Bosse: "In Deutschland haben wir die Talsohle durchschritten"

11.11.1999
MÜNCHEN: Die PC-Marke "Packard Bell" wird in den USA eingestampft. Europa und Deutschland sind von der rigiden Restrukturierung nicht betroffen. Hier scheint sich der PC-Hersteller 1999 im grünen Bereich zu befinden.

Nach immensen Verlusten in den USA zieht Mehrheitseigner NEC jetzt die Notbremse: Die Traditionsmarke "Packard Bell", 1995 immerhin noch auf Platz eins im nordamerikanischen PC-Geschäft, wird dort vom Markt verschwinden. Die Japaner ziehen damit die Konsequenzen aus zwei verlustreichen Geschäftsjahren: 1998 machte Packard Bell NEC in den USA ein Minus von 650 Millionen Dollar. Im laufenden Geschäftsjahr sollte das Defizit auf 100 Millionen Dollar reduziert werden. Nach Schätzungen von Marktkennern dürfte es aber 1999 bei 150 Millionen liegen.

Das Fazit aus den roten Bilanzen: Die Gesellschafter, zu 88 Prozent die NEC Corp. und zu 12 Prozent die französische Gruppe Bull, werden die PC-Fertigung einstampfen und 2.000 Mitarbeiter entlassen. Im einzelnen heißt das: Die Produktion im kalifornischen Sacramento wird eingestellt; rund 1.600 Arbeitsplätze werden damit gestrichen. Ebenfalls wird über den Verkauf des Call-Centers in Magna, Utah, verhandelt, wo 600 Mitarbeiter beschäftigt sind. Von dem Radikalschlag ist auch das komplette Management betroffen, einschließlich CEO Alan Couder.

Für den Absturz des ehemaligen PC-Giganten in Nordamerika sehen Insider zwei Hauptgründe. Erstens der aggressive Preisverfall an der amerikanischen Retailfront: Während vor drei Jahren der PC-Durchschnittpreis für den Endverbraucher noch bei 1.200 Dollar lag, bewegt er sich heute zwischen 500 und 600 Dollar - bei gleichbleibenden Produktionskosten. Zweitens konnten andere Anbieter wie IBM und Compaq diesen Preisverfall durch ihr Engagement im Business-to-Business-Segment kompensieren. Packard Bell NEC dagegen war ausschließlich auf den preisaggressiven Retailmarkt fokussiert.

IM EUROPAGESCHÄFT AUF DER SICHEREN SEITE

Bereits im Februar 1999 hatte das Management Vorsorge getroffen, daß nicht auch noch das Europageschäft den Bach runtergeht. Weltweit hatte der Konzern eine Umstrukturierung vorgenommen und Packard Bell USA, Europa und den asiatischen Bereich rechtlich und finanziell getrennt - als eigenständige Unternehmen aufgestellt.

Daß man damit die richtige Entscheidung getroffen hat, zeigt sich jetzt: Nach Angaben von Dataquest steht Packard Bell im dritten Quartal 1999 mit 211.475 verkauften PCs an der Spitze des westeuropäischen Home-Markets. Insgesamt brachten die Anbieter 785.108 Geräte an den Mann. Auf dem zweiten Platz liegt Compaq (203.892 verkaufte Einheiten), auf dem dritten Fujitsu (187.954). Während man sich in den USA in Zukunft wohl auf Lizenzproduktion verlassen muß, werden die Produktionsstätten für den europäischen Markt in Frankreich, Schottland, Israel und Malaysia bestehen bleiben.

Auch Detlef Bosse, Deutschland-Geschäftsführer von Packard Bell NEC in Kassel, fühlt sich auf der sicheren Seite: "In Deutschland haben wir die Talsohle durchschritten - wir stehen wesentlich besser da als noch vor einem Jahr. Derzeit setzen wir hier zwischen 10.000 und 12.000 PCs monatlich ab." 1998 verkaufte Packard Bell über die traditionellen Kanäle wie Schaulandt und Kingfischer gerade mal 45.000 Rechner (siehe ComputerPartner 7/99, Seite 8). Als kurzfristiges Ziel für dieses Jahr formuliert Bosse: "In der nächsten Dataquest-Auswertung für das vier-te Quartal wollen wir unter den Top Zehn der PC-Anbieter auftauchen." (ch)

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