Das Anforderungsprofil richtig gestalten

05.08.1998

MÜNCHEN: Bei der Aufstellung von Anforderungen an vorhandene oder zukünftige Mitarbeiter machen viele Manager ernste Fehler. Nicht nur Vielfalt und Kombination der Wissens- und Fähigkeitsvorgaben verhindern den Erfolg, oft führt auch die alleinige Konzentration auf bestimmte Fachkompetenzen in die Irre. Wie wichtig die Identifikation und die Festschreibung von "nichtfachlichen Befähigungen" - auch als soziale Kompetenzen bezeichnet - sind, zeigt der nachfolgende Beitrag von Stefan Rohr*.

Im Vorfeld jeder Neueinstellung setzen sich die Verantwortlichen meist an einen Tisch und grübeln darüber nach, welche Qualitäten die neue Kraft mitbringen soll. Jeder Beteiligte hat natürlich ein gewisses Maß an dringend erforderlichen Kriterien im Kopf, die diskutiert und in der Regel auch von den anderen Verantwortlichen akzeptiert werden.

Am Schluß dieser Sitzung freuen sich alle über eine wohlgeratene Anforderungsanalyse, die nun endlich einmal richtig stimmig ist und eine handfeste Grundlage für die Wahl des neuen Mitarbeiters darstellt. Allein der Umfang des Kriterienkatalogs läßt den einen oder anderen vermuten, daß vielleicht nicht alle der aufgestellten Anforderungen zu realisieren sind, daß vielleicht doch ein wenig zuviel an Vorgaben entwickelt wurde und sich diese etwas mehr an der Realität hätten ausrichten sollen. Doch schnell sind solche Gedanken wieder vergessen.

Anforderungskatalog: Viele Köche verderben den Brei

In dieser kurzen Situationsskizze sind mehrere Problemfelder enthalten, die man einmal näher betrachten sollte. Zunächst das Offensichtliche - die Vielfalt und Menge der Anforderungskriterien. Diese kommt dann zustande, wenn man sich in der Runde vieler Verantwortlicher darauf einigen soll, welche Anforderungen denn nun tatsächlich gegeben sind. Im Laufe eines Gesprächs werden natürlich alle erdenklichen Qualitäten angeführt, die, je länger das Gespräch dauert, als immer wichtiger und als absolute Priorität dargestellt werden.

Es wird verglichen, abgewogen, idealisiert und nicht selten auch eine Kombination entwickelt, die es weder fachlich noch menschlich am Markt geben kann. Die berühmte "eierlegende, flug- und tauchfähige Wollmilchsau" ist geschaffen, und jeder denkt, daß die Anforderungsanalyse ein Bombenerfolg ist.

Technische Qualifikationen sind nicht alles

Das zweite Problem besteht darin - und leider ist es nicht ganz so leicht zu identifizieren-, daß sich eine "gute" und "zielsichere" Anforderungsanalyse nicht allein auf die fachlichen und erfahrungsbedingten Vorgaben konzentrieren darf.

Zwar sind in vielen Fällen, insbesondere in den IT-Fachgebieten, die technischen Erfahrungswerte sehr hoch zu bewerten; dennoch muß nahezu jeder Mitarbeiter in ein Team passen, jeder wird in einem bestimmten sozialen Umfeld tätig, und zu jedem Job gehören auch eine ganz persönliche Eignung und somit bestimmte Talente, die Begabungen oder auch spezielle Wesensmerkmale erfordern.

Und gerade diese Kriterien sind es, die bei der Definition des Anforderungsprofils für einen neuen Mitarbeiter oft vernachlässigt oder vergessen werden. Diese Kriterien werden auch "Competencies", "nichtfachliche Befähigungsmerkmale" oder auch (irreführend) als "soziale Kompetenzen" bezeichnet. Sie umfassen Eignungen, die sich im Wesen, Charakter und der individuellen Befähigung darstellen und unmittelbare Voraussetzungen für die erfolgreiche Tätigkeit innerhalb einer bestimmten Aufgabe oder Funktion sind.

Nehmen wir ein Beispiel: Gesucht wird ein neuer Einkäufer. Neben den fachlich meist sehr leicht aufzustellenden Anforderungen muß man nun überlegen, welche "nichtfachlichen Befähigungen" für diese Tätigkeit innerhalb der Einkaufsabteilung benötigt werden. So wird etwa ein eher analytisches als konzeptionelles Denken gefordert, da der Einkäufer zum Beispiel fähig sein muß, Angebote logisch herunterzubrechen, und zwar in Einzelfaktoren, um die Vor- oder Nachteile eines Einkaufs besser beurteilen zu können. Den großen (konzeptionellen) Zusammenhang dagegen braucht er nicht zu erkennen, im Gegenteil, das wäre eher hinderlich.

Er sollte zudem ausdauernd und gründlich sein, dieses verbunden mit einer gewissen Unabhängigkeit - im Gegensatz zu einer ausgeprägten Anpassungsfähigkeit oder Übersensibilität. Letzteres wäre innerhalb eines Einkaufsprozesses ebenso gefährlich wie unwirtschaftlich, da er dann wohl eher dem Anbieter folgen würde als den eigenen Verhandlungsverpflichtungen.

Diese beispielhaft aufgeführten Kriterien sind nicht nur für die Entwicklung eines Anforderungsprofils notwendig und wichtig. Sie sind auch ein Teil des Auswahlprozesses. Bewerbergespräche können hierdurch erheblich effizienter und zielgerichteter aufgebaut und durchgeführt werden. Während sich die fachlichen Kenntnisse in der Regel meist schnell und präzise abfragen und bewerten lassen, sind es häufig die "nichtfachlichen Befähigungen", die dem ungeübten Prüfer Probleme bereiten - er läßt sie deshalb nicht selten einfach weg oder vergißt sie besser gleich.

Anforderungsplanung ermöglicht sinnvolle Bewerbungsgespräche

Sofern diese Befähigungen im Vorfeld allerdings aufgestellt und erläutert worden sind, ist es möglich, in der Interview-Vorbereitung einen Fragenkatalog zu entwickeln, der es dem Prüfer ermöglicht, gezielt die Fähigkeiten und Anlagen des Bewerbers zu checken.

Auch hierzu ein Beispiel: Um die Ausdauer und Gründlichkeit unseres Beispiel-Bewerbers für eine Einkäuferposition zu hinterfragen, bietet es sich an, eine Fallsituation zu schildern: Der Einkäufer bespricht mit einem Verkäufer ein Angebot, das nicht den Vorstellungen des Unternehmens entspricht. Der Verkäufer behauptet allerdings, daß er keinerlei Konzessionen mehr machen könne. Der Bewerber soll nun - gegebenenfalls in einem kurzen "Rollenspiel" mit dem Prüfer - darstellen, wie er mit einer solchen Situation umgehen würde. Zudem läßt sich hier fragen, ob der Bewerber solche Situationen schon erlebt hat und wie er diese gelöst hat.

Sind dem Interviewer "nichtfachliche Befähigungen" im Vorfeld klar und weiß er, worauf es in der realen Funktion tatsächlich ankommt, dann sind diese Befähigungen wesentlich leichter und gezielter zu prüfen, diese mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit zu erkennen oder als nicht gegeben festzustellen.

Ein großer Vorteil also gegenüber einer Interviewführung, die sich nahezu gänzlich um die fachlichen oder technischen Eignungsmerkmale herum bewegt, die so wichtigen nichtfachlichen Kompetenzen allein aus einem "allgemeinen Eindruck" resultieren. Letzteres ist dann der berühmte "Bauch", der "spricht", der Verstand ist jedenfalls nicht das ausschlaggebende Bewertungsmoment.

"Nichtfachliche Befähigungen" - wesentliche Eignungskriterien

Zudem muß man sich eine wichtige Tatsache bewußt machen: Die nichtfachlichen Befähigungen sind meist eher nicht trainierbar. Sie beeinflussen jedoch das Verhalten und somit die Arbeitsqualität enorm. Ein noch so guter Techniker wird ein äußerst schlechter Einkäufer sein, sofern dieser etwa deshalb zuvor so erfolgreich gewesen ist, weil er kreativ und einfallsreich ist, frei und unabhängig arbeiten konnte und deshalb die Vorgabe von gesetzten Standards als eher hinderlich empfindet. Mag er also aus fachlicher Sicht noch so geeignet erscheinen, künftig im Unternehmen den Einkauf mit seinen Kenntnissen zu bereichern - er wird aller Voraussicht nach nie dauerhaft einen effizienten Einkauf gestalten können, da ihm wesentliche Befähigungen dafür fehlen.

Entwicklung und Definition dieser Befähigungsmerkmale dienen dem Unternehmen und dem verantwortlichen Management jedoch nicht allein für die optimale Personalauswahl. Ebenso dienlich sind diese an Funktionsbeschreibungen angehängten Kriterienkataloge innerhalb der Personalentwicklung und -Qualifizierung (Förderung) sowie innerhalb des Leistungsbeurteilungsverfahren (Ausgangspunkt der Förderung) in einem Unternehmen. Es wird hierdurch dafür gesorgt, daß wesentliche Voraussetzungen für die Aufgabenerfüllung nachprüfbar werden und dem Mitarbeiter die persönliche Förderung entgegengebracht wird, die er sich nach seinen "persönlichen" Anlagen (Befähigungen) auch am ehesten wünscht. Der zuvor beispielhaft erwähnte Techniker wäre sicherlich unglücklich, wenn er als Einkäufer arbeiten müßte, und würde dem Unternehmen auch kaum das bringen, was dieses sich von seiner Tätigkeit versprochen hat.

Sofern also Mitarbeiter in einem Unternehmen trotz vieler gezielter Qualifizierungsmaßnahmen immer noch nicht die Leistung erbringen, die nach Intellekt und bisheriger Förderung zu erwarten wäre, so sollten sich die jeweiligen Verantwortlichen einmal die Mühe machen, die "nichtfachlichen Befähigungen" zu identifizieren und bei den Betroffenen nachzuprüfen. In vielen Fällen fällt es einem dann nämlich wie Schuppen von den Augen ...

*Stefan Rohr ist geschäftsführender Gesellschafter der r&p management consulting Hamburg/Düsseldorf/Frankfurt/Speyer/

Hannover/Bremen/Zug

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