Compaq gibt NT-Portierung auf Alpha auf

09.09.1999

ELTVILLE: An dem sonnigen Nachmittag des 31. August trafen sich zirka 60 Compaq-Partner auf einer von Magirus organisierten Veranstaltung im schönen Rheingau. Das vom Value-Added-Distributor als "Solution Day" gedachte Treffen nahm jedoch einen völlig anderen Verlauf als geplant.Joseph Blank war schon unruhig und sah das Unheil auf sich zukommen. Aufgeregt empfing der Leiter des Unternehmensbereichs Enterprise Distribution bei Compaq die ankommenden Symposium-Teilnehmer und befragte sie nach ihrer Meinung zur Einstellung der Windows-NT-Unterstützung auf der Alpha-Plattform (siehe ComputerPartner 30/99, Seite 10). Ohne eine Antwort abzuwarten, streute er sogleich Asche auf sein Haupt: "Es war wirklich ein Drama, wie unsere Strategie kommuniziert wurde."

"Es geht um bares Geld"

Tatsächlich kam es für Compaq noch knüppeldicke. "Das sind doch alles nur Kaufleute, die keine Ahnung von unserem Geschäft haben. Die haben einfach eins und eins zusammengezählt und NT für Alpha abgeschrieben. Solche Billigheimer!" ereiferte sich Peter Feser, Geschäftsführer des Mannheimer Decon Network Systemhauses über die Compaq-Führung in Houston. Werner Reuss, Produktmanager Alpha-Server, versuchte hier die Wogen zu glätten: "Es ist doch nichts Schlimmes passiert." Er erntete nur lautes Gelächter im Saal.

Denn für die Partner geht es um bares Geld. Albin Brandl, Inhaber des gleichnamigen Systemhauses im niederbayrischen Straubing, berichtete über eine Alpha-NT-Installation in einem Krankenhaus: "Die dürfen wir nun mit Intel-Maschinen ausrüsten."

Kunden können nicht mehr wählen

Ein Compaq-Partner aus Sachsen klagte über die nun fehlende Wahlmöglichkeit seiner NT-Kunden: "Man hätte ihnen gleich Intel verkaufen sollen." Viele der Wiederverkäufer sehen ohnehin das Ende der Alpha-Plattform bereits herannahen. "Compaq wußte doch gar nicht, was es sich mit dem Merger da aufgeladen hatte. Es wird Digital wie eine schlechte Kröte wieder ausspucken", faßte Hans-Joachim Schulz das Ganze zusammen. Der Vertriebsleiter bei der Freiburger SEP AG hält ohnehin nicht viel vom Compaq-Service. "Nach der Lieferung eines Alpha-Servers baten wir einmal Compaq, einen Service-Ingenieur zu unserem Kunden zu schicken", berichtet Schulz. "Doch es kam einfach keiner. Erst nach unserer Rückfrage schickten die nach einer Woche den Techniker. Der hatte aber keine Ahnung. Mittlerweile bilden wir für die Alpha-Server unsere Leute selber aus", gibt der SEP-Manager gegenüber ComputerPartner zu.

Linux kocht auf kleiner Flamme

Ebenfalls auf wenig Gegenliebe stieß Compaqs Ankündigung, künftig nur das eigene Unix-Derivat Tru64 auf Alpha-Maschinen zu unterstützen. "Hiermit gibt es doch zu viele praktische Probleme, vor allem bei der Einbindung von Peripheriegeräten, da kaufe ich doch lieber gleich Sun Solaris", so ein Händler aus Süddeutschland.

Das aufkommende Universal-Unix, Linux, wollen die Compaq-Leute immerhin "im Auge behalten". "Einige von unseren Ingenieuren sind in die Entwicklung von Treibern involviert", quantifizierte Reuss das gebremste Linux-Engagement. Dafür setzt Compaq verstärkt auf Tru64. Hier peilen die Texaner einen Anteil am Unix-Markt von 18 Prozent. Ein wahrhaft ehrgeiziges Ziel, wenn man von den aktuellen Zahlen ausgeht. Da taucht das vormalige Digital-Unix nur unter "sonstige" auf und dürfte nicht mehr als auf drei Prozent aller Unix-Server laufen.

Immerhin unterstützt Compaq weiterhin Open VMS als Betriebssystem für die Alpha-Plattform. Doch dieser Markt ist relativ begrenzt und wächst kaum noch. So bleibt die Zukunft von Alpha weiterhin ungewiß, auch wenn Compaq in diese Technologie 100 Millionen Dollar zu investieren gedenkt. (rw)

Alpha-Chip ins Museum? Harald Stanzer, Mitglied der Geschäftsleitung bei Compaq, übergibt einen Alpha-Chip an Dr. Blumtritt vom Deutschen Museum.

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