Chip-Aktien haben erste Phase der Erholung schon wieder hinter sich

31.01.2002
In 2001 waren die Chip-Umsätze im Schnitt um 33 Prozent zurückgegangen, doppelt so stark wie im bisher schlechtesten Halbleiterjahr 1985. Den Experten zufolge zieht das Geschäft im Laufe dieses Jahres an. Die Aktien sind schon weit vorausgeeilt.

Mit ihren starken Anstiegen seit September 2001 haben die Aktien ein Gutteil der erwarteten günstigeren Entwicklung bereits vorweggenommen. Die meisten Analysten sehen kurzfristig keine großen Kurschancen mehr und stufen die Papiere lediglich mit "Halten" ein. Die "Phase Eins" der Erholung sei nun in den Kursen enthalten, heißt es zum Beispiel für AMD, Intel, Infineon, Micron Technology, Motorola, NEC, Samsung Electronics, ST Microelectronics, Texas Instruments und Toshiba.

Ein durchgreifender Aufschwung dürfte erst ab 2003 mit plus 29 Prozent und in 2004 mit voraussichtlich plus 23 Prozent möglich sein. Dann hätte das Geschäftsvolumen in etwa wieder den Stand des Rekordjahres 2000 erreicht. Aber die Prognosen sind zurzeit allesamt ziemlich wacklig.

Auch die ansprechenden Quartalsaussichten von Intel und AMD, die für ordentliche PC-Verkäufe sprechen, sollte man nicht überbewerten. Die Nachfrage nach Intel-Mikroprozessoren war zwar besser als erwartet, aber nur "im Rahmen der normalen saisonalen Bandbreiten". AMD plant die Rückkehr in die Gewinnzone für das zweite Quartal 2002. Die Aktien haben seit ihren Tiefständen vom September - wie viele andere Chippapiere - zeitweise um mehr als 100 Prozent zugelegt.

Überkapazitäten ziehen Reorganisationen nach sich

Die Branche hat Überkapazitäten. So wird derzeit viel über Werksschließungen und Übernahmen spekuliert. Infineon verhandelte ergebnislos mit dem japanischen Konzern Toshiba, der sein defizitäres Halbleitergeschäft gerne ausgliedern oder wenigstens neu ordnen möchte und in Micron Technology einen Partner fand. Das Gleiche hat NEC vor.

Mehrere Anbieter könnten vom Markt verschwinden. Im Gespräch ist auch der hochverschuldete südkoreanische Hersteller Hynix Semi, weltweit die Nummer drei bei Memory-Chips, der ebenfalls mit Micron verhandelt. Doch vorläufig bleibt alles beim Alten, bis Ende des Jahres hat kein größerer Chipproduzent die Segel gestrichen. Die Konsolidierung der Branche mit Vorteilen für die Verbleibenden dürfte jedoch weiter fortschreiten.

Insgesamt scheint die Stimmung stabiler zu werden. Gartner Dataquest rechnet dank neuer Technologien etwa in den Märkten Digital Video und Smart Cards mit Wachstumschancen. Auch der Start der neuen Handygeneration könnte die Chipumsätze beflügeln. Siemens kalkuliert insgesamt mit Verkäufen zwischen 420 und 450 Millionen Stück, während es 2001 nur 380 bis 400 Millionen gewesen sein dürften. Vor allem in China soll das Mobilfunkgeschäft mit rund 150 Millionen Vertragsabschlüssen pro Jahr weiter stark zunehmen.

Die Einführung neuer Telefonmodelle und von Microsofts Windows XP sollte besonders die Sparte Memory-Chips beflügeln. Die Nagelprobe kommt im Laufe des ersten Quartals, wenn man sieht, ob die Konjunktur anspringt, und die Chipunternehmen ihre aktuellen Perspektiven melden.

Chippapiere reagieren traditionell besonders früh und heftig auf Veränderungen im Konjunktur- und Produktumfeld. Beispielsweise hatte der größte US-Fabrikant von Memory-Chips Micron Technology für das am 31. August zu Ende gegangene Fiskaljahr 2001 über einen Verlust in Höhe von 521 Millionen Dollar berichtet. Im Jahr davor war noch ein Gewinn von 1,55 Milliarden Dollar erzielt worden. So fiel die Aktie seit Mitte 2000 von 95 auf 24 Dollar, Anfang Januar notierte sie dann wieder bei knapp 40 Dollar.

Infineon, viertgrößter DRAM-Produzent mit zehn Prozent Marktanteil, produzierte voriges Jahr einen Nettoverlust von 371 Millionen Euro. Nach der Neuemission im ersten Quartal 2000 war das deutsche Chippapier bis 95 Euro hinaufgeschossen. Die lange Talfahrt führte dann bis elf Euro hinunter. Jetzt ist der Kurs wieder bei 24 Euro angelangt, dem Niveau vor den Terroranschlägen. Analysten glauben, dass dieses Jahr noch Kurse von 36 Euro drin sind.

Mit den größeren Wafern wollen die Deutschen bis zu 30 Prozent der Produktionskosten von Mikrochips sparen. Wenn die Branchenkrise überwunden ist, wird Infineon damit einen gewaltigen Produktionssprung machen.

Die Preise für Dynamic Random-Access Memory (DRAMs), die für die Speicherung von Daten auf PCs benutzt werden, waren in 2001 um mehr als 80 Prozent gesunken. In der Sparte Flash-Memory-Chips, die im digitalen Foto- und Musikgeschäft Verwendung finden, gingen sie um 50 Prozent zurück, ebenso bei den Static-Random-Ac-cess-Memory-Chips (SRAMs), die in Telefonen, Netzwerken und Computern zum Einsatz kommen. Der Researchdienst IC Insight glaubt, dass die Branchenführer Micron und Samsung Marktanteile hinzuerobern werden.

Im Flash-Memory-Markt, der von Intel dominiert wird, dürfte ST Microsystems dazugewinnen. Die Firma ist in vielen Bereichen gut positioniert (Mobilfunk, ADSL, DVD, Flash Memory) und wächst seit mehr als zehn Jahren schneller als der Branchendurchschnitt. Die Sparte SRAMS leidet unter den klammen Finanzen der Telecoms, die in den vergangenen Jahren die größten Abnehmer waren. Ihre Ausgaben werden nach jetzigem Kenntnisstand auch 2002 relativ niedrig sein. Langfristig hat das Segment aber durchaus Potenzial.

Memory-Chips machen rund 20 Prozent des Halbleiter-Gesamtmarktes aus, der sich in 2001 auf 134 Milliarden Dollar belaufen haben dürfte. Laut IC Insight hat der DRAMs-Markt, der den größten Anteil am Memory-Markt hält, vergangenes Jahr nur elf Milliarden Volumen Dollar - 67 Prozent we-niger als im Vorjahr. So hat es die Memory-Chipproduzenten am schlimmsten erwischt. Ein Gigabit DRAM kostete Anfang des Jahres 2001 rund 20 Dollar und im November nur mehr 1,50 Dollar, was unter den Herstellungskosten lag. Inzwischen haben sich die Preise in mehreren Etappen um mehr als 30 Prozent erholt, aber gut ist die Situation noch lange nicht. So neigen die Aktienkurse noch einige Zeit zu abrupten Richtungsänderungen. Doch per saldo ist aus Sicht von Experten die Wende eingetreten. (kk)

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