"Das sind Wachstumsraten, die über denen des Software-Gesamtmarktes liegen"

13.09.2001
Marktforscher prognostizieren der Engineering-Software gute Zukunftsaussichten: Das Marktvolumen von CAD/CAM-Software werde allein im Bereich der Fertigungsindustrie von fast 190 Millionen Euro im laufenden Jahr auf voraussichtlich annähernd 220 Millionen Euro in den nächsten zwei Jahren ansteigen. Die bevorzugte Bezugsquelle sollen dabei in Zukunft IT-Händler sein.

Produktdesign mit Stift und Reißbrett ist im Computerzeitalter passé. Heutzutage erstellen Konstrukteure technische Zeichnungen mit Hilfe von leistungsfähigen PCs und CAD (Computer Aided Design)-Programmen. Computer Aided Manufacturing (CAM) ermöglicht dabei, dass die Entwürfe direkt auf die Produktionsmaschinen übertragen werden können.

In ihrer höchsten Leistungsstufe lassen CAD/CAM-Programme virtuelle dreidimensionale Modelle erstehen. Die Technik kommt beispielsweise in der Fahrzeugentwicklung zum Einsatz: Der Produktentwickler kann Innenraum, Äußeres und den Motor eines neuen Typs formen und diesen bereits testen und erleben, bevor der erste Prototyp gefertigt ist.

Ursprünglich zur Verwaltung der CAD-Zeichnungen konzipiert, realisieren Produktdatenmanagement (PDM)-Systeme den Zugriff auf alle produktrelevanten Daten und Informationen über den gesamten Produktlebenszyklus, von der Erstellung des Lastenhefts bis zur Elimination.

Auch für IT-Händler bietet das Segment gute Aussichten: Markt-forscher halten den Bereich für unsicher und sagen allein im Bereich der Fertigungsindustrie ein Wachstum von derzeit 190 Million Euro auf etwa 220 Mill-ionen Euro in 2002 voraus.

CAD-Markt mit großen Wachstumschancen

In Kooperation mit dem CAD-Circle hat das ITK-Marktforschungs- und -Beratungsinstitut Techcon-sult eine Multi-Client-Studie zum CAD/CAM- und PDM-Markt durchgeführt. Befragt wurden Betriebe mit mindestens zehn Mitarbeitern aus den wichtigsten Branchen der Fertigungsindustrie sowie Dienstleister-Ingenieurbüros. Zu den Ergebnissen äußerte sich Frank Heuer, Consultant und Analyst bei Techconsult.

CAD-Lösungen werden technisch immer anspruchsvoller - das hat zuletzt die Cebit in Hannover gezeigt. Wie nimmt der Markt diese Neuentwick-lungen auf?

Heuer: Bisher sind 21 Prozent der CAD-Arbeitsplätze in den untersuchten Zielgruppen mit 3D-Lösungen ausgestattet, dieser Anteil wird in zwei Jahren bereits auf über 26 Prozent angestiegen sein. 3D-Systeme sind von einem flächendeckenden Einsatz also noch entfernt. Sie finden jedoch in immer mehr Betrieben Verbreitung.

Wofür werden die erstellten CAD-Daten vorwiegend verwendet?

Heuer: 83 Prozent der von uns befragten Betriebe nutzen sie zur technischen Dokumentation. An zweiter Stelle folgen Visualisierung und Präsentation. Dies un-terstreicht, dass immer mehr Betriebe den Schwerpunkt auf dreidimensionale Technologien verlagern, denn für die Visualisier-ung und Präsentation werden zumeist fotorealistische Darstellungen des neuen Produkts herangezogen. Auch das Interesse von Vertrieb und Marketing wurde durch die Präsentationsmöglichkeiten geweckt. Fast die Hälfte der betrachteten Betriebe unterstützt dementsprechend Verkauf und PR mit Hilfe der CAD-Daten.

Lohnt sich der Einsatz auch finanziell?

Heuer: Natürlich ist vor allem in der Produktentwicklung Zeit auch Geld. Moderne CAD-Systeme verkürzen die Time to Market beträchtlich, indem Simulationen an rein virtuellen Prototypen vorgenommen werden können. Jede zweite untersuchte Arbeitsstätte nutzt inzwischen diesen Zeitvorsprung.

Es sind also die unterschied-lichsten Beteiligten an den CAD-Daten interessiert. Wächst nicht auch mit der Fülle erzeugter Daten die Anforderung, sie schnell und für alle Beteiligten zugänglich zu machen?

Heuer: Hierzu dienen spezielle Produktdatenmanagement-Sys-teme, kurz PDM. PDM ermöglichen aber nicht mehr nur den Zugriff auf die CAD-Daten, sondern auf sämtliche Daten zu einem Produkt. Alle Informationen aus jeder Phase des Lifecycle können so den Beteiligten zur Verfügung gestellt werden. Tatsächlich präsentiert sich PDM als Wachstumsmarkt. 27 Prozent der untersuchten Betriebe nutzen PDM bereits. Innerhalb der nächsten zwei Jahre steigt dieser Anteil um ein Drittel. Hierbei heben sich sowohl hinsichtlich der vorhandenen Installationen als auch mit Blick auf das Wachstum der eingesetzten Lizenzen der Fahrzeugbau sowie der Maschinen- und Anlagenbau heraus.

Vernetzung ist derzeit eines der großen Schlagwörter. Wie sieht es damit im Bereich der Konstruktion aus?

Heuer: Fast vier Fünftel der Betriebe, die wir befragten, gaben an, online zu sein. Mit der Zahl der Beschäftigten wächst die Tendenz zur Anbindung, und besonders die Ingenieur-Dienstleister nutzen die Vorteile von Online-Verbindungen. Sofern eine Arbeitsstätte mit dem Internet verbunden ist, haben im Durchschnitt 90 Prozent der Konstrukteure hierzu Zugang.

Welche konkreten Vorteile ergeben sich daraus?

Heuer: Bereits jeder zweite untersuchte Betrieb bezieht online Bauteile und Bibliotheken. Das heißt beispielsweise, die Darstellungen bestimmter Standardbauteile, wie z.B. Schrauben, werden nicht vom Konstrukteur jedes mal neu gezeichnet, sondern bequem aus online bereitgestellten digitalen Katalogen in die Zeichnung kopiert. Weiter ist die standortübergreifende Zusammenarbeit zu nennen. In vier von zehn Betrieben ermöglicht die Online-Verbindung, dass Entwicklungsteams, die an unterschiedlichen Standorten tätig sind, an demselben Projekt arbeiten können.

Stichwort Zusammenarbeit: Collaborative Commerce ist ein Thema, das im Zusammenhang mit der Produktentwicklung immer häufiger auftaucht. Wie sehen diesbezüglich die Aktivitäten in den untersuchten Zielgruppen aus?

Heuer: Projekte im Sinne des Collaborative Commerce führen bereits 17 Prozent der befragten Betriebe durch. Gut jeder Fünfte lotet noch die Möglichkeiten aus und informiert sich zum Beispiel über die Online-Einbindung von Zulieferern und Partnern in den Entwicklungsprozess. Insgesamt erfolgt die Realisierung von Collaborative Commerce schwerpunktmäßig in den größeren Arbeitsstätten. Erst drei Prozent der Betriebe unter 100 Mitarbeitern bestätigten laufende Projekte.

Nach der ersten großen Euphorie lässt sich seit einigen Monaten an den Aktienkursen des Neuen Marktes überdeutlich die Ernüchterung hinsichtlich der New Economy ablesen. Wie stellt sich aber tatsächlich die Akzeptanz des E-Commerce in den konstruierenden Firmen dar?

Heuer: Im Rahmen der Studie fragten wir auch nach der Beschaffung via Internet, also E-Procurement. Elf Prozent der befragten Fertigungsstätten und Ingenieure kannten nicht nur den Begriff "E-Procurement", sondern decken auch einen Teil ihres Bedarfs mittels Bestellung über das Web.

Weitere 18 Prozent sammeln noch Informationen und warten die Erfahrungen anderer Unternehmen mit dem Online-Kauf ab, bevor sie gegebenenfalls selbst aktiv werden. Bei dieser Thematik ist unübersehbar, dass die Affinität zum E-Business je nach Branche recht unterschiedlich ist.

Die Elektrotechnikbranche stellt sich - wenig verwunderlich - als Innovator heraus. Fast jede dritte Betriebsstätte dieses Wirtschaftszweiges hat bereits Erfahrungen im E-Procurement. Auch die Hersteller von Kunststoff- und Gummiwaren sind in überdurchschnittlichem Maße mit diesem Thema vertraut.

In welche Richtung geht der Markt für CAD/CAM- und PDM-Software?

Heuer: Wir können eine positive Entwicklung für den Markt der Engineering-Software prognostizieren. Das Marktvolumen von CAD/ CAM-Software hinsichtlich der untersuchten Zielgruppen wird von fast 190 Millionen Euro im laufenden Jahr auf voraussichtlich annähernd 220 Millionen Euro in den nächsten zwei Jahren ansteigen. Noch deutlich dynamischer präsentiert sich der Markt für PDM-Software, der für die betrachteten Zielgruppen bis Ende des übernächsten Jahres auf fast 160 Millionen Euro, das heißt um über ein Viertel, klettern wird. Das sind Wachstumsraten, die über der des Software-Gesamtmarktes liegen.

Wo werden die Systeme bevorzugt beschafft?

Heuer: Der Einkauf von neuen CAD/CAM-Systemen beziehungsweise deren Updates wird sich zukünftig mit Blick auf die fokussierten Zielgruppen weiter in Richtung der schon jetzt bevorzugten autorisierten Vertragshändler bewegen. PDM-Systeme werden derzeit noch in erster Linie über den Direktvertrieb bezogen, doch zeigt sich auch hier eine Verschiebung der Präferenzen zu den Vertragshändler.

(mf)

www.techconsult.de

Zur Startseite