Der chinesische PC-Riese Legend kehrt erst mal vor der eigenen Haustür

07.03.2002
Obwohl die Legend-Tochter QDI in Europa mit den Motherboards gute Erfolge aufweisen kann, treibt den chinesischen PC-Riesen überhaupt keine Eile, sich außerhalb Asiens mit anderen Produkten zu positionieren. So verging nach der Ankündigung im Februar 2001 denn auch über ein halbes Jahr, bis die ersten fremdproduzierten Legend-Notebooks auf den deutschen Markt kamen. CEO Yang Yuanqing erklärt ComputerPartner-Redakteur Klaus Hauptfleisch, warum.

Nach Ihrer Ankündigung vor ziemlich genau einem Jahr (siehe ComputerPartner 14/01, Seite 16) ist Legend erst im Herbst 2001 in den europäischen Notebookmarkt eingestiegen. Lassen sich bereits erste Erfolge ablesen?

Yang: Was den europäischen Notebookmarkt angeht, sind wir in keiner Eile und erwarten sobald auch keinen größeren Durchbruch. Aber in einigen europäischen Ländern wie Spanien und Deutschland haben wir schon einige zuverlässige Partner gefunden, mit denen wir uns, wie vor einem Jahr bereits betont, langsam und mit Bedacht an den europäischen Markt herantas-ten wollen.

Ende vergangenen Jahres sind Sie auch in Großbritannien an den Start gegangen. Laut Digitimes stammen die Notebooks für den britischen Markt aus den Werken von FIC. Ist FIC Ihr einziger Notebooklieferant?

Yang: Nein, FIC ist für uns ein wichtiger Notebook-OEM-Partner, aber nicht der einzige. Langfristig planen wir auch, unsere eigene Notebookproduktion hochzuziehen.

Glauben Sie, dass Sie in Europa an Ihren Erfolg in China anknüpfen können und Legend hier zu einer ähnlich starken PC-Marke aufbauen können?

Yang: Natürlich hoffen wir, dass Legend QDI auch in Europa zu einem starken Notebook- und PC-Brand wird. Aber das braucht seine Zeit. Es wäre eine Illusion zu glauben, dass wir unsere Erfolgsstory so schnell auf einen reifen Markt wie den europäischen übertragen können. Unser wichtigster Markt ist und bleibt vorerst China. Das ist auch der Grund, warum wir in Europa Schritt für Schritt vorgehen und die Entwicklung genau beobachten. Abgesehen davon haben wir mit unserer Motherboard-Marke QDI schon eine gewisse Repu-tation in Europa, die wir auf ande-re Produktlinien wie Notebooks, Desktop-PCs, PDAs und gegebenenfalls sogar Information Appliances ausweiten wollen. Um dieses Ziel zu erreichen, planen wir, unsere Marketingaktivitäten und Partnerschaften mit europäischen Distributoren und Fachhändlern in Zukunft noch weiter zu intensivieren.

Nachdem der chinesische PC-Markt sich im dritten Quartal 2001 nicht so entwickelt hat, wie von den Analysten erwartet, hieß es, dass Legend das für das laufende Geschäftsjahr bis Ende März gesteckte Ziel von 3,7 Millionen PCs voraussichtlich um 300.000 verfehlen wird. Was ist wahr daran?

Yang: Die Q3-Zahlen für den chinesischen Markt waren tatsächlich enttäuschend. Wir haben daraufhin unser Wachstumsziel für das laufende Geschäftsjahr auf 20 Prozent oder 3,1 Millionen PCs nach unten geschraubt. Wenn Sie aber die Gesamtentwicklung in der PC-Industrie sehen, ist das immer noch ein stolzes Wachstum, das in der Welt wirklich einzigartig ist.

Wie ist das vierte Quartal für Legend gelaufen?

Yang: Im vierten Quartal hat sich der chinesische Markt auch saisonbedingt deutlich besser entwickelt als im dritten Quartal. Ich bin daher sehr zuversichtlich, dass wir unser revidiertes Wachstumsziel erreichen werden. *

In den Berichten hieß es, dass Legend, um die gesteckten Umsatzziele zu erreichen, im vergangenen Herbst 500 Mitarbeiter entlassen hat und sich mehr auf den profitableren Markt für Software und Services konzentrieren will. Zeigen diese Maßnahmen schon erste Ergebnisse? Und warum Services, wo doch selbst sehr viel namhaftere PC-Brands eher versagt haben?

Yang: Diese Maßnahmen sind langfristig angelegt. Es wäre daher zu früh, jetzt schon von Erfolgen zu sprechen. Aber der chinesische Servicemarkt ist sehr viel versprechend, da es hier einen großen Nachholbedarf gibt. Als führender PC-Hersteller Chinas sind wir in einer ausgezeichneten Position, diesen Markt im Unternehmenssektor zu erschließen. Dazu gehört auch das Thema Sicherheit, das bei vielen Firmen in China erst jetzt langsam Beachtung findet. Hier kommen wir ins Spiel, da wir für die speziellen Bedürfnisse lokalisierte Softwarelösungen anbieten können.

Wie viele PC-Systeme hat Legend als Asiens Nummer Eins außerhalb des chinesischen Heimatmarktes verkauft?

Yang: Sehr wenige. Wenn man bedenkt, dass Hongkong als einer unserer wichtigsten "Auslandsmärkte" seit vier Jahren wieder zu China gehört, sind unsere Notebookverkäufe außerhalb Asiens noch eher zu vernachlässigen.

Welche Auswirkungen erwarten Sie für Ihre PC- und Notebook-verkäufe durch den Beitritt Chinas in die Welthandelsorganisation (WTO) in Ihrem Heimatland und weltweit?

Yang: In China wird der WTO-Beitritt für uns keine großen Auswirkungen haben. Denn der chinesische PC-Markt war auch vorher schon sehr reif und von einem gesunden Wettbewerb geprägt. Von den großen Playern sind schon alle da und finden bei uns auch faire Marktbedingungen. Im internationalen Wettbewerb kann der WTO-Beitritt Chinas für uns langfristig gesehen nur von Vorteil sein.

Was sind Ihre Produkt-Highlights für die diesjährige Cebit in Hannover?

Yang: Das sind in erster Linie unsere Motherboards mit den neues-ten QDI-eigenen Technologien der "Easy"-Reihe wie Recovery Easy, Boot Easy und Step Easy zum schnellen und sicheren Hochtakten der Prozessorleistung. Darüber hinaus werden wir mit unseren Notebooks auch einige Wireless-Lösungen vorstellen. Ich denke, Wireless wird zu einem der heißesten Themen auf der Cebit 2002.

Was sind Ihre Geschäftsziele für die diesjährige Cebit?

Yang: Vor allem wollen wir neue Partnerschaften suchen und den Bekanntheitsgrad von Legend und unserer Motherboard-Tochter QDI ausbauen. Dazu gehört auch das Ziel, neue Verträge mit Distributoren abzuschließen.

Eine Ihrer erklärten Produktstrategien ist die Weiterentwicklung von proprietären Technologien. Was ist darunter zu verstehen?

Yang: Gemeint sind Lösungen wie die "Easy"-Features auf unseren Motherboards, die den Umgang mit dem PC vereinfachen sollen, damit der User gleich loslegen kann. Wir haben übrigens auch PCs entwickelt, die speziell an die Bedürfnisse von älteren Mitmenschen angepasst sind.

Planen Sie, abgesehen von Notebooks und PDAs, auch in den europäischen Mobilfunkmarkt einzusteigen?

Yang: Nein, aber wie ich vorher schon sagte, denken wir bereits über den Einstieg in den europäischen Markt für Desktop-PCs und Information Appliances (IAs) nach. Denkbar wären hierbei Internet-Settop-Boxen fürs Fernsehen und unser "I-Feel", ein All-in-one-Sys-tem mit Touchscreen-Monitor und Handschriftenerkennung, das es erlaubt, ohne Maus und Keyboard im Internet zu surfen.

Welche Unternehmen sehen Sie derzeit und in den nächsten fünf Jahren als Ihre größten Mitbewerber?

Yang: Das kommt auf die Produkte an. Im PC-Bereich ist es sicherlich Dell, bei IAs und Spieleplattformen heißt unsere Messlatte Sony. Ich denke, daran wird sich sobald auch nichts ändern.

Legend hat unlängst in China eine Digital-Home-Strategie gestartet. Was verstehen Sie unter Digital Home, und planen Sie, diese Strategie auch nach Europa zu tragen?

Yang: Digital Home umfasst die vier Bereiche Kommunikation, Entertainment, Home-Automation und Information. Ja, wir denken auch darüber nach, diese Strategie nach Europa zu bringen.

Linux scheint in China recht stark im Kommen zu sein. Wie erklären Sie sich das?

Yang: Das sehe ich nicht so. Linux spielt in China als Betriebssystem in Unternehmen eher noch eine untergeordnete Rolle. Als größter PC-Hersteller des Landes sollten wir das wissen. Wir bauen weiterhin auf eine starke Partnerschaft mit Microsoft. Und die meisten unserer PCs werden auch mit Windows als Betriebssystem ausgeliefert.

China hat sich zwar schon zu einem der wichtigsten IT-Produktionsstandorte entwickelt. Es fehlt aber noch an einer international bedeutenden Computermesse wie die Cebit in Hannover, die Comdex in den USA oder die Computex in Taiwan. Meinen Sie, dass sich das in Zukunft ändern wird?

Yang: Wir haben schon einige große IT-Events wie die Cebit Shanghai oder die Comdex China. Beide Fachmessen haben viele Besucher und Aussteller angezogen, auch wenn ihre internationale Bedeutung noch relativ gering ist. Da China aber immer mehr Hersteller und Investoren aus dem Ausland anzieht, werden wir auf den chinesischen IT-Messen in Zukunft sicherlich auch mehr internationale Aussteller und Besucher beobachten.

Was sind Ihre Ziele für das im April beginnende Geschäftsjahr 2002/2003?

Yang: Wir hoffen und sind zuversichtlich, dass wir unser Wachstum auf einem hohen Niveau von 20 bis 25 Prozent halten können. Ein so hohes Wachstum können wir in Europa natürlich nicht erwarten. Abgesehen davon sind wir in den meisten europäischen Ländern ja noch mitten in der Evaluierungsphase, bevor wir dort beginnen können, Notebooks und andere Produkte zu verkaufen.

Wann sehen Sie den US-Markt reif für Legend-PCs?

Yang: Nicht vor 2004. Wir wollen zunächst abwarten, wie sich das Geschäft in Europa entwickelt, bevor wir uns an neue Märkte heranwagen.

*Legend

Wachstum gebremst

IDC-Zahlen nach dem Interview zufolge hat Legend im vierten Quartal 730.000 PC-Systeme verkauft. Das sind 8,5 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Im ersten Quartal 2001 lag die Wachstumsrate allerdings noch bei 45 Prozent. Im Gesamtjahr 2001 rechnet IDC für Legend trotz der schwierigen Entwicklung in der zweiten Hälfte mit einem weit überdurchschnittlichen Stückzuwachs von 29 Prozent.

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