm-Inhalts), aber auch entlastendes Material (wie Datenblätter oder Veröffentlichungen, welche die Richtigkeit Ihrer Werbeaussagen stützen). Bitte glauben Sie nicht, dass die Verteidigung "reine Juristensache" ist. Oft liegen die Prozess-entscheidenden Fakten im kommerziellen oder technischen Bereich, zum Beispiel bei den besonders "gefährlichen" Alleinstellungen wie "ein Spitzenprodukt der Technik" oder "konkurrenzlos preisgünstig". Solche Zusammenhänge kennen Sie allemal besser als Ihr Anwalt; für diese Zuarbeit sind Sie verantwortlich.

Gelegentlich können Sie in folgendem Dilemma sein: Ihre Gegenargumente sind zwar überzeugend, nur das Gericht, das für den gegnerischen Verfügungsantrag zuständig ist (manchmal können sogar mehrere Gerichte, oder - bei Internet-Werbung - theoretisch sogar alle zuständig sein), kennt Ihren Standpunkt nicht. In dieser Situation muss Ihr Anwalt klären, bei welchen Gerichten man vorsorglich eine sogenannte "Schutzschrift" einreichen sollte. In einem solchen Schriftsatz wird das Gericht gebeten, Ihre dort vorgetragenen Argumente sorgfältig abzuwägen, bevor es über den Erlass einer einstweiligen Verfügung entscheidet. Oft hat ein solcher Schritt schon weitergeholfen: Wenigstens insoweit als das Gericht kurzfristig einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumte, bei dem beide Parteien dann ihre Standpunkte ausreichend zu Gehör bringen konnten.

Unterlassungserklärung und Vertragstrafe

Manchmal muss Ihnen jedoch Ihr Anwalt abschließend sagen, dass Ihr Konkurrent leider - ganz oder teilweise - Recht hat oder jedenfalls Recht bekommen wird, wenn Ihre Gegenbeweise nicht ausreichen. Dies kann in unserem Hyperlink-Beispiel, bei dem Sie sich auf fremde Aussagen verlassen haben, schnell der Fall sein. Doch damit ist noch nicht "aller Tage Abend": Der Gegenanwalt kann nämlich in seiner vorgefertigten Unterlassungserklärung zu viel verlangt haben. Hier muss Ihr Anwalt dafür Sorge tragen, dass Sie in Ihrer eigenen Erklärung weder zu viel noch zu wenig, sondern genau "das Richtige" versprechen.

Oft schmerzt ein solches Versprechen selbst nicht so sehr wie die Vertragsstrafe, zu deren Zahlung Sie sich im Falle von Wiederholungen verpflichten müssen (sogenannte "strafbewehrte Unterlassungserklärung"). Dies folgt aus den Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung: Wer einmal "gesündigt" hat, von dem wird vermutet, dass er es wieder tut, und nur dann davor zurückschreckt, wenn dies spürbare Konsequenzen hat. Ihr Anwalt muss nicht zuletzt einschätzen, welche Höhe einer Vertragsstrafe ausreicht und welche die Gegenseite als unzureichend zurückweisen wird, um Sie letztlich doch der Gefahr einer gerichtlichen Verfolgung auszusetzen.

Besonders verzwickt wird Ihre Situation, wenn Sie gleich mehrere Abmahnungen bekommen haben: zum Beispiel von mehreren Konkurrenten und einem - seriösen (dies muss Ihr Anwalt ebenso beurteilen) - Abmahnverein. Auch hier wäre es falsch, lediglich auf das erste Schreiben zu reagieren und die restlichen in den Papierkorb zu befördern. Ihr Anwalt muss Sie dann verbindlich beraten, welchem Gegner sie eine Unterlassungserklärung abgeben sollten. Die anderen Kontrahenten müssen sich diese nur dann entgegenhalten lassen, wenn von dem "bevorzugten" Gegner ernsthaft zu erwarten ist, dass er bei Verstößen die Vertragsstrafe auch tatsächlich einfordern wird. "Gefälligkeits-Abmahnungen" des befreundeten Fachkollegen führen also meist nicht weiter.

Vorbeugen ist besser als Heilen

Werbung ist kreativ und soll es auch bleiben. Wenn Sie jedoch bereits einmal deswegen abgemahnt worden sind, eine Unterlassungserklärung abgegeben oder gar ein gerichtliches Verbot erhalten haben, sollten Sie besonders auf der Hut sein. Vor allem sollten Sie aufpassen, dass Sie nicht wieder in die gleiche Falle tappen und dann Ihr Werbebudget für Vertragsstrafen oder gerichtliche Ordnungsgelder verwenden müssen. Lassen Sie also spätestens dann Ihre Werbung vor der Schaltung regelmäßig vom Fachmann überprüfen. Gerade hier gilt: Vorbeugen ist besser als (nicht immer erfolgreiches) Heilen.

*Hans-Ulrich Buckenberger ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Dr. von Hartmann + Partner in Hannover.

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