Der Markt geht auf: PDAs laufen PCs den Rang ab

20.07.2000
Kein Zweifel: Die jüngsten Entwicklungen im PDA- und Handheld-Markt bescheinigen den Mini-PCs exorbitante Steigerungsraten. Dabei sind die elektronischen Begleiter noch lange nicht auf dem Höhepunkt. Vielmehr werden mobile Internet-Zugänge und vielfältige Web-Applikationen diesen Markt jetzt erst richtig anschieben.

Abgesehen von den stromsparenden Crusoe-Prozessoren für Laptops waren schon auf der "PC Expo 2000", die Ende Juni in New York stattfand, Handheld-Devices das bestimmende Thema. Insofern verwundert es kaum, dass Palm Computing, Handspring und Sony die wohl meist genannten Unternehmen auf der in anderen Jahren vom PC dominierten Veranstaltung waren. Jeff Hawkins, Mitbegründer des Palm-Konkurrenten Handspring und gleichzeitig Vater des "Palm Pilot", ist sich sicher, dass der Boom der Personal Digital Assistants (PDAs) noch gar nicht begonnen hat. Mit dem "Visor", der sich an der "Palm-III"-Modellreihe orientiert und dessen Betriebssystem von Palm lizenziert ist, versucht sich das Unternehmen besonders im Einsteigermarkt zu etablieren. Dies ist auch eindrucksvoll gelungen, denn im US-Retail-Markt verbuchten die Handspring-Geräte im April bereits 18 Prozent der PDA-Umsätze für sich. Palm selbst schloss erneut mit einem Anteil von 71,7 Prozent. Pocket-PC- (ehemals Windows-CE-) Anbieter wie Casio (5,4 Prozent) und Hewlett-Packard (2,6 Prozent) rangierten unter ferner liefen. Die Marktforscher von NPD Intelect weisen darauf hin, dass die Visor-Geräte bisher nur bei zwei Retailern zu haben sind. "Unsere Erhebung legt nahe, dass Handspring noch stärker wäre, wenn sie eine bessere Distribution hätten", erklärt Marktforscher Sima Vasa. In Deutschland werden die Geräte ausschließlich bei Media-Markt oder direkt vertrieben.

Palm Computing bei diesem Marktanteil als "Platzhirsch" zu bezeichnen, klingt untertrieben. Die ehemalige 3Com-Tochter konnte allein im letzten Quartal weltweit 1,1 Millionen Geräte absetzen, der Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr (Ende: 31. Mai) stieg um 88 Prozent auf satte 1,058 Milliarden Dollar.

"Wir verkaufen in Europa momentan mehr als dreimal so viele Geräte wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres - dabei können wir nicht mal so viel liefern, wie vom Kanal gewünscht", sagt Markus Bregler, verantwortlich für Palm in Europa, und bekommt dabei das Grinsen kaum aus dem Gesicht.

Es ist alles gut, auf dem nicht Windows draufsteht

Palm-Chef Carl Yankowski, der seit kurzem auch den Unterhaltungselektronik-Multi Sony zu seinen Palm-OS-Schäfchen zählen kann, schießt sich derweil auf Microsoft ein. Er erklärte gegenüber der deutschen Ausgabe der "Financial Times" unmissverständlich: "Lieber versorge ich Sony mit unserem Betriebssystem, als dass sie die Software von Microsoft benutzen." Die Gründe für Yankowskis eindeutige Haltung liegen auf der Hand: Zum einen kassiert Palm sowohl von Handspring als auch von Sony Lizenzgebühren. Und zum anderen hofft Palm, dass die beiden Lizenznehmer deshalb auch in Zukunft nicht versuchen werden, mit Erzfeind Microsoft anzubändeln. Auch Bregler betont: "Mir ist doch jedes verkaufte Gerät von Handspring oder Sony lieber als ein Windows-PDA."

Sony hat unterdessen den Marktstart für einen Handheld in Japan mit dem 9. September bestätigt. In den USA soll die Einführung zum Jahresende stattfinden. In Europa wird der multimediale PDA mit Memory Stick wohl nicht vor der nächsten Cebit verfügbar sein.

Trotz gemeinsamen Betriebssys-tems sind Palm, Handspring und Sony aber kaum als gute Freunde zu bezeichnen. "Wir wissen nicht, welche Strategie bei den anderen verfolgt wird. Jeder kocht sein eigenes Süppchen", sagt Bregler. Yankowski ließ aufhorchen, als er kürzlich verkündete, dass er darüber nachdenke, Handspring die Lizenz zu entziehen: "Dann dürfen sie ein eigenes Betriebssystem entwickeln." Genau an einem solchen soll Palm bereits arbeiteten, berichtet die ComputerPartner-Schwesterzeitung "Computerwoche". In einem Interview erklärte Yankowski, dass Palm-OS gerade für einen ARM-Prozessor umgeschrieben werde. Bisher werkelt in den Flachmännern ein Prozessor von Motorola.

Zumindest eines weiß Yankowski schon jetzt ganz genau: "Für unser kommendes Betriebssystem will ich drei Dinge: Erstens Multimedia-Eigenschaften, damit wir die zunehmenden Bandbreiten nutzen können, zweitens integrierte Telefonie-Fähigkeiten, und drittens soll es weiterhin so einfach zu benutzen sein wie bisher - ’Zen of Palm’ nenne ich das." Im nächsten Jahr werde Palm mit dem neuen OS, das soweit wie möglich rückwärtskom- patibel sein soll, auf den Markt kommen. (mm/akl)

www.sony.co.jp

www.pcexpo.com

www.palm.com/europe

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