Der Fachhändler sollte sein PC-Spiele-Angebot auf zehn Titel beschränken"

22.05.1998

MÜNCHEN: Bisher ist der Verkauf von PC-Spielen fast ausschließlich den darauf spezialisierten Fachhändlern und den Großflächenvermarktern vorbehalten. Doch Jörg Langer, Chefredakteur der Computerspiele-Zeitschrift "GameStar" glaubt, daß auch der PC-Fachhändler sich in dieses Revier wagen und dabei seine Beratungskompetenz ausspielen sollte. Über die Chancen des Fachhandels im PC-Spiele-Markt sprachen mit Langer die ComputerPartner-Redakteure Christian Meyer und Ronald Wiltscheck.

? Wie schätzen Sie den deutschen PC-Spiele-Markt ein?

LANGER: Konkrete Zahlen sind kaum zu erhalten. Manche Hersteller geben zwar gerne Phantasiewerte heraus - wie viele hunderttausende sie jetzt wieder verkauft haben - aber ähnlich nachvollziehbar wie in Amerika ist es keinesfalls. Fest steht jedenfalls, daß wir hier in Deutschland den größten Markt für Computerspiele in Europa haben. Von den mit PC-Spielen getätigten Umsätzen entfallen allein 43 Prozent auf Deutschland. Es folgt Großbritannien mit 13, danach Frankreich

mit neun Prozent und der Rest Europas mit 35 Prozent. Weltweit steht Deutschland an zweiter Stelle, gleich hinter den USA. Anhand von Verkaufszahlen und der Resonanz auf Fachpublikationen geht man hierzulande von zwei Millionen regelmäßigen Spielern aus, hinzu kommen geschätzte fünf Millionen Gelegenheitspieler. Die Deutschen sind spielsüchtig.

? In welcher Größenordnung bewegen sich denn die jährlichen Umsätze?

LANGER: Das kann man so nicht direkt beantworten, weil man da zwischen Konsolen- und PC-Spielen sowie allen möglichen Bundles trennen müßte. Viele Firmen verkaufen auch noch Joysticks und sonstiges Spielezubehör. Es ist schwer, exakte Zahlen zu erhalten, nur soviel steht fest: Von einem Spiel, das wirklich gut ankommt, lassen sich gut 100.000 Stück und mehr absetzen. Die Top-Seller in Deutschland haben in den letzten Jahren gar die 400.000er Marke erreicht. Da so ein Spiel im Laden bis zu 100 Mark kostet, bleibt schon einiges beim Hersteller hängen. Geht man von der realistischen Marge von zehn Mark pro Stück aus, ist das gar nicht mal so wenig.

? Welche Vertriebsformen für PC-Spiele haben sich etabliert?

LANGER: Ungefähr 60 Prozent der Umsätze im Einzelhandel werden bei den großen Kaufhausketten und Elektrofachmärkten getätigt, weitere zehn Prozent der Verkäufe machen die Versandhändler aus, und den Rest teilen sich kleinere oder auf Computerspiele spezialisierte Händler. Die letzteren bieten teilweise auch noch Multimediasoftware sowie Hardwarezubehör an. Was die Vertriebskanäle betrifft, so gibt es mehrere große Distributoren in Deutschland, wie Bomico, Softgold und Kingsoft. Joysoft wäre ein Beispiel für einen großen Versandhändler, der aber auch diverse Läden unterhält. Daneben gibt es natürlich eine große Anzahl von kleineren Händlern, die gewisse Kontingente an Spielen einkaufen und sie in den Laden stellen.

?Wie schätzen Sie die momentane Geschäftssituation dieser Fachhändler ein?

LANGER: Für sie wird es zunehmend schwieriger, den Überblick zu bewahren, weil schon in einem "schlechten" Monat, wie dem vergangenen, gut 30 Spiele neu auf den Markt kommen. Aufs ganze Jahr hochgerechnet, sind es gar 400 bis 500 Stück, da erst um Weihnachten herum der große Boom einsetzt. Da fällt es den kleinen Händlern freilich schon schwer, sich für eine Produktpalette von vielleicht 50 Stück pro Jahr zu entscheiden. Wenn die Auswahl derart groß ist, orientiert sich das Kaufverhalten ganz stark an den Hits. Denn selbst Kunden, die über das nötige Kleingeld verfügen, werden sich einige wenige Perlen aus dem Riesenangebot herauspicken. Deswegen sollte sich der Fachhändler auf die Topspiele konzentrieren.

? Woher weiß er denn, welche Spiele gerade in sind?

LANGER: Es gibt Hitlisten und Spielewertungen in Fachzeitschriften, die einigermaßen verbindlich sind. Für die Verkaufszahlen gilt in dieser Branche folgendes: Die Top ten-Titel eines Monats verkaufen sich besser als alle dahinter liegenden Spiele zusammen. Und die ersten drei der Top ten sind ertragreicher als die restlichen sieben. Das Ganze beschränkt sich also auf nur wenige Titel, die 50.000 bis über 200.000 verkaufte Stückzahlen schaffen. Spiele unterhalb der Top ten liegen oftmals bei weniger als 10.000 verkauften Einheiten. Ein Spiel, das in der Fachpresse auf Zustimmung stößt, wird anschließend vom Hersteller beworben und erzeugt beim Publikum einen gewissen Hype. Andererseits können Fachmagazine ein Produkt auch abschießen, oder die Begeisterung flaut nach den ersten Wochen wieder ab. Fehlt auch noch die Mundpropaganda, bleiben diese Titel im Regal liegen.

? Soll also der Computerfachhändler überhaupt das Risiko eingehen, Spiele ins Sortiment aufzunehmen? Oder ist es besser, dieses Feld gleich den Media Märkten zu überlassen?

LANGER: Menschen sind es einfach gewöhnt, entweder ins Kaufhaus oder zum Händler zu gehen. Hat man etwa beim Computerhändler Peripheriegeräte für ein paar hundert Mark erworben, kann man doch gleich auch ein paar Spiele mitnehmen. Gerade in den USA ist so etwas gang und gäbe. Viele Kunden bevorzugen den Fachhändler, weil sie sich dort ganz konkrete Beratung erhoffen, oder weil sie vielleicht ein Spiel auch mal zurückgeben möchten. Andere wiederum gehen lieber ins Kaufhaus, um dort ihren Enkeln ein Computerspiel zu kaufen, das sie vom Fernsehen her kennen. Sie brauchen keine Fachberatung, ihnen genügt die Information, daß das gewünschte Spiel für Jugendliche geeignet ist. Eine breite Kundenschicht möchte aber immer beraten werden. Deswegen sollte ein gewisses Spielsortiment auch beim Fachhändler im Regal stehen, aber - wie gesagt - nur die Toptitel.

? Also macht es keinen Sinn, sich auf bestimmte Nischenprodukte zu spezialisieren?

LANGER: Das kann nur der echte Spielefachhändler tun, der die Highlights sowieso im Sortiment hat. Daneben bietet er dann ein paar Programme, die nur von wenigen Freaks geschätzt werden, dafür aber den Status von Evergreens haben. Aber wenn der nichtspezialisierte PC-Fachhändler sich noch 100 Packungen ins Regal stellen möchte, dann sollte er sie auf maximal zehn verschiedene Spiele verteilen. Ausnahme hiervon bildet zum Beispiel der "Microsoft Flight Simulator 98", kein Titel, der bei der typischen Spieleklientel gut wegkommt. Für sie ist dieses Flugsimulation zu ernsthaft und zu langweilig, dafür aber präzise und realistisch, somit auch für einen Gelegenheitsspieler reizvoll.

? Generiert denn der Spielmarkt auch Zubehörgeschäft?

LANGER: Auf jeden Fall! Zuallererst bei 3D-Grafikkarten - da geht man mittlerweile von einer installierten Basis von fast einer Million Stück in Deutschland aus. Das ist eine enorme Menge, wenn man bedenkt, daß es 3D-Karten in größeren Stückzahlen erst seit ungefähr einem Jahr gibt. Ein weiterer Boom kommt mit der nächsten Generation der Voodoo-Grafikkarten bereits auf uns zu. Daneben werden natürlich Joysticks und Gamepads verkauft, also dieses wirklich nur für Spiele zu gebrauchende Zubehör. Einiges tut sich auch in den Bereichen Netzwerkkarten, Modems und Monitore. Jemand, der einen schnellen Rechner sein eigen nennt, aber immer noch einen 14-Zoll-Monitor benutzt, kann sich jetzt ernsthaft überlegen, einen 19-Zöller zu kaufen. 300 bis 500 Mark für Lautsprecherboxen und Soundkarte sind auch schnell ausgegeben.

? Ist also ein echter Spieler durchaus bereit, seine Hardware aufzurüsten, wenn es ein neues Spiel erfordert?

LANGER: Ganz klar, obwohl der ambitionierte Spieler bereits über sehr gutes Equipment verfügt, also mindestens einen 166-Megahertz-Pentium-Rechner mit 16 Megabyte RAM. Trotzdem gibt es pro Jahr zwei bis drei Spiele, die einen Run auf 3D-Grafikkarten auslösen oder zu einem Verkaufsanstieg der neuesten Rechnergeneration führen. Das haben mittlerweile auch Firmen bemerkt, die bisher mit Spielen eigentlich nichts am Hut hatten, wie zum Beispiel Intel oder Microsoft. Jetzt wenden sich diese Computergiganten ganz gezielt dem Entertainment-Bereich zu: Ob da Intel lustig gekleidete Astronauten durch kunterbunte Werbespots flitzen läßt oder ob Microsoft Windows '98 als das Spiele-Betriebssystem propagiert, beides geht in dieselbe Richtung. Die zwei Technologieführer haben erkannt, daß der ungeheure Innovationsdruck in der Branche am besten mit den Anforderungen bei PC-Spielen gerechtfertigt werden kann. Denn bei einem Spiel sehe ich sofort, wenn es 20 bis 30 Prozent schneller läuft, mehr Farben aufweist und nicht mehr ruckelt. Bei einer Anwendung wie Word hingegen kann ich kaum rechtfertigen, warum es denn unbedingt ein Pentium II mit 333 Megahertz sein muß - ob das Programm jetzt in einer Viertel- oder einer Achtelsekunde startet, ist doch völlig belanglos. Andererseits hat die erste Generation von 3D-Grafikkarten die Anschaffung eines Pentium-MMX-Gerätes vor eineinhalb Jahren obsolet gemacht, weil diese Karten für 400 Mark den Rechner wieder an den Puls der Zeit gebracht haben, und das ohne die Notwendigkeit von Multimediaerweiterungen an der CPU.

? Wohl nicht so erfreulich für Intel?

LANGER: Nun, mit dem Voodoo2-Chip sieht es wieder anders aus. Die damit ausgestatteten 3D-Grafikkarten drehen um so mehr auf, je schneller der Rechner ist, hier braucht es eben doch einen Pentium II. Also geht die alte Rüstungsspirale wieder richtig los, was wohl auch beabsichtigt war.

? Benötigt die Kundschaft angesichts der Vielzahl an Zusatzhardware nicht mehr Kaufberatung?

LANGER: Der Beratungsbedarf ist natürlich da, um so mehr, als sich das gesamte Computerpublikum immer mehr in zwei Teile aufspaltet - in einen kleinen Bereich aus Freaks und Profis und eine sehr viel größere Gruppe der Hobbyanwender.

? Sollten diese Gelegenheitsspieler mit ihren vielfältigen Beratungswünschen nicht zur bevorzugten Zielgruppe des Fachhandels avancieren?

LANGER: Ja, ganz gewiß! Diese Anwender haben natürlich nichts davon, wenn man ihnen den Reibungskoeffizienten des Mauspads oder den Lochmaskenabstand des Monitors erklärt. Sie interessieren sich für ganz andere Sachen, sie wollen einfach wissen: Was kann ich mit meinem Rechner tun? Auf das PC-Spiel übertragen heißt das: Sage mir, welche Hardware brauche ich, damit ich besser und schneller spielen kann? Ein Händler, der diesen Ansatz verfolgt, kann sicherlich Punkte sammeln.

? Ist also der PC-Spiele-Bereich nach wie vor ein Wachstumsmarkt? Oder gibt es erste Sättigungstendenzen?

LANGER: Spiele bilden auf jeden Fall einen Wachstumsmarkt. Es gibt aber durchaus Verschiebungen und die Luft wird - wie überall - dünner. Vor allem kleinere Firmen, seien es Entwickler oder Distributoren, haben es momentan sehr schwer. Genauso wie in der übrigen Wirtschaft ist ein ganz deutlicher Konzentrationsprozeß zu beobachten: Die Größeren schlucken die Kleineren - sowohl auf Vertriebs- als auch auf Publishing- und Herstellerebene. Gleichzeitig treibt es die eigentlich Kreativen, die Starprogrammierer, wieder vermehrt in die Unabhängigkeit. Sie haben vor zehn Jahren eine Firma gegründet, die heute weltberühmt ist. Da diese Entwickler aber keine Lust auf Verwaltungstätigkeiten haben, treibt es sie wieder hinaus in die freie Wildbahn. Mit gut dotierten Beraterverträgen im Rücken tun sie sich mit anderen Kreativen zusammen, um ihre Produkte leichter in den Handel zu bringen.

? Aber hat denn die Qualität der Software in den letzten Jahren wirklich zugenommen, und sind die potentiellen Käufer auch tatsächlich bereit, mehr Geld dafür locker zu machen? Immerhin kam es zwischenzeitlich zu einer großen Flut an billigen Shareware-Spielen.

LANGER: Shareware-Spiele werden immer ihre Zukunft haben, das liegt in der Natur der Sache: Man lädt sich einfach die Software aus dem Internet herunter. Im allgemeinen haben aber Spiele an Qualität gewonnen. Nicht nur dadurch, daß die Rechner immer schneller wurden und mit 3D-Grafikkarten optische Verbesserungen bei der Präsentation zu verzeichnen waren, auch der allgemeine Qualitätsstandard ist ein anderer geworden - gerade aufgrund des starken Konkurrenzdrucks. Es erscheinen immer mehr Spiele in immer kürzeren Zeitabständen. Vor drei Jahren gab es vielleicht 200 bis 300 Neuerscheinungen jährlich, für 1998 erwarten wir deren 500. Und das sind wohlgemerkt nur Spiele, die in unser Metier fallen, also den Bereichen Action, Adventure Strategie, Sport und Simulation zuzuordnen sind. Irgendwelche Erotikspielchen oder billiger Shareware-Schnickschnack bleiben ohnehin außen vor. Völlig unberücksichtigt ist hier auch der Edutainment-Bereich. Alle von uns bewerteten Spiele bringen zumindest einen gewissen Standard in Sachen Bedienung und Benutzerführung mit, der viel höher ist als vor zwei Jahren.

? Wie steht es um die Spielinhalte? Früher waren Baller-Orgien groß in Mode, momentan nimmt vor allem in Deutschland das Interesse an Strategiespielen zu.

LANGER: Seit ungefähr 1994 haben Strategiespiele, und zwar mit nur wenigen Vertretern, wie Command & Conquer oder Warcraft, unglaublich an Popularität gewonnen. Sie sind auch bei unseren Lesern das beliebteste Genre. Action-Spiele liegen aber nach wie vor im Trend, genauso wie Simulationen oder Sportspiele. Gerade jetzt kam mit "Frankreich '98" ein phantastisches Spiel zur Fußball-Weltmeisterschaft in Frankreich auf den Markt. Wenn sich da ein Neuling heranwagt, dann wird der im ersten Moment glauben, er sieht ein Video und kein gängiges Computerspiel, weil das Ganze sehr realitätsgetreu wirkt. Außerdem gibt es noch Abenteuer- und Rollenspiele sowie Mischungen aus Simulation und anderen Bereichen und natürlich die Weltraumspiele. Es existiert ein breitgefächertes Spektrum, denn unterschiedliche Spieler zeigen eben völlig verschiedene Interessen.

? Wird das Spielpublikum immer heterogener?

LANGER: Ja, genau! Die 13jährigen Pickelträger, die als Sozial-Zombies nachts um drei vor dem einsamen Bernstein-Monitor hocken sind nicht mehr die einzigen Enthusiasten. Der Spaß am Computerspiel ist mittlerweile zu allen Altersschichten vorgedrungen. Natürlich fühlen sich zuallererst junge Leute angesprochen, doch es gibt auch Menschen, die sich vor fünf oder zehn Jahren für das PC-Spiel begeistern konnten und heute immer noch Spaß an ihrem Hobby haben. Aufgrund des gestiegenen Qualitätsbewußtseins, das sich auch in der Branche niederschlägt, können auch PC-Nutzer jenseits von 30 oder 40 ein Spiel wagen. Dies wiederum hat Rückwirkung auf die Spielinhalte. Wenn ein Hersteller merkt, daß 20 Prozent seiner Kundschaft 35 oder älter ist, dann wird er dafür Sorge tragen, daß diese Käufer etwas bekommen, was ihrer Bezugswelt eher entspricht. Die 30jährigen legen keinen Wert auf kunterbunte, quietschfidele und anspruchslose Baller-Orgien, sondern wollen gefordert werden. Sie wünschen sich intelligente PC-Spiele, bei denen man ein bißchen nachdenken muß, also etwa die schon vorher erwähnten Strategietitel oder Simulationen von Wirtschaftsprozessen. Nach wie vor sehr beliebt sind Flugsimulatoren - damit läßt sich der Traum verwirklichen, selbst ein Flugzeug zu steuern.

? In Amerika ist der Trend zum zielgruppenorientierten PC-Spiel zu beobachten, sogenannte Girlie-Games sind dort ganz groß in Mode.

LANGER: Ja, in der Tat! In den Vereinigten Staaten kamen unlängst speziell auf Mädchen zugeschnittene Spiele heraus. Ein Riesenrenner war dort beispielsweise das Barbie-Puppen-Anziehprogramm. Aber auch diverse Anglersimulationen sind in den USA sehr beliebt.

? Inwieweit ist diese Entwicklung auf Deutschland übertragbar?

LANGER: Es braucht unter Umständen eine Weile, bis diese Wellen aus Amerika zu uns herüberschwappen. Die genannten Beispiele zeigen aber auch, daß sich eben nicht alles aus Amerika einszueins auf den deutschen Markt übertragen läßt. Denn in den Vereinigten Staaten sind Computer wesentlich stärker im täglichen Leben verankert als in Deutschland. Dort spielen eben auch Hausfrauen beim Bügeln, und die US-amerikanische Klientel unterscheidet sich beträchtlich vom hiesigen Publikum. Zwar gibt es auch hierzulande Gelegenheitsspieler, aber einem Programm wie Myst, dem Vorgänger von Riven, war in Deutschland nicht der gleiche Erfolg beschieden wie in den USA. Dort spielen nämlich auch Leute, die den Computer als einen Fernseher mit ein paar Zusatztasten betrachten. In Deutschland verkaufen sich hauptsächlich die für echte Spieler gemachten Programme und weniger solche, die von jedem genutzt werden können.

?Wie steht es dann um die Konsolen-Spiele? Sieht die PC-Spiele-Industrie sie als Konkurrenz oder eher als Zwischenstufe zum PC-Spiel?

LANGER: Eine sehr gute Frage!

Die großen Konsolen-Spiele-Anbieter sind überwiegend schwach im PC-Bereich vertreten. Man braucht bloß in irgendein großes deutsches Kaufhaus zu gehen, um den Unterschied sofort zu sehen: Konsolen-Games finden sich im Spielwarenhandel, Computerspiele in der PC-Fachabteilung. Das deckt sich auch ungefähr mit den Altersgruppen, an die sich die entsprechende Software richtet. Insoweit ist es in der Tat denkbar, daß 10- bis 12jährige erst mit Konsolen anfangen - mit einer Sony-Playstation oder mit dem Nintendo 64 - und erst danach merken, daß ein PC doch anspruchsvollere und aufwendigere Unterhaltung zu bieten hat. Zumal so ein PC einen großen Vorteil hat: Er bleibt durch Updates und Zukauf neuer Peripheriegeräte sehr viel länger aktuell. Man muß nicht alle zwei Jahre einen komplett neuen Rechner kaufen. Zusammenfassend kann man feststellen, daß PC-Spiele sich nicht in direkter Konkurrenz zu Video-Games befinden. Es gibt zwar Firmen, die in beiden Märkten zu Hause sind, und es existieren auch diverse Konvertierungen von einer Plattform auf die andere. Aber insgesamt tun sie sich gegenseitig nicht weh. In Deutschland ist jedenfalls der Anteil von Video-Games am Gesamtspielemarkt geringer als in den USA.

? Was bringt uns die Zukunft?

LANGER: Also, was die Technik anbelangt, sind 3D-Grafikkarten mit Sicherheit im Kommen, genauso wie das Internet und damit natürlich auch Netzwerk-Karten und sonstiges Zubehör. 3D-Karten braucht man mittlerweile, um einen Großteil der spannendsten Spiele überhaupt noch vernünftig spielen zu können. Sie werden sich also weiterhin gut verkaufen. Der Internet-Trend ist hingegen ein bißchen anders geartet. Dahinter steckt eine grundsätzliche Wandlung des Hobbys Computerspiel. Das Muster des 13jährigen Pickelträgers traf in den Anfängen des PC-Spiels sicherlich zu, doch mittlerweile sind Computerspiele für Jugendliche und Erwachsene zu einem ganz normalen Hobby neben vielen anderen geworden. Ein typischer jugendlicher Nutzer kommt aus der Schule, macht vielleicht seine Hausaufgaben und spielt dann auf seinem Computer. Danach fährt er eine Runde Mountainbike und geht abends mit Freunden ins Kino. Klar erkennbar ist ebenfalls der Trend zum PC-Spiel als Gruppenerlebnis: Vier bis acht Leute treffen sich, stecken ihre Computer zusammen und spielen in ihrem kleinen Netzwerk. Dies hat auch die Industrie erkannt: Kaum ein Programm kommt heutzutage ohne Multi-Player-Modus auf den Markt. Mit geringem Aufwand kann man per Direktverbindung über ein serielles Kabel oder im Internet via Modem gegeneinander spielen. Das Internet erfreut sich nämlich auch in Deutschland einer immer höheren Popularität, es ist einfacher zu nutzen, die Provider- und Telefonkosten sinken. Es ist durchaus möglich, die neuesten Spiele auf einem Server in den USA zu testen. Das geht bereits heute und ist sicherlich der ganz große Trend für die nächste Zukunft. Immer mehr reine Internet-Spiele ohne Solo-Modus werden aufkommen.

? Wie sind die Marktaussichten?

LANGER: In den kommenden Jahren werden Computerspiele sicherlich zu einem Massenmarkt anwachsen. Momentan ist dies noch nicht der Fall, obwohl das Angebot sehr umfangreich ist. Aber ein PC-Spiel kostet noch 80 bis 100 Mark - im Gegensatz zu einer Musik-CD, die für 30 bis 40 Mark zu haben ist. Da fällt es schon schwerer, ein PC-Spiel einfach so mal mitzunehmen. Ein Computerspiel zu nutzen, ist auch nicht ganz so trivial, wie es manchmal den Anschein hat. Selbst die Installation eines Windows 95-Spiels stellt für manche Bevölkerungsgruppen ein unüberwindbares Hindernis dar, von Treiberproblemen ganz zu schweigen. Insoweit sind die heutigen PC-Spiele noch zu abgehoben. In den nächsten Jahren werden auf jeden Fall immer mehr Spiele aufkommen, die tatsächlich auf den Massenmarkt zugeschnitten sind. Spiele, die von jedem schnell zu verstehen sind. Spiele, die - zwar einfach gestrickt - um so größere Absatzzahlen erzielen werden.

Jörg Langer, Chefredakteur der Computerspiele-Zeitschrift GameStar: "Die bei einem passionierten PC-Spieler installierte Hardwarebasis übertrifft deutlich die Büroausstattung eines typischen Mittelständlers."

Alle Screenshots aus dem Strategiespiel "Anno 1602" von Sunflowers.

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