"Der Kunde lässt sich heute nicht mehr verarschen"

19.04.2001
Ende März hat PC-Spezialist seinen Geschäftsabschluss 2000 vorgelegt und glänzte durch Zielerreichung. Über Entwicklungen im IT-Markt und in der deutschen Fachhandelslandschaft sprach Frank Roebers, Vorstandssprecher von PC-Spezialist, mit ComputerPartner-Redakteurin Cornelia Hefer.

Herr Roebers, wie geht’s dem deutschen Fachhandel?

Roebers: Das größte Problem ist, dass die IT-Branche nur schwach organisiert ist. Würde man zum Beispiel heute versuchen, das Tempolimit auf deutschen Autobahnen durchzusetzen, gäbe es ein Riesengeschrei vom ADAC und den Automobilherstellern. Und was passiert, wenn man einen PC um zehn Prozent verteuert und im europäischen Umfeld wettbewerbsunfä-hig macht? Wobei ein Tempolimit längst nicht so schlimme volkswirtschaftliche Schäden verursachen würde wie die Urheberrechtsabgabe. Es ist heute einfach nicht möglich, einen legalen Rechner zu konfigurieren, ohne ein Bußgeld in fünfstelliger Höhe zu riskieren. Das ist eigentlich ein Zustand, gegen den alle Amok laufen müssten. Das größte Risiko ist, dass sich die IT-Branche einfach nicht wehrt.

Die Prognosen für das Jahr 2001 sind nicht gerade euphorisch. Die Pessimisten meinen sogar, der deutsche PC-Markt sei tot oder zeige erste Sättigungstendenzen wie der US-Markt. Wie sehen Sie das?

Roebers: Erst 34 Prozent aller Deutschen haben einen PC. Das ist nicht viel im Vergleich zu den USA, wo es bereits 60 Prozent sind. Was den deutschen Markt angeht, werden die Pessimisten nicht recht behalten: Ich rechne wieder mit einem zweistelligen Wachstum im PC-Markt. Allerdings werden sich die Marktanteile dramatisch verschieben: Computerkonzentrierte Handelsketten werden es in Zukunft schwer haben, es sei denn sie sind franchisiert. Unternehmen, die mehr als nur PCs verkaufen, werden dazugewinnen.

Auf Ihrer Bilanzpressekonferenz sagten Sie, dass Sie nach Comtech "einen Marktaustritt von Vobis in diesem Jahr nicht ausschließen". Warum?

Roebers: Symptome, die ich als Außenstehender beobachten kann, sind, dass Läden unserer Wettbewerber - dazu gehört auch Vobis - in einem fürchterlichen Zustand sind: Die Warenbestückung ist nicht gerade optimal, das Personal ist nicht motiviert, einen guten Job zu machen. Und das halte ich für ein wesentliches Problem. Wenn man mit demotivierten Mitarbeitern arbeitet, wendet sich der Kunde irgendwann ab, und dann kann man auch den Marktaustritt eines großen, renommierten Systems wie Vobis nicht mehr ausschließen.

Aber Vobis arbeitet wie PC-Spezialist mit dem Franchise-System.

Roebers: Die Ausrichtung ist anders: Wir setzen auf branchenfremde Existenzgründer, während Vobis etablierte Fachhändler zu seinen Franchise-Nehmern macht. Ein Weg, der bei uns versperrt ist.

Ist Comtech aus ähnlichen Gründen gescheitert?

Roebers: Der Kunde lässt sich heute nicht mehr verarschen. Entweder man bietet ihm ein erstklassiges Discount-Erlebnis mit knallhartem Preiskampf. Oder man bietet ihm eine super Auswahl und gute Preise. Oder man nimmt den Kunden und seinen Bedarf ernst. Die PC-konzentrierten Handelsketten haben nichts davon umgesetzt: Sie haben mit vielen Details ihrer Betriebsführung bewiesen, dass sie den Kunden als Störenfried empfinden. Und dann hat der Kunde Alternativen wie Media-Markt, Aldi oder eben PC-Spezialist.

Also sehen Sie eher Media-Markt und Aldi als Ihre Wettbewerber?

Roebers: Nein. Die Kunden segmentieren sich derzeit stark: Es gibt die Gruppe, die sich so gut vorab informiert hat, dass sie nur noch auf das Preis/Leistungsverhältnis sieht und keinen individualisierten PC braucht. Die kauft bei Aldi. Dann haben wir den klassischen Media-Markt-Kunden, der die große Auswahl schätzt, aber nur geringe Individualisierungswünsche hat, was den Rechner angeht. Und als letzte Gruppe haben wir den preisbewussten Käufer, der Wert auf individualisierte Konfigurationen legt - und wo soll der noch hingehen außer zu PC-Spezialist?

Das hieße, sie kämen sich weder mit Aldi noch Media-Markt in die Quere?

Roebers: Stimmt. Wir beobachten zwar genau, was die beiden tun: Zum Beispiel, wenn Sie ihre Marketing-Aufwendungen hochfahren. Das hat aber bisher keine Auswirkungen auf unseren Umsatz gehabt.

Media-Markt bietet seit August in Kooperation mit Home Jumper Service als Produkt an. Werden Sie nachziehen?

Roebers: Wir streben hier keine Kooperation an. Wir haben allerdings in einigen Stores Pilotversuche laufen - und wollen das im Laufe des Jahres auch anderen Franchise-Partnern zur Verfügung stellen. Denn der Bedarf ist da: Es gibt genug Kunden, die den PC lieber nach Hause gebracht, aufgebaut und erklärt bekommen. Und sie sind bereit dafür zu zahlen.

Hat sich das Bewusstsein der deutschen Kunden in diesem Punkt geändert?

Roebers: Nein, das ist seit Jahren unverändert. Wir haben diesen Bedarf nach Service nur nicht optimal abgedeckt.

PC-Spezialist hat in den letzten Monaten auf offensive Pressearbeit gesetzt, wo Sie direkt Comtech- oder Vobis-Mitarbeiter angesprochen haben. Hat Ihnen das keinen Ärger mit Ihren Wettbewerbern eingebracht?

Roebers: Erstaunlicherweise nicht. Aber wir haben das ja auch nicht gemacht, weil wir provozieren oder irgendwem auf den Schlips treten wollten. Schließlich gibt es bei diesen Unternehmen eine ganze Menge verunsicherter Mitarbeiter, die hoch qualifiziert sind und denen man ein neues Arbeitsumfeld bieten kann. Und da sich unsere Wettbewerber nicht gewehrt haben, scheinen sie es ähnlich wie wir zu sehen.

Ihre letzte offizielle Mitteilung richtete sich direkt an die Comteam-Mitglieder, denen Sie bei Microtrend eine Alter-native zu Electronic-Partner (CEP)angeboten haben.

Roebers: Ja, genau. Es ging darum, eine Alternative aufzuzeigen. Wir werben niemanden ab und wir fordern auch keinen auf, sich rechtswidrig gegenüber seinen Vertragspartnern zu verhalten. Dennoch war die Heller-Bank-Zentralregulierung für viele Comteam-Partner eine tragende Säule der Kooperation, die jetzt wegfällt. Wir hatten den Verdacht, dass einige Mitglieder nicht in die EP-Zentralregulierung einsteigen wollen und fanden den Zeitpunkt günstig, hier ein Angebot zu machen. Und genau so möchten wir das auch verstanden wissen.

Und wie war die Resonanz auf diese Aktion?

Roebers: Nicht schlecht, wobei ich keine konkreten Zahlen nennen möchte, aber man hört bereits von Verärgerung und Kündigungen bei Comteam.

Ihre an PC-Spezialist angeschlossene Fachhandelskooperation Microtrend ist an den jährlich steigenden Mitglieder-Zahlen gemessen sehr erfolgreich. Wen sehen Sie hier als Ihre Mitbewerber?

Roebers: Akcent, Comteam und Bemi - in dieser Reihenfolge. Vor dem Comteam-Verkauf an EP war das sicher anders. Die Kooperation hat heute viel verloren, was sie vorher stark gemacht hat: nicht nur die Umstellung der Zentralregulierung, sondern auch das persönliche Flair. Das ist bei Akcent-Chef Garrelts anders: Er hat konsolidiert, Partner abgebaut, sein Beitragsmodell umgestellt - das scheint alles funktioniert zu haben. Aber von unseren Wachstumsquoten sind sie alle weit weg. Neben interessantem Produktmix und Zentralregulierung bieten wir auch ein relativ breites Dienstleistungspaket, was die anderen nicht bieten. Außerdem haben wir als börsenorientiertes Unternehmen gierige Aktionäre - die Motivation zu wachsen, ist also größer.

Entgegen dem schwachen Trend im Gesamtmarkt hat PC-Spezialist das Geschäftsjahr 2000 erfolgreich abgeschlossen. Worauf führen Sie das zurück?

Roebers: Wir hatten im vergangenen Jahr keinen schwachen Geschäftsverlauf. Im Gegenteil: Das dritte und vierte Quartal sind ziemlich gut gelaufen. Ein starker Erfolgsfaktor war und ist unser Franchise-System: Wir arbeiten mit einem Unternehmer vor Ort, der für seinen eigenen Geldbeutel arbeitet. Unsere Franchise-Nehmer sind nicht die technisch-orientierten, sondern kaufmännisch- und kundenorientierte Leute. Denen macht es eben mehr Spaß, einen Markt zu bearbeiten als ein Motherboard um zu jumpen.

Im letzten Jahr hat PC-Spezialist "die virtuelle Distribution" eingeführt. Allerdings ziehen hier von Ihren 190 Lieferanten nur acht mit. Warum?

Roebers: Es war nicht geplant, alle 190 Lieferanten hier anzuschließen, sondern nur die, mit denen wir ein hohes Umsatzpotenzial realisieren. Mit zehn unserer Lieferanten machen wir 70 Prozent des Einkaufsvolumens. Und die hätten wir auch gerne irgendwann im Netz.

Mit wem arbeiten Sie bei der virtuellen Distribution zusammen?

Roebers: Gestartet sind wir mit IPC. Was allerdings die technische und kaufmännische Abwicklung angeht, ist das ein hochkompliziertes Geschäft, da jeder Lieferant mit einem anderen System arbeitet.

Und welche Umsatzziele hatten Sie mit diesem Geschäftsbereich?

Roebers: Im vergangenen Jahr wollten wir über die virtuelle Distribution nur zehn Millionen Mark umsetzen - es sind dann 16 Millionen geworden. Im laufenden Geschäftsjahr streben wir 70 Millionen Mark Umsatz an, was immer noch weniger als fünf Prozent unseres Nettoeinkaufsvolumens ausmacht. Langfristig, in fünf, sechs Jahren, wollen wir zwischen 20 und 30 Prozent unseres Einkaufsvolumens über die virtuelle Distribution abwickeln.

Und welche Lieferanten schweben Ihnen dafür noch vor?

Roebers: Alle Großen wie Intel, IBM, HP, Epson, Canon und natürlich die Distribution. Wir streben hier Dreiecksverträge an: Die Verhandlungen führen wir gemeinsam mit Hersteller und Distributor - der Distributor soll dann weiterhin die Logistik übernehmen. Allerdings müssten die Distis dann zu ihrer Aussage stehen, dass sie sich als Logistikdienstleister verstehen. Dann können wir langfristig und erfolgreich weiter zusammen arbeiten.

Mit welchem Wachstum für Ihr Unternehmen rechnen Sie 2001?

Roebers: 2001 planen wir einen Umsatzerlös von 49 Millionen Euro, davon werden zirka 38 Millionen aus der virtuellen Distribution kommen. Der Jahresüberschuss soll um 52 Prozent auf drei Millionen Euro steigen. Bei Microtrend wollen wir unsere Partnerzahl von 574 auf 705 Mitglieder steigern.

Und wie sieht es mit einem Engagement in anderen europäischen Ländern aus?

Roebers: Wir sind ja bereits seit einem Jahr durch die Übernahme von Computerhaus in Österreich vertreten. Aber in diesem Jahr werden wir ein weiteres europäisches Land durch unsere Anwesenheit beglücken ...

Steht schon fest welches?

Roebers: Nein. Holland, Dänemark, Schweden, Spanien oder England stehen zur Auswahl - das hängt davon ab, wo wir den ersten Franchise-Nehmer finden. Er soll dann in einer der Hauptstädte einen XL-Store von uns eröffnen. In das gleiche Gebäude kommt dann unsere Landeszentrale und dann können wir gemeinsam den Anpassungsbedarf prüfen.

Was ist für Sie die wichtigste Aufgabe 2001?

Roebers: Aufpassen, dass uns das Unternehmen nicht unter dem Hintern wegfährt. Und dass wir eine Organisation schaffen, die das Wachstum überhaupt bewältigen kann. Viele Unternehmen am Neuen Markt sind kaufmännisch nicht mitgewachsen: Sie haben akquiriert, sind gewachsen, haben teilweise ihren Umsatz um 400 Prozent gesteigert, um dann völlig die Kontrolle zu verlieren.

www.pcspezialist.de

www.microtrend.de

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