"Das Jahr war hart!"

29.11.2001
Mit Zahlen allein - 65.000 Besucher und rund 700 Aussteller - ist die diesjährige Netzwerkmesse "Exponet" nur wenig charakterisiert. Zu ungleichmäßig waren die acht Hallen besucht, und auf den Ständen der Aussteller hielt sich der Optimismus in Grenzen.

Was macht eine Branche, der jedes Versprechen binnen zwölf Monaten zerrann, sich aber dennoch treffen will und muss, auf der Exponet 2001? Sie besinnt sich auf ihre alten Stärken, nämlich Komponenten und Protokolle, sie sorgt für Stände, auf denen Produkte statt Versprechen präsentiert werden - und sie hofft. Auf das Ende der IT-Flaute, darauf, dass der Zwang zur Softwareautomation in Unternehmen die Vernetzung vorantreibt. Denn die unvermeidliche Datenflut, die dann - etwa durch Workflow- und Content-Management, Speicher und Applikationsintegration via beschleunigtes IP - die Netze der Kunden bedroht, kommt den Anbietern von Netzwerkkomponenten gerade recht. Insofern hat Foundry-Manager Dieter Holderle kein Problem, sich mit Gigabit-Ethernet-Produkten auf der Mes-se zu präsentieren, als seien die Aufträge für die schnellen Netze nur noch eine Frage der Zeit. "Die strategische Ausrichtung von Unternehmen geht in Richtung Gigabit-Leitungen." Zwar habe bis jetzt nur eine ausgesuchte Klientel Gigabit installiert, doch der Boom käme. "Nächstes Jahr. Die deutlich fallenden Preise für Gigabit-Karten zeigen es an."

Schnelle Netze: Kein Unternehmen könne darauf verzichten, wolle es seine Prozesse intern und zum Kunden hin verbessern. Das sieht Cisco-Marketier Harald Zapp nicht anders: "Bandbreiten zu optimieren ist für unsere Kunden ein Gebot der Stunde. Sie fragen uns, wie sie ihre Netze beschleunigen und garantierte Übertragungsleistungen erhalten können." Entsprechend hat sich Cisco auch mit Gigabit angefreundet: "Ethernet to the Home" lautet der griffige Spruch, den man auf dem ausgesprochen gut besuchten Stand des Netzwerkers lesen konnte.

Das selbe Phänomen hat man auch bei dem im Markt so gut wie unsichtbaren Token-Ring-Ausrüster Madge festgestellt. Zwar sei der Kundenstamm der Neu-Isenburger traditionell vorsichtig bei technischen Innovationen, doch nach der Möglichkeit, mittels Gigabit-Uplinks Verbindungen zwischen Token-Ring- und Ethernet-Netzen herzustellen, werde häufig gefragt. "Die Produkte sind mittlerweile ausgereift", wirbt Country-Manager Andreas Schwarz. Und: "In naher Zukunft werden Erfordernisse wie VPN-Netze die Netzinvestitionen bestimmen. Der wäre schlecht beraten, an Bandbreite zu sparen, zumal sie vergleichsweise billig ist."

VoIP und WLANs

Doch so offensichtlich das Thema Gigabit-Ethernet die grundsätzlich verdüsterten Mienen der nach Köln angereisten Netzwerker aufhellen konnte, so deutlich wurde auch, dass die gesamte Branche noch immer mit dem brutalen Konjunkturabbruch der letzten zwölf Monate zu kämpfen hat. "Der Markt ist ex-trem schwierig. Unternehmen sagen uns: Es wäre schön, das Neueste zu haben, doch unsere Netze, in die wir in den letzten zwei Jahren investiert haben, reichen derzeit aus", erklärt Werner Kühn, General-Manager Sales & Marketing bei dem Münchener Netzwerk-Distributor Azlan. Doch er erlebt hierzulande auch das Paradox, von dem die Branche auf Dauer profitieren werde: "Nachdem vor allem bei der Personalentwicklung gespart wird, heißt das für Netze und Lösungen, sie müssen garantiert stabil und zuverlässig laufen. Es sind also bei jedem Projekt Experten und Produkte gefragt, die vom Konzept bis zum Support die Investitionen sichern." Wer beides habe oder über Dienstleister anbiete, könne auch derzeit mit sicheren Geschäften rechnen. Mit Blick auf die eigenen Geschäftszahlen sagt er, er habe hierzulande definitiv "keinen Stillstand" erlebt.

Konsequent sieht er auch für die Netzwerkbranche allgemein nicht schwarz. Deutschland sei ein Land, in dem Unternehmen erst Erfahrungen mit neuen Technologien prüfen wollten, bevor sie daran gin-gen, sie für Geschäftszwecke zu implementieren. Das sei nun der Fall. "Viele fangen jetzt an", habe er festgestellt.

Vor allem von der Erweiterung und Ergänzung bestehender Netze spricht auch Klaus Dieter Hesse, Managing Direktor bei D-Link. So sei die Nachfrage mittelständischer Unternehmen deutlich, sogar bei dem nach vielen Versprechungen eher heiklen Thema Sprach-Datenintegration. "Wir bekommen von Partner ein positives Feedback", versichert Hesse. D-Link setze derzeit konsequent auf Themen wie sichere Netzwerkanbindungen und -erweiterungen "Als Netzwerker muss man sich breiter als bisher aufstellen", lautet seine Formulierung für den Umstand, dass Kunden nun Lösungen für ihre bestehenden Netze suchten. Insofern will er von einem Boom in Sachen VoIP oder WLAN nichts wissen, hingegen von gezielten Implementierungen in diesen Bereichen - "wenn sich der Kunde einen echten Vorteil ausrechnet". So erlebt er die Nachfrage nach Sprach-Datenintegration als "Ergänzung", ebenso die nach Funk-Netzen. Bei "Unified-Messaging-Lösungen" macht er dagegen einen deutlichen Trend aus: "Unternehmen wollen die Kundenansprache und interne Prozesse vereinheitlichen."

Das sieht Peter Strobl, Direktor Marketing bei Dienstleister Alca-tel Distribution GmbH, ähnlich. Er stellt in einem Markt, in dem "die Hardware-Margen schwach sind" der Wettbewerb aber brutal, als Gebot fest, mit dem Kunden konkrete, gemeinsam erarbeitete Dienstleistungen zu erbringen. "Dann kommen die Leeds, und man wächst."

Fazit: Konsolidierung und Kundentreue

Dass das Interesse an schnellen Netzen, an Applikationen und auch Technolgie nach wie vor vorhanden ist, zeigten mehrere Exponet-Vorträge und Diskussionen. Beispielsweise bei der "Key-Arena"-Debatte über VoIP ("Kostenbremse VoIP", so der zündende Titel). Zuhörer in Scharen, auch wenn der Ausblick auf ein baldige Zusammenarbeit verschiedener IP-Lösungen noch auf sich warten lasse, so das Resümee. Ebenso war das Thema "Zehn-Gigabit-Ethernet" ein Publikumsmagnet, trotz mangelnder Standards und der nach wie vor kontrovers diskutierten Perspektive, ob Unternehmen und Service-Provider sich in Stadtnetze (MANs) über herkömmliche Leitun-gen einwählen würden.

Und was WLANs angeht, so fasste ein Besucher eine Debatte zusammen: "Mobilität überall ist schon gut. Aber die Leute sollen vor allem arbeiten."

Es könnte sein, dass die Netzwerker genau daran wieder gemessen werden: Die Netze müssen arbeiten und nicht nur versprechen, Kontakte zu jedem und allem herstellen zu können.

www.exponet.de

ComputerPartner-Meinung:

Die einzige Netzwerkmesse Deutschlands erlebte in diesem Jahr einen Besucherrekord. Das ist angesichts der IT-Flaute bemerkenswert. Doch deshalb hat die Netzwerkbranche noch lange nichts zu lachen. Denn sie trifft im Markt auf ihre eigenen Installationen. Diese wollen Unternehmen genutzt haben, weshalb Fragen zur Netzwerkintegration in den Kölner Hallen mit Abstand am häufigsten zu hören waren.

Zu neueren Technologien, beispielsweise VoIP, WLANs, Gigabit-Ethernet oder Speichernetze, sammelten die Besucher Informationen, doch daraus auf einen neuen Boom zu schließen wäre derzeit fahrlässig.

Konsolidierung ist das beherrschende Thema. Die Netze sollen dazu dienen, Applikationen, die Geld bringen, laufen zu lassen. Insofern haben die Netzwerker gute Karten, denn sie werden - anders als PC-Hersteller - nicht schon an der Kundenpforte zurückgewiesen. Doch da sie bei den Kunden mit deutlich längeren Investitionszyklen als bisher rechnen müssen, sind die Anbieter im Vorteil, deren Kundenbasis groß ist und die über ein ausgebautes Partnernetz verfügen.

Allein auf Innovation zu setzen, bedeutet derzeit den sicheren Ruin - weshalb auch die Netzwerkbranche vor einer Konsolidierung steht. Zumindest das zeigte die Exponet deutlich: Den Großen der Zunft gehört derzeit der Markt. (wl)

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