Cobol-Anwendung auf Windows-Plattform portiert

09.01.2003
Dass man auch als kleiner, aber feiner Dienstleister große Projekte bei Banken stemmen kann, beweist die Schweizer Pandata AG.

Im Jahr 1980 gründete Kurt Meier die Pandata AG. Organisch gewachsen, befindet sich das Unternehmen immer noch fest in Familienhand. Marcel Meier unterstützt seinen Vater im Verwaltungsrat, Bruder Peter hält die restlichen Anteile. Erst seit vergangenem Jahr "leistet" sich Pandata einen angestellten Geschäftsführer: Beni Kaspar verantwortet die Bereiche Marketing, Verkauf und Personal.

Von Anfang an konzentrierte sich der IT-Dienstleister auf Kunden aus dem lukrativen Bankensektor. In Dietikon, zehn Kilometer westlich von Zürich beheimatet, liegt die Pandata AG auch in unmittelbarer Nähe zum schweizerischen Finanzmekka. Das bedeutendste Projekt in dieser Branche führte das Familienunternehmen aber bei der St. Galler Kantonalbank durch.

Dort tauchte vor etwa zehn Jahren die Frage auf, wie man den kostspieligen Betrieb von Host-Hard- und -Software reduzieren oder gar ganz herunterfahren könnte. Die Anwendungen sollten in einer reinen Windows-basierenden Client-Server-Umgebung fest verankert werden.

Gleichzeitig begann man in St. Gallen darüber nachzudenken, ob man die für eine Migration nach Windows nicht geeigneten Applikationen nicht gleich ganz auslagern sollte. Mitte der 90er-Jahre entschlossen sich daher acht Schweizer Kantonalbanken, unter anderem die von St. Gallen, Luzern und Fribourg, fast ihre gesamte IT-Infrastruktur auszugliedern und in einem eigenen Unternehmen zusammenzufassen. Nur auf diese Weise war ein kostendeckender Betrieb von IBMMainframes vertretbar. Mittlerweile betreut die Swisscom IT Services, eine Tochter des Schweizer Telekommunikationskonzerns, die IT dieser Banken.

Allerdings ließen sich nicht alle Host-Anwendungen auslagern. Einige Spezialapplikationen verblieben bei den Finanzinstituten. So musste beispielsweise die St. Galler Kantonalbank die Lösung zur Abwicklung von Berlin-Darlehen weiterhin selbst pflegen. Es ging dabei um deutsche Kunden, die Steuern sparen wollten und deshalb zu mäßigen Konditionen Geld in der Schweiz anlegten.

Das bundesdeutsche Finanzministerium förderte das Ganze, brachte aber mit der Quellensteuer weitere Komplikationen mit ein. Hinzu kamen noch die unterschiedlichen Währungen: Schweizer Franken und Deutsche Mark. Das Ganze ließ sich jedenfalls nicht so ohne weiteres auf dem ausgelagerten Mainframe abbilden, und somit verblieb die entsprechende Cobol-Anwendung auf einem speziellen NCR-Host-Rechner in einer Abteilung der St. Galler Kantonalbank.

Cobol nicht mehr gefragt

Spätestens 1995 war jedoch abzusehen, dass auch diese Lösung nicht der Weisheit letzter Schluss war. Sie funktionierte zwar tadellos, aber die Wartung der Anlage gestaltete sich zunehmend schwieriger. "Das System war einfach nicht mehr zeitgemäß und hätte eigentlich ersetzt werden müssen", erinnert sich Max Kiener, Leiter Abteilung Gewerbekunden bei der St. Galler Kantonalbank. "Vor allem die damals anstehende Umstellung auf den Euro war nicht mehr mit vertretbarem Aufwand umzusetzen."

So bat die Bank ihren langjährigen Dienstleister, die Pandata AG, mögliche Alternativen zu Cobol auf dem Host aufzuzeigen. Nach dreimonatigen Verhandlungen entschieden sich die Partner schließlich, mithilfe der Software "Net Express" von Micro Focus die Mig-ration der Cobol-Anwendung vom NCR-Rechner auf eine NT-Maschine durchzuführen. Net Express gaukelt nun der Berlin-Darlehen-Software vor, sie befinde sich immer noch auf einem Host, obwohl sie längst auf einem Windows-Server ihr Werk verrichtet.

"Am Programm selbst mussten wir nur minimale Änderungen vornehmen", erinnert sich Kurt Meier, Verwaltungsratspräsident der Pandata AG. Innerhalb von acht Monaten portierte der Dienstleister die Anwendung in seinem eigenen Rechenzentrum. Mit dieser Arbeit waren durchgehend drei bis vier Entwickler beschäftigt.

Zusammen mit der Windows-fähigen Cobol-Anwendung erwarb die St. Galler Kantonalbank auch noch zusätzliche Hardware. Außerdem waren noch Anschaffungen im Bereich Netzwerk-Infrastruktur nö-tig. Dafür waren insgesamt etwa 100.000 Schweizer Franken aus-gegeben worden. Hinzu kam der Kauf einer Oracle-Datenbank, auf der nun die Kundendaten aus dem Berlin-Darlehen-Geschäft vorgehalten werden.

Die Lizenzkosten für die neue Cobol-Anwendung selbst und für die dafür notwendig gewordenen Windows-Versionen, für die Oracle-Datenbank und nicht zuletzt für die Migrationslösung von Micro Focus betrugen insgesamt 400.000 Franken. Hinzu fielen in dem zehnjährigen Projektzeitrahmen Dienstleistungen von Pandata in Höhe von 100.000 Franken an.

Euro-Umstellung vollendet

Die Implementierung der Windows-basierenden Cobol-Anwendung für Berlin-Darlehen in der St. Galler Kantonalbank ging nach den Vorarbeiten von Pandata relativ schnell vonstatten: Das Ganze nahm gerade mal drei Monate in Anspruch. Ende 1999 ging das System in den Produktivbetrieb über. Am 1. Juni 2002 war auch endlich die Umstellung auf den Euro erfolgreich abgeschlossen.

Mit der neuen Lösung scheint die St. Galler Kantonalbank größtenteils zufrieden zu sein: "Beim Wechsel vom File-System auf eine relationale Datenbank hatten wir ursprünglich Einbußen befürchtet", so Max Kiener, aber mittlerweile ist der Bankangestellte mit den Antwortzeiten sehr zufrieden.

Denn anfängliche Probleme mit der Anbindung der Datenbank an die Cobol-Anwendung gab es schon: "Aber das lag weniger an Oracle oder Micro Focus, sondern mehr an Microsoft", so Meier von Pandata. So tauchten Schwierigkeiten bei der ODBC-Anbindung (Open Database Connectivity) der Datenbank unter Windows auf. Mittlerweile sind diese "Kinderkrankheiten" aber überstanden, und das Zusammenspiel von Net Express mit der Datenbank funktioniert ohne größere Reibungsverluste.

Eigentlich war Net Express alsreine Entwicklungsumgebung für Cobol unter Windows vorgesehen, doch mittlerweile lässt sich das Werkzeug von Micro Focus auch als Applikationsserver nutzen. "Für klar begrenzte Aufgaben eines Host ist dies die ideale Lösung", zieht Meier ein erstes Resümee aus dem Bankenprojekt.

Was Verfügbarkeit, Stabilität, Skalierbarkeit und Leistungsfähigkeit betrifft, kann ein derartiges Windows-basierendes System natürlich nicht mit einem Host konkurrieren, doch für eine einzige Anwendung, wie dies bei der St. Galler Kantonalbank der Fall ist, stellt Net Express eine preiswerte Alternative zum Mainframe dar. Immerhin spart sich die St. Galler Kantonalbank mit dem Verzicht auf den Host 30.000 Franken jährlich an reinen Unterhaltskosten.

Hinzu kommt der Vorteil, dass die bankeigenen IT-Mitarbeiter das Ganze nun selbstständig administrieren können, ohne auf teure Spezialisten zurückgreifen zu müssen. Für Pandata bleibt dennoch einiges übrig: Der Dienstleister hat mit dem Kunden einen Wartungsvertrag für die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen. Der Dienstleister hat auch Mitarbeiter der Kantonalbank im Umgang mit der Cobol-Anwendung unter Windows geschult. Gleichzeitig haben Pandata-Fachleute ihr Know-how in Sachen Cobol-Migration erweitert und die Beziehung zum bestehenden Kunden vertieft. Ähnliche und weitergehende Projekte sind in Aussicht.

Allerdings werden künftige Kunden nicht mehr hauptsächlich aus dem Finanzdienstleistungsumfeld stammen, denn die Bankenkrise ging auch an der Schweiz nicht spurlos vorüber. So steht Pandata unmittelbar vor dem Abschluss eines Vertrages mit einem Medizintechnik-Ausstatter. Eine Abkehr von der starken Fokussierung auf Banking hin zu einer Branchenausweitung ist für den Dienstleister notwendig geworden, da Pandata im vergangenen Jahr lediglich etwa sechs bis sieben Millionen Franken umsetzen konnte - gegenüber neun Millionen in 2001.

www.cobolportal.com

www.microfocus.com

www.pandata.ch

www.sgkb.ch

ComputerPartner-Meinung:

Cobol ist noch lange nicht tot, das beweist das obige Projekt. Etwa 70 Prozent aller derzeit aktiven Legacy-Anwendungen sollen in dieser Programmiersprache erstellt worden sein. Auch wenn diese Schätzung ein wenig zu hoch gegriffen sein mag: neues Geschäftspotenzial bergen diese Urgesteine von Softwareanwendungen allemal. (rw)

Solution Snapshot

Kunde: St. Galler Kantonalbank, St. Leonhardstr. 25, CH-9001 St. Gallen

www.sgkb.ch

Ansprechpartner: Max Kiener

Tel.: 0041 71 2313131; Fax: 0041 71 2313232

E-Mail: sgkb@info.sgkb.ch

Problemstellung: Internationales Kreditinformationssystem mit Fremdwährungen, Risk-Management, individueller Quellensteuer, Echtzinsberechnung, internationalem Datenaustausch lag nur auf einem NCR-Host vor.

Lösung: Hardware: Intel-basierendes Client/Server-Umfeld

Software: n-Tier-Applikation Net Express von Micro Focus, Oracle- Datenbank, Windows-Server

Technologie-Lieferant: Micro Focus GmbH, Carl-Zeiss-Ring 5, D-85737 Ismaning

www.microfocus.com

Ansprechpartner: Eugen Wendlik, Channel-Manager

Tel.: 089 42094-351; Fax: 089 42094-444

E-Mail: eugen.wendlik@microfocus.com

Dienstleister: Pandata AG, Lerzenstraße 27, CH-8953 Dietikon, www.pandata.ch

Ansprechpartner: Kurt Meier

Tel.: 0041 1 7438030; Fax 0041 1 7438039

E-Mail: info@pandata.ch

Kontaktaufnahme: bestehendes Kundenverhältnis

Verhandlungsdauer: drei Monate

größte Herausforderung: mehrere Leitwährungen: Euro, Deutsche Mark, Schweizer Franken

Länger in Anspruch genommen als vorausgesehen hat: Kinderkrankheiten der Entwicklungsplattform Net Express beim Zusammenspiel mit der relationalen Datenbank

unerwartete Schwierigkeiten: unerwarteter Ausfall von Projektmitarbeitern; Schwierigkeiten mit der n-Tier-Architektur der ODBC-Anwendung unter Windows

Entwicklungsdauer: acht Monate

Implementierungsdauer: drei Monate

Arbeitsaufwand des Dienstleisters: Planung, Realisierung und Schulung: 2.600 Mannstunden

Kostenumfang des Projekts: 600.000 Franken: Hardware: 100.000 Franken; Software: 400.000 Franken; Dienstleistung: 100.000 Franken

Service- und Wartungsverträge: Wartungsvertrag durch den Dienstleister; Dauer: zehn Jahre

Schulung: verkaufte Schulung: ein Mannmonat bei Vertragsabschluss

Benefit für Kunden: leicht bedienbare, flexible und kostensparende Windows-Lösung; dynamisch ausbaubar, transparent bei Mitarbeiterwechsel, sehr stabil im Betrieb

Benefit für Dienstleister: Ein wichtiger Referenzkunde konnte gehalten werden. Das Know-how für Migrationsprojekte wurde erweitert, diverse Kontakte wurden geknüpft. Zusätzliche und neue Projekte sind in der Pipeline.

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