Das IBM-Software-Mekka in Wien

20.06.2002
IT-Integration war das Schlagwort des europaweiten "Software Symposium 2002" von IBM in Wien. Über 2.000 angereiste Kunden erfuhren, wie sich Big Blue die Realisation dieses Anspruches vorstellt: als Komplettanbieter. Die vier Softwareabteilungen Websphere, DB2, Tivoli und Lotus kommen sich deshalb immer näher.

Überall TV-Flachbildschirme. Auf den weiten Gängen der vier Etagen des Austria Vienna Centers flimmerten Fußballbilder, und die Menschentrauben vor den TV-Flachmännern ließen ahnen, dass Gastgeber IBM, beziehungsweise dessen Softwareabteilung, nach knapp einem Jahr Vorbereitungszeit bei der Kundenakquise erfolgreich war - trotz derzeit schmaler Reisebudgets. Mehr als 2.000 Kunden, so Big Blue, waren nach Wien gekommen, um im Kongresszentrum an der Donau erstmals in einem Aufwasch zu erfahren, was die vier Säulen der Softwareabteilung - Datenbanken, Systemmanagement, Groupware und Infrastruktur - zusammen, aber auch jede für sich, zu sagen hatten. Für diese Überzeugungsarbeit bot IBM in Wien mehr als 600 Mitarbeiter auf.

Diese Arbeit war auch nötig. Denn tatsächlich sind die vier Säulen, auch wenn IBM sie unter dem Schirm "Middleware" vereinigte, noch eigenständig und, wie Symposium-Teilnehmer bemerkten, längst nicht so weit "integriert", wie Big Blue es gerne hätte und auf seinen Powerpoint-Präsentationen suggerierte.

Immerhin wurde deutlich: Die Softwareabteilungen marschieren konsequent in Richtung E-Business-taugliche Infrastruktur. Das ist das erklärte Ziel des nach Microsoft weltweit zweitgrößten Softwareanbieters - dafür wird in den Abteilungen entwickelt. Den deutlichen Unwillen spezialisierter Softwarepartner nimmt Big Blue dabei in Kauf. "Die Themen Lotus oder Tivoli sind durch", erklärte ein IBM-Manager in entspannter Heurigen-Runde.

Eine durchgängige Middleware-Strategie

Dass Unternehmen in Europa in plattformübergreifende Softwareinfrastruktur investieren und hierbei von Big Blue bestens bedient würden - dieses wenig überraschende Mantra der weit über 100 Sessions und Präsentationen wurde von den einzelnen Abteilungen einstimmig bekräftigt. So erklärte beispielsweise Manager Milko van Duijl, Vizepräsident Tivoli Europa (EMEA), dass seine Abteilung mittlerweile auch Linux unterstütze und damit Tivoli als Management-Umgebung auf nahezu jeder unternehmensrelevanten Plattform laufe.

Zudem werde Tivoli seine Anstrengungen, unternehmenskritische Anwendungen mit Servicevorgaben administrieren zu können, in Zukunft noch mehr verstärken. Die Automatisierung des Systemmanagements sei das Ziel. "Gerade mittelständische Unternehmen mit wenig Administrationskapazität und -wissen brauchen das," erklärte van Duijl.

Ähnlich äußerte sich Henrik Hedegaard, Vizepräsident Europa für "Websphere". Die Transaktionssoftware sei mittlerweile so weit, als offene Plattform für webfähige IT-Infrastruktur eingesetzt werden zu können. Mit den Ankündungen in Wien unterstrich Big Blue diese Positionierung. Unter anderem wurden vorkonfigurierte Pakete für die Automotive- und Telekommunikationsbranche, die Elektroindustrie, Versicherungen, Handel und Logistik vorgestellt. Ihnen liegen die Websphere-Komponenten "Business Integration V4.1", "Business Integration for Industries", "Business Connection" und der "Portal Server" zu Grunde.

Ferner wurde die Middleware um Adapter ergänzt, sodass Softwareanwendungen von Broadvision, I2, Oracle, Peoplesoft, SAP oder Siebel integriert werden können. Und die Open-Source-Plattform "Eclipse" wurde so erweitert, dass Unternehmen nun theoretisch eine durchgängige IT-Infrastruktur allein mit IBM-Software auf die Beine stellen könnten.

"Wir arbeiten an unserer Cross-Plattform-Strategie", bestätigte Hedegaard und ließ anklingen, dass IBM auf diesem Gebiet gegenüber Konkurrenten wie Oracle, BEA oder Microsoft ein gutes Stück voraus sei.

Da IBMs erklärtes Ziel sei, den zwar E-Business-willigen, dennoch zögerlichen Mittelstand ins Websphere-Boot zu ziehen, werde die Company europaweit ihre Mannschaft aufstocken - trotz IT-Krise und hausinternem Einstellungsstopp.

So würden die verkaufsfördernden Initiativen "Websphere Innovation Centre" (für Systemintegratoren), "Epath" (für Softwareentwickler) und "Top-Initiative" (für Wiederverkäufer) ausgebaut.

Nachdem auch die Datenbankabteilung DB2 mit der Vorstellung des "Content Manager" Version 8 demonstrierte, dass sie die Integration bestehender Anwendungen mit neuen Applikationen zum Ziel habe, so zum Beispiel die unternehmensweite Auswertung von Bild-, Ton-, Audio- und Videodaten, und die Lotus-Abteilung zeigte, dass sie ihr Schicksal akzeptiert hat, künftig als Wissensmanagement- und "Collaboration"-Plattform positioniert zu sein, blieb allein die Frage offen, ob IBM damit rechne, mit dieser "One Vendor"-Strategie bei Unternehmen gut anzukommen. "Wir arbeiten mit so vielen Softwareanbietern und Partnern wie möglich zusammen. Wir brauchen sie, um im Wachstumsmarkt Software unser Ziel zu erreichen", erklärten nahezu einstimmig die Europa-Verantwortlichen IBMs. Welches Ziel? "Zum wichtigsten Anbieter von E-Business-Software zu werden", so IBMs Software-Statthalter in Europa, Maurizio Carli.

www.ibm.de

ComputerPartner-Meinung:

Kein Zweifel - trotz der starken Fußball-Konkurrenz: Die vier Software-Abteilungen IBMs marschieren in Richtung Komplettanbieter für IT-Infrastruktur. Das wurde in Wien deutlich; das zeigten die Produktankündigungen und der Auftritt der IBM-Mannschaft. Sowohl bei Entwicklern, auch wenn sie sich schlussendlich doch wieder mit Produktfeinheiten auseinander setzen müssen, als auch bei Partnern kam diese Botschaft an.

Klar ist: IBM wittert in Sachen Middleware Morgenluft. Keiner der Konkurrenten kann derzeit so viel Software anbieten. Diesen Vorsprung wird Big Blue ausspielen; das sollten alle wissen, die nach Wien gekommen waren.

Dafür investiert IBM über die Jahre hinweg viele Milliarden Dollar. Jetzt erwartet die Company von ihren Partnern, dass sie mitziehen - in Form von Ausbildung, Kundengewinnung und Marktpräsenz.

Infolge dessen war die Wiener Botschaft unmissverständlich: Nachdem wir aus den vier eigenständigen Software-Brands Lotus, Tivoli, Websphere und DB2 eine deutlich positionierte Middleware-Abteilung geformt haben, sind wir entschlossen, die Ernte einzufahren. Partner, die diese Absicht teilen, sind willkommen. Nur diese. (we)

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