Das Unternehmen Deutsche Telekom ist besser als sein Ruf

27.09.2001
Der Krach um die T-Aktien verstellt den Blick auf die tatsächliche Situation der Deutschen Telekom AG (DTAG). Mehr als 15 Prozent jährliches Wachstum und ein zügiger Schuldenabbau sind die Basis für erhebliche Kurschancen trotz der angeblichen Aktienschwemme. Nur das Image der einst den deutschen Börsenboom auslösenden Telekom-Papiere ist derzeit dürftig.

Im Schock der Terroranschläge in den USA erscheinen manche Probleme plötzlich völlig nebensächlich. Vom Streit zwischen Banken und der Deutschen Telekom wegen der spektakulären Aktienverkäufe und dem drastischen Kurseinbruch sprach niemand mehr. Die Stimmung für die angeschlagene T-Aktie besserte sich nach der riesigen Ausverkaufswelle zuletzt deutlich.

Zwar rechnen einige Experten vor, dass im Laufe des Jahres noch bis zu 858 Millionen T-Aktien an Überangebot auf den Markt kommen könnten, was dem Kurs weiter schaden würde. Im Zuge der Übernahme haben die ehemaligen Voicestream-Eigner millionenschwere Aktienpakte der Telekom erhalten, die sie nach dem Ende der vereinbarten Haltefristen an der Börse zu Geld machen können. Jedoch gilt die T-Aktie nicht als beliebige Pleite-Anlage, die es zu jedem Preis zu verkaufen gilt, sondern auf der jetzigen Basis als solides langfristiges Investment.

Die Banken empfehlen die T-Papiere beim gegenwärtigen Tiefststand zwischen 14 und 16 Euro teilweise zum Kauf. Hier stößt die Notierung auf eine starke Unterstützung. Es ist in etwa das Niveau des Ausgabepreises vom Oktober 1996. So hat die T-Aktie nach dem massiven Ausverkauf Chancen auf eine Erholung bis zirka 25 Euro.

Perspektiven sind durchaus akzeptabel

Die aktuellen Halbjahreszahlen sind gar nicht so schlecht, und auch die Perspektiven erscheinen akzeptabel. Das operative Ergebnis verzeichnet eine deutliche Steigerung. Auch mit dem Umsatzwachstum von 17,4 Prozent auf 22,6 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr kann die Telekom zufrieden sein. Nicht so mit den Schulden von zurzeit 68,8 Milliarden Euro. Zur Tilgung sind die insgesamt 3,5 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Anteile am US-Konzern Sprint, der Kabelsparte und der Erlös des auf das nächste Jahr verschobenen Börsengangs von T-Mobile vorgesehen.

Im Verlust der Halbjahresbilanz enthalten sind neben dem Defizit der US-Mobilfunktochter Voicestream Goodwill-Abschreibungen mit einer Milliarde Euro sowie UMTS-Kosten mit 900 Millionen Euro. Ohne diese Sondereffekte errechnet sich für das Halbjahr ein Gewinn von 600 (Vorjahr: 500) Millionen Euro. Probleme könnten noch die Belastungen aus der im Juni erstmals konsolidierten Voicestream und von Powertel bereiten. Doch langfristig dürfte Voicestream der Telekom viele neue Kunden in den USA bringen.

Indessen hat die T-Aktie noch ein Imageproblem. Von Anfang klang manche Bankenanalysen unnötig aufpoliert. Auch andere Jubelarien wirkten überzogen. Nicht nur bei der Internettochter T-Online gab es Querelen im Management. Letzten Endes wurde die T-Aktie Opfer ihres anfänglichen Erfolges und zu hoher Erwartungen. Den Anlegern wurde suggeriert, dass die "Volksaktie" ein sicherer Gewinnbringer sei. Die gigantische Werbekampagne ließ sie als Schlüsselpapier einer neuen Aktienkultur erscheinen, die infolge der Milliardenverluste an der Börse nun wieder begraben ist.

Für die dritte Platzierung von T-Aktien im Juni vorigen Jahres, als das Papier schon längst im Fahrwasser des geplatzten Internetbooms absoff, zahlten Interessenten anstandslos 66,50 Euro pro Stück. Das Papier war völlig überbewertet. Schwacher Trost: Die T-Aktionäre befinden sich in bester Gesellschaft. British Telecom, France Télécom, KPN (Holland), Sonera (Finnland; Sonera will 72 Millionen T-Aktien verkaufen), Telecom Italia, Telefónica (Spanien), AT & T, MCI Worldcom und die japanische NTT verzeichnen Kursverluste zwischen 55 und 95 Prozent.

Flut von Klagen erwartet

Aktuell droht der Deutschen Telekom eine Flut von Klagen seitens Kleinaktionären, die sich durch die umstrittene Abwertung von Immobilien in Milliardenhöhe geschädigt fühlen. Einige Anleger haben Schadenersatzklagen wegen falscher Angaben im Börsenprospekt eingereicht. Unter diesem Aspekt kommen die verbalen Rettungsmaßnahmen gerade recht.

"Wir sehen die Kursentwicklung in krassem Widerspruch zur operativen Performance und zur strategischen Positionierung des Unternehmens", erklärt Telekom-Chef Ron Sommer. Er hält die T-Aktie 70 Euro wert. Das Finanzministerium denkt vorläufig nicht an die Ausgabe weiterer T-Aktien. Nicht nur Kleinanleger, sondern auch der Bund als Großaktionär ist an einem besseren Kurs interessiert. Andere Großaktionäre haben gegenüber der Telekom ihre Loyalität bekräftigt.

Wer hatte Schuld?

Wer hatte Schuld an dem Schlamassel? Telekom-Chef Ron Sommer meint, die Deutsche Bank hätte beim Verkauf der 44 Millionen T-Aktien aus dem Besitz des Technologiekonzerns Hutchison Whampoa "Arbeitsfehler begangen". Sie zeichne für den massiven Kursrückgang verantwortlich. Die Deutsche Bank verwahrt sich, unrechtmäßig und unprofessionell agiert zu haben.

Stein des Anstoßes war Anfang August eine Kaufempfehlung der Banker - einen Tag, bevor sie die Papiere auf den Markt warfen. Kleinkunden und andere Aktionäre fühlten sich geprellt und verkauften ebenfalls. Die Lawine kam erst bei um rund 25 Prozent niedrigeren T-Kursen unter 15 Euro zum Stillstand. Ron Sommer sprach von 40 Milliarden Euro Schaden. Wenn man überlegt, dass die T-Aktie im März vorigen Jahres 103 Euro kos-tete, ist die Aufregung kaum zu verstehen. Doch ist sie Ausdruck dafür, wie empfindlich alle Beteiligten nach der dramatischen Kurstalfahrt geworden sind. (kk)

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