CRM - die strategische Kundenbeziehung als Erfolgsrezept

22.06.2000
Customer-Relationship-Management, kurz CRM, ist Millionen wert - zu diesem Ergebnis kommen die Unternehmensberater von Andersen Consulting. Wer das Kundenbeziehungsmanagement erfolgreich beherrscht, verdient deutlich mehr.

Ihr Konkurrent hat das gleiche Angebot auf Lager, genau so viele Mitarbeiter wie Sie und fährt einen Porsche, während Sie sich mit einem alten Japaner begnügen müssen? Wir verraten Ihnen das Geheimnis seines Erfolges: Er beherrscht wahrscheinlich das Customer-Relationship-Management, kurz CRM.

Zwischen 28 und 64 Prozent mehr Gewinn machen Unternehmen, für die das Kundenbeziehungsmanagement kein Fremdwort ist. Sagen jedenfalls die Unternehmensberater von Andersen Consulting. In ihrer aktuellsten Studie gingen sie dem reellen Wert des CRM nach. "Was es genau kostet, einen Neukunden zu gewinnen, lässt sich relativ einfach ermitteln", erklärt der verantwortliche AndersenGeschäftsführer Rainer Teschner. "Viel schwieriger dagegen ist der Nachweis, wie viel Geld der Fortbestand einer Kundenbeziehung einbringt."

Der Studie zu Folge ist es eine ganze Menge. So kann beispielsweise ein Unternehmen, das jährlich eine Milliarde Dollar Umsatz macht, mit einer kleinen Verbesserung schon richtig Kasse machen: Steigt die CRM-Kompetenz in allen Bereichen um zehn Prozent, fallen durchschnittlich 40 bis 50 Millionen Dollar mehr Gewinn an. Ein vergleichbares Unternehmen, dass die CRM-Aktivitäten professioneller betreibt, kann es sogar auf ein Plus von 120 bis 140 Millionen Dollar bringen. Zwar haben wohl die wenigsten IT-Händler eine Milliarde Umsatz im Jahr, aber die Kundenbeziehung optimaler zu gestalten lohnt sich allemal. "Es ist fünfmal kostspieliger, einen neuen Kunden zu gewinnen, als vorhandene Kunden zu halten", so Teschner.

Werbung ist nicht alles - Flexibilität ist mehr

CRM umfasst allerdings viel mehr als die gemeinhin angenommenen traditionellen Tools wie etwa Werbung. Dazu gehören auch Faktoren wie etwa die Flexibilität, mit der das Unternehmen auf Kundenwünsche reagieren kann.

Andersen Consulting hat 500 Executives aus rund 250 Unternehmen zu den entsprechenden Kompetenzen befragt und mehr als 50 verschiedene CRM-Fähigkeiten in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Service untersucht. Die Befragten kamen primär aus Nordamerika und sind in den Bereichen Chemie, Telekommunikation, Forstwirtschaft, Elektronik & Hightech, Handel und Pharma tätig. "Wir haben 21 Fähigkeiten herausdestilliert, die einen starken Einfluss auf die finanzielle Performance der Unternehmen haben." Basis waren insgesamt 429 Fragen aus den Feldern Strategie, Prozesse, Technologie und Human Performance. Sie bezogen sich auf die drei Bereiche Marketing, Vertrieb und Service.Die unterschiedlich hohen Gewinnspannen der Unternehmen können demnach zu etwa 50 Prozent durch CRM-Aktivitäten erklärt werden. Im Einzelhandel beträgt die Abweichung zu Unternehmen, die CRM gar nicht oder nur halbherzig betreiben durchschnittlich, 28 Prozent, in der Telekommunikation sind es bereits 50 Prozent, in der chemischen Industrie 52 und im Bereich Elektronik und Hightech sogar bis zu 64 Prozent.

Das wohl interessanteste Ergebnis: Kundenzufriedenheit erreicht man am besten über Mitarbeitermotivation. So hat Andersen ausgemacht, dass drei der fünf stärksten "Rendite-Bringer" direkt mit den Mitarbeitern zusammenhängen. Wenn man bei dem beispielhaften Unternehmen mit einer Milliarde Umsatz bleibt, bringen Motivation und Incentives für Mitarbeiter weitere 13 Millionen Dollar in die Kasse, die Transformation von kundenbezogenen Informationen in Kundenkenntnis ist zwölf Millionen wert, Recruiting und Bindung von guten Mitarbeitern an das Unternehmen zehn Millionen. Wichtige Kriterien sind zudem der Ausbau der Verkaufs- und Servicequalitäten (9,5 Millionen) und Kundenservice (13 Millionen).

Die Studie zeigt: Exzellente Unternehmen stellen einen schnellen und einfachen Zugriff zu den wichtigen Kundendaten sicher. Darüber hinaus teilen sie diese Informationen mit ihren Partnern. "Dies ist entscheidend, um für Kunden einen wirklichen Mehrwert zu schaffen", erklärt Teschner. Denn erst durch die Verknüpfung unterschiedlicher Datenbanken können scharfe Kundenprofile erstellt und Kundenbedürfnisse berücksichtigt werden.

IT-Fähigkeit ist ein Wertschöpfer

Auch technologiebezogene Fähigkeiten zählen zu den Top-Wertschöpfern in allen untersuchten Industrien. So helfen viele IT-gestützte Fähigkeiten Unternehmen dabei, mehr über ihre Kunden zu erfahren, diese Informationen in qualifizierte Kundenkenntnis zu verwandeln und auf dieser Kenntnis basierende Programme zu implementieren. Als Fazit zieht die Studie: Technologie bestimmt 40 Prozent des Einflusses von CRM.

Besonders "E-CRM" spielt in diesem Kontext eine Rolle. Andersen Consulting versteht darunter den Einsatz der elektronischen Kanäle für die Vermarktung, den Verkauf und den Kundenservice — sowohl in der Zusammenarbeit mit Partnern als auch im direkten Kundenkontakt. Obwohl E-CRM laut Andersen zur Zeit noch relativ gering entwickelt ist, zählt es zu den Top 3 der profitabelsten CRM-Fähigkeiten. Bleibt man bei der Modellrechnung, könnte E-CRM einen zusätzlichen Gewinn vor Steuern von acht Millionen Dollar schaffen.

Aber trotz des Web-Booms finden Kundenerfahrungen auch künftig über viele Kanäle statt. Teschner: "Unternehmen dürfen dieses nicht vernachlässigen — Multi-Channel ist hier ein wichtiges Stichwort."

So würden viele Unternehmen die Entwicklung der Fähigkeiten und Technologien vernachlässigen, die nötig sind, um die von den Kunden gewünschten, unterschiedlichen Interaktionskanäle wie Web, Telefon, Direct Mail, Vertriebspersonal und ähnliches anzubieten. Es fehle oft die Vernetzung aller relevanten Kanäle zur Vermittlung eines konsistenten Kundenerlebnisses.

"Ganz falsch wäre aber, wenn der Eindruck entstünde, CRM ließe sich auf die Frage reduzieren, welche Standardsoftware die richtige ist, um seine Kundendatei zu verwalten", warnt der Andersen-Manager. Vielmehr würde gerade die Untersuchung belegen, dass eine zentrale Quelle der Wertschöpfung das so genannte "Humankapital" sei, also die Menschen im Unternehmen: "Es sind die Mitarbeiter - ihre Kompetenz, Motivation und Zufriedenheit -, die in ihren One-to-One-Kontakten über die Kundenzufriedenheit und -bindung entscheiden."

Exzellente Firmen fördern Mitarbeiter

Vier Bereiche beeinflussen die Qualität eines in diesem Sinne exzellenten Unternehmens laut Andersen Consulting besonders: Organisationsstruktur und Mitarbeiterrollen,Unternehmenskultur, das Management der Talente im weitesten Sinne sowie Learning/Qualifizierung.

Interessant war auch das Ergebnis, dass Brand Management, Kundensegmentierung sowie neue Produkte und Dienstleistungen zwar auch Vorteile bringen, aber im Vergleich zu den mitarbeiterbezogenen Maßnahmen nur eine unter-geordnete Rolle spielen. Auch Werbung liegt eher im Mittelfeld, während dem klaren Produktnutzen eine Schlüsselrolle zu-gesprochen wird (siehe Grafik).Insgesamt lässt sich CRM in fünf Kern-Kompetenzbereiche unterteilen:

1. Customer Insight, also fundierte Kundenkenntnisse. Alles dreht sich um die Frage: "Wie gut kenne ich meine Kunden und ihre wirklichen Bedürfnisse?"

2. Customer Offers bezieht sich darauf, was den Kunden angeboten werden kann - und zwar so individuell auf ihre Wünsche und Bedürfnisse abgestimmt wie möglich.

3. Customer Interactions meint: "Wie geht das Unternehmen mit seinen Kunden über alle Kontaktpunkte hinweg um?"; das heißt: "Ist der Kundenservice wirklich auf allen Kanälen gleich gut?"

4. High-Performing Organization: Das ist ein Unternehmen mit den richtigen Fähigkeiten, den entsprechend motivierten Mitarbeitern und einer lebendigen Servicekultur.

5. Enterprise Integration: Darunter fällt die Kooperation mit den richtigen Partnern, und das sowohl unternehmensintern über alle Abteilungen hinweg wie auch extern.

Im Mittelpunkt dieser fünf Bereiche steht der damit geschaffene Kundennutzen: der "Customer Equity".

Fazit: Kundenbeziehungsmanagement birgt strategisch eingesetzt für Unternehmen ein großes Potential zur Gewinnsteigerung. Hier ist nach Meinung von Andersen Consulting besonders in Europa und in Deutschland noch viel zu tun. Teschner: "Die Unternehmen haben nach unserer Einschätzung einen deutlichen Nachholbedarf."

Wechseln Sie die Perspektive

Alle CRM-Maßnahmen eines Unternehmens zielen letztlich darauf ab, den Kunden besser zu bedienen. Der konsequente Perspektivenwechsel vom "Inside-out" (Unternehmens-Binnenperspektive) zum "Outside-in" (also zur Kundenperspektive) ist die Grundvoraussetzung für Unternehmen, die künftig kundengesteuert agieren wollen. "Davon profitiert der Kunde wie das Unternehmen. Der Kunde zählt, und er zahlt sich aus", meint Teschner. Trotzdem würden die meisten Unternehmen erst gar nicht den Versuch starten zu überprüfen, was ihnen CRM finanziell einbringt. Und genau in diesen Fällen werden die goldenen Regeln des Kundenmanagements letztlich nur halbherzig beachtet und umgesetzt, glaubt der Manager: "Diese Fälle schwacher Kundenbeziehungsaktivitäten kennen Sie und ich zum Teil aus leidvoller eigener Erfahrung." Denn Entscheider investieren ihre Unternehmensressourcen heute noch lieber in Bereiche, deren Erfolg sich in Zahlen darstellen lässt, wie etwa Produktentwicklung und Betrieb. "Nahezu jedes Unternehmen behauptet oder glaubt von sich, die Beziehung zu seinen Kunden optimal zu gestalten", sagt Teschner. Doch die Schere zwischen Theorie und Praxis würde weit auseinander klaffen.

Wer mehr Gewinn will, muss einen deutlichen Mehrwert für seine Kunden schaffen. Fundierte Kundenkenntnisse sind dabei ein entscheidender Treiber und ein fi-nanziell bezifferbarer Werthebel, so der Andersen-Geschäftsführer: "Über Qualität lässt sich trefflich streiten. Aber eins steht fest: Der Wurm muss dem Fisch schme-cken, nicht dem Angler." (mf)

www.andersen-consulting.de

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