"Big Bang" bei HP: eine Verjüngungskur für den Consumer-Bereich

04.07.2002
Hewlett-Packard verpasst seinem profitabelsten Bereich ein neues Image: Mehr als 50 neue Produkte bringt der Hersteller in den kommenden Monaten auf den Markt, darunter Drucker, Digitalkameras, Multifunktionsgeräte und Scanner. Sie sollen schöner, schneller und billiger sein - und dem Marktführer ein größeres Stück vom Kuchen im Consumer-Segment sichern.

Die Konkurrenz und einige Auserwählte wussten es bereits auf der Cebit: Hewlett-Packard plant eine ganz große Sache, eine die den Markt erschüttern und den Wettbewerb erzittern lassen wird, so wurde gemunkelt, - eben einen "Big Bang", wie die Aktion auch bei HP selbst getauft wurde. Ein großer Knaller ist die Neuigkeit durchaus, es handelt sich schließlich um eine Art Verjüngungskur der HP-Consumer-Linie: HP hat 50 Geräte für den Foto- und Druckbereich angekündigt, die ersten werden ab Juli in den Regalen stehen.

Dass Branche und Medien den Ausdruck "Big Bang" aufgeschnappt haben und kräftig kommunizieren, sieht man bei HP allerdings nicht besonders gern. Denn die Produkte werden auch nicht auf einen Schlag, sondern nach und nach in den Markt gedrückt; die letzten Vorstellungen sind erst gegen Ende des Jahres geplant. Die Zurückhaltung ist verständlich: Sollten die Kunden jetzt schon alle Details mitbekommen, bleiben Hersteller und Handelspartner womöglich auf alten Modellen und Lagerbeständen sitzen.

Denn die Neuen sollen laut Eigenwerbung qualitativ besser, optisch schöner sein und auch im Verbrauch billiger ausfallen. Außer den bereits angekündigten Dru-ckern will der Marktführer auch neue Scanner, All-in-one-Geräte und Digitalkameras anbieten. Statt in einheitsgrau werden die Geräte in metallicblau-silber verkleidet daherkommen und damit auch optisch das neue Image des Konzerns untermauern. Nachfolgemodelle sind hierbei in der Minderheit, bei 34 Produkten handelt es sich um Neuentwicklungen, wie die deutsche HP-Niederlassung verkündet.

"Qualität und Quantität" zeichne die Aktion aus, so ein Sprecher. Die Qualität - zumindest was den Fotodruck anbetrifft - soll die hauseigene Technik "Photoret IV" liefern. Die aktuelle Version bietet laut HP mit bis zu 1,2 Millionen direkt druckbaren Farben die bislang umfangreichste Color-Palette - bei gleichzeitig höherer Ausgabegeschwindigkeit (z.B. 17 Seiten pro Minute). Auch Belichtungs- und Farbfehler sollen automatisch korrigiert werden. Die Technologie, so heißt es weiter, wurde diesmal nicht nur in den Druckern, sondern auch in All-in-One-Geräte integriert.

Doch es ist vor allem die neue Druckerfamilie, die den Digitaldruck zu einem Massengeschäft machen und die Gewinne des Unternehmens ankurbeln soll. Die Geräte sind deutlich kompakter als ihre Vorgänger, was auf die neuen Tintenpatronen zurückzuführen ist: Die sind bei gleichem Fassungsvermögen kleiner und leichter und ermöglichen somit auch die Konstruktion kleinerer und schnellerer Drucker. Die Tinte, so versichert ein Produktmanager von HP, sei wischfest und mehr als 65 Jahre lichtecht. In diesem Zusammenhang erklärte HP-Executive Vice President Vyomesh Joshi gegenüber dem Sender CNBC, dass auch die neuen Patronen deutlich weniger kosten würden als die alten: "Dies wird den Umsatz um zehn Prozent steigen lassen." Zudem rechne er damit, dass die Gewinnmarge auf 11 bis 13 von derzeit 10 bis 12 Prozent steige. Ob dies allerdings auch für den deutschen Markt gilt, bleibt abzuwarten: Schließlich generiert HP hier einen Großteil seiner Gewinne aus dem Zubehör.

Nach der Einführung der neuen Drucker will HP in wenigen Wochen ein verbessertes Multifunktionsgerät vorstellen, das ebenfalls durch geringe Gehäuseabmessungen auffällt. Zu den weiteren Highlights der Produkt-Range zählt der Hersteller auch einen neuen Scanner, der Farbfotos selber einzieht und digitalisiert: "So etwas hat es auf dem Markt noch nicht gegeben", heißt es aus der deutschen Niederlassung. Der Scanner soll pro Minute bis zu sechs Fotos verarbeiten können und wird in den nächsten Tagen auf den Markt kommen. Etwa zeitgleich werden außerdem drei neue Digitalkameras vorgestellt.

Geplant wurde der Big Bang von langer Hand: Angeblich hat HP in den vergangenen drei Jahren daran gearbeitet und mehr als 1,2 Milliarden Dollar in das Vorhaben investiert. 900 Millionen Dollar sollen allein auf Herstellung, 125 Millionen auf Forschung und Entwicklung und weitere 200 Millionen auf Marketing und Design-Initiativen entfallen sein. Dass die Verjüngungskur ausgerechnet im Imaging & Printing-Bereich von HP stattfindet, ist kein Zufall: Drucker, Scanner und Digitalkameras schwemmen jährlich schätzungsweise 20 Milliarden Dollar in die Kassen des Konzerns. Der Bereich gilt als einer der wenigen, die im Konzern noch profitabel sind. Denn andere Standbeine wie beispielsweise PCs und Server verbuchen nach wie vor nur rote Zahlen.

www.hewlett-packard.de

ComputerPartner-Meinung:

Grundsätzlich steht die Offensive unter guten Vorzeichen: HP dominiert den Markt ohnehin, ist bei Kunden beliebt und bekannt, die neue Optik dürfte die Attraktivität der Produkte erheblich steigern - was den Fachhandelspartnern ebenso zugute kommt wie die angeblich höhere Marge. Es werden zwar nicht nur Consumer-, sondern auch neue kommerzielle Produkte angeboten, dennoch kommt die Offensive relativ spät: Gerade in den unteren Segmenten haben Wettbewerber wie Canon und Lexmark bei den Kunden einiges gutgemacht. Dass sie aber einer Masse von 50 Produkten schnell etwas entgegensetzen können, ist doch eher unwahrscheinlich. (mf)

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