Der gläserne Bewerber

12.04.2006
Von Judith Barth
Grundsätzlich ist es zulässig, beim derzeitigen oder vorherigen Arbeitgeber Erkundigungen über einen Bewerber einzuholen. Vorsichtig muss man aber sein, wenn sich dieser aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus bewirbt. Judith Barth gibt Tipps.

Jeder Arbeitgeber hat ein vitales Interesse daran, vor einer Einstellung genau zu prüfen, ob er den richtigen Bewerber gefunden hat. Zeugnisse und Vorstellungsgespräche sind bei solchen Entscheidungen gut und schön - aber viel aussagekräftiger ist natürlich ein Gespräch mit dem vorherigen Arbeitgeber. Hier stellt sich die Frage, ob ein solch "informatives" Gespräch unter Chefs überhaupt zulässig ist.

Ist Diskretion Pflicht?

Nehmen wir als Beispiel den folgenden Fall: Arbeitgeber Schmitz hat eine Stelle als Chefsekretärin zu vergeben. Er hat mehrere interessante Bewerbungsmappen auf dem Tisch, darunter auch eine von Frau Müller, die zurzeit noch im Vorzimmer von Herrn Mayer sitzt. In ihrer Bewerbung hatte Frau Müller geschrieben: "Ich möchte Sie herzlich bitten, meine Bewerbung diskret zu behandeln."

Herr Schmitz ist von der Bewerbung so begeistert, dass er sofort zum Telefon greift und den Kollegen Mayer über die Arbeitsweise und Zuverlässigkeit seiner Sekretärin befragt. Das weitere Szenario im Büro Mayer kann man sich vorstellen: Frau Müller bekommt richtig Ärger. Ihr wird gekündigt und sie verklagt Herrn Schmitz, der sich dann doch für eine andere Bewerberin entschieden hat, auf Schadenersatz. Zu Recht?

Juristisch ist es mit den Erkundigungen beim vorherigen Arbeitgeber so: Der neue Arbeitgeber darf grundsätzlich bei früheren Arbeitgebern Auskünfte über den Bewerber einzuholen. Er muss allerdings vorsichtig sein, wenn der Bewerber um Diskretion bittet oder es ausdrücklich untersagt, den früheren oder derzeitigen Arbeitgeber anzusprechen.

Lieber sensibel reagieren als jemandem schaden

Besonders dann, wenn erkennbar ist, dass der Bewerber, wie im Beispiel von Frau Müller, sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus bewirbt, muss bei Rückfragen aufgepasst werden. Denn wenn der derzeitige Arbeitgeber erst durch den Anruf von den "Fluchttendenzen" seines Mitarbeiters erfährt, ist der Ärger verständlicherweise programmiert.

Setzt man sich also über die Bitte um Diskretion hinweg und hat der Bewerber hierdurch Nachteile, verliert er beispielsweise seinen Job, hat er einen Schadenersatzanspruch gegen den indiskreten Nachfrager. Also hat Herr Schmitz in unserem Beispiel ein sehr teures Telefonat geführt.

Es empfiehlt sich daher - will man Auskünfte beim vorherigen Arbeitgeber einholen - , erst einmal den Bewerber zu fragen, ob ihm das recht ist. Stimmt er zu - prima. Stimmt er nicht zu, und kann er das vernünftig begründen - auch gut. Stimmt er ohne Begründung nicht zu, ist die Entscheidung wohl ohnehin gefallen.

Keine Auskunftspflicht für den Arbeitgeber

Stellen wir uns jetzt den umgekehrten Fall vor: Der Arbeitgeber weiß, dass sich einer seiner Mitarbeiter um einen neuen Job bewirbt. Er bedauert zwar seinen baldigen Weggang, kann ihn aber - aus welchen Gründen auch immer - nicht in der eigenen Firma halten. Jetzt klingelt bei ihm das Telefon, und er wird über den Mitarbeiter ausgefragt. Wie verhält man sich? Zunächst einmal muss man überhaupt nichts sagen. Denn zwischen dem alten und dem potenziellen neuen Arbeitgeber besteht kein Vertragsverhältnis, aus dem sich eine Auskunftspflicht ergeben könnte.

Aber: Im Rahmen der "nachwirkenden Fürsorgepflicht" sollte der momentane Arbeitgeber - soweit der Mitarbeiter dies wünscht - wahrheitsgemäß und ordentlich Auskunft geben.

Erfahrungsgemäß werden Erkundigungen über Bewerber am Telefon eingeholt. Von der Beantwortung solcher Anfragen am Telefon muss aber dringend abgeraten werden. Denn man kann nie kontrollieren, wie mit der Auskunft umgegangen und wie sie verstanden wird.

Fragen schriftlich vorlegen

Um Schadenersatzansprüche bereits im Vorfeld abzuwehren, bittet man daher besser darum, die Frage schriftlich vorzulegen. Dann kann man in aller Ruhe überlegen, was man antwortet, und kann immer nachweisen, wie man sich tatsächlich zum Bewerber geäußert hat. Das ist der umständlichere, aber auf jeden Fall der sichere Umgang mit so heiklen Auskünften.

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