Computer- und Telekommunikationsverbände gründen Dachorganisation

11.04.1999
BERLIN: Die Interessen der Zukunftsbranche sollen künftig schlagkräftiger vertreten werden. Da es die rund 20 Einzelorganisationen bisher noch nicht geschafft haben, der Bedeutung der I+K-Industrie in Deutschland gerecht zu werden, riefen vier Verbände jetzt die "Bitkom" ins Leben.

Es ist der Vormittag des 28. Oktober 1999. In der Berliner Nobelherberge Hotel Adlon treten zwölf Gründungsmitglieder an und heben mit ihrer Unterschriftenleistung eine neue Interessenvertretung der Informations- und Telekomunikationsbranche (I+K) aus der Taufe: den Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien eV, kurz "Bitkom". Im Anschluß knallten unter Anwesenheit der beiden Festredner, der Bundesforschungs- und -bildungsministerin Edelgard Bulmahn und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, die Champagnerkorken. Hinter Bitkom verbirgt sich der Zusammenschluß von vier bereits existenten Organisationen: dem Bundesverband Informations- und Kommunikations-Systeme (BVB), dem Bundesverband Informationstechnologie (BVIT), dem Fachverband Kommunikationstechnik im ZVEI und dem Fachverband Informationstechnik im VDMA. In Zahlen ausgedrückt stehen hinter der Vereinigung rund 1.000 Unternehmen mit 700.00 Beschäftigten und ein Umsatz von rund 200 Milliarden Mark. Das entspricht rund neun Zehnteln des gesamten Branchenumsatzes. Sitz des Verbandes wird Frankfurt sein, eine Außenstelle wird sich in Berlin befinden.

MITGLIEDSCHAFT IM BDI WIRD ANGESTREBT

"Die Unterschriftenleistung ist auf den ersten Blick ein denkbar uninteressanter und trockener Vorgang", so Bitkom-Präsident und Siemens-Vorstandsmitglied Volker Jung. "Aber ich verspreche, daß Bitkom den konvergierenden Branchen Informationswirtschaft und der Telekommunikation endlich eine gemeinsamen Stimme gibt, die deutlich wahrzunehmen sein wird." Dem Ziel, eine Plattform für Anbieter von Hardware, Software und Dienstleistung zu schaffen, sei man ein gutes Stück nähergekommen. "Hiermit werden wir auf der politischen Ebene in Deutschland wie international das notwendige Gewicht gewinnen, um die Interessen des zum mittlerweile zweitgrößten aufgestiegenen Industriezweiges in die Waagschale zu werfen", ist sich Jung sicher. Es sei schon verwunderlich, daß es auf Bundesebene ein Landwirtschaftsministerium gebe, man dem höheren Gewicht der I+K-Industrie aber kaum Bedeutung beimesse. "Die Gründung ist ein Meilenstein auf Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft", kommentierte denn auch der ebenfalls anwesende Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie eV (BDI), Olaf Henkel, der darauf hoffen kann, Bitkom in naher Zukunft als weiteres Mitglied im BDI gewinnen zu können.

Nun gelte es, das Verbandsleben mit Inhalten zu füllen, so Henkels Aufforderung an Jung. Und tatsächlich hat sich das Präsidium schon Gedanken darüber gemacht, welche Themen mit der Verbandsarbeit verbunden sein sollen. Diese würden von A wie Außenhandel bis Z wie Zoll reichen, erklärt Jung. Dazu will man rund 60 Arbeitskreise definieren. Ganz oben auf der Agenda stehen die Entwicklung der Informationsgesellschaft und die Förderung von Electronic Business und Electronic Commerce. Ebenfalls hohe Priorität hat die Erschließung der Beschäftigungspotentiale der Branche. Derzeit sind in Deutschland rund 75.000 offene Stellen in der I+K-Industrie zu beklagen.

OFFEN FÜR WEITERE VERBÄNDE

Bitkom-Vorsteher Jung hofft nun auch darauf, daß der Bitkom noch weitere Verbände aus dem I+K-Umfeld beitreten. Ein gutes Dutzend weiterer Interessenvertretungen ist derzeit hierzulande noch aktiv. Erst im Sommer diesen Jahres haben sich vier Softwareverbände zum Spitzenverband der Deutschen Softwareindustrie (SVDS) zusammengerauft. "Daß im Softwaresektor separate Wege eingeschlagen werden, halte ich für weniger glücklich", findet denn auch BVB-Chef Willi Berchtold. Trotzdem: "Wir sind für alle offen, und es gibt bereits erste Gespräche. Unsere Ziel ist es, alle für uns zu gewinnen", spricht Jung eine Einladung zum Dialog aus. Zudem gehe es in kaum einem der anderen Verbände demokratischer zu als in der Bitkom. So habe jedes Mitglied - egal ob Zwei-Mann-Firma, mittelständisches Unternehmen oder Großkonzern - genau eine Stimme, erläutert Jung, was er angesichts der Tatsache, daß zehn Mitglieder hinter 50 Prozent der an Umsatz und Unternehmensgröße gekoppelten Beiträge an den Verband stehen, für einmalig halte. "Das zeigt, wie ernst wir das Thema Mittelstand nehmen." Doch erst zu Beginn des Jahres 2001 will sich der Verband für direkte Firmenmitgliedschaften öffnen. Vorher will man die Anstrengungen darauf ausrichten, die Arbeitskreise ihre Tätigkeit aufnehmen zu lassen und das gemeinsame Auftreten gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit zu synchronisieren. Das ist keine leichte Aufgabe, und Reibereien dürften vorprogrammiert sein. "Klar, daß es da auch ’menscheln’ wird", räumt Jung bereits im Vorfeld der Festlegung auf die künftige, gemeinsame Marschrichtung gegenüber <B>ComputerPartner</B> ein. (cm)

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