CW: Seit etwa zwei Jahren gibt es in Deutschland neben dem Bitkom auch den BITMi. Welche Motive führten zur Gründung des Verbands?
Grün: Der Mittelstand insgesamt, der mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze in Deutschland stellt, braucht eine eigene Stimme. Im Bitkom, der unbestreitbar wichtige Ziele verfolgt, haben wir diese Stimme nicht hinreichend vertreten gesehen. Das hat auch mit der Zusammensetzung des Präsidiums zu tun, in dem viele Großunternehmen vertreten sind.
CW: Fühlen Sie sich von der Politik alleine gelassen, die sich ja intensiv um große Unternehmen kümmert?
Grün: Historisch war die Politik in der Tat ausschließlich auf Großunternehmen konzentriert. Der Mittelstand kam eigentlich nur in Sonntagsreden vor. Seit es den BITMi gibt hat sich das zum Positiven verändert. Wir sind noch lange nicht da, wo wir sein wollten. Aber wir spüren schon, dass wir zunehmend wahrgenommen und auch gefragt werden. Aber da muss natürlich noch viel mehr passieren.
CW: Was denn?
Grün: Zum einen muss der Mittelstand aktiver wahrgenommen werden, vor allem was das Thema Internationalisierung betrifft. Mittelständische Unternehmen sind ja bereit, zu internationalisieren. Es gibt aber einige Rahmenbedingungen, die sich verändern müssen. Insbesondere der Zugang zu Finanzierung ist für den IT-Mittelstand ein Riesenthema und aus unserer Sicht schlicht katastrophal. Das bestätigen auch unsere Umfragen. Wir brauchen beispielsweise eine steuerliche Förderung der freien Forschung. Der Umsatz des deutschen IT-Mittelstands wird nach unserer Prognose in diesem Jahr um 2,5 Prozent wachsen. Damit hängen wir die gesamte IT-Industrie ab, sind also deutlich wachstumsstärker. Um diese Entwicklung fortführen zu können, muss sich der IT-Mittelstand internationaler ausrichten.
CW: Wie sieht es auf der Kundenseite aus? Einige Analysten und Hersteller scheinen sich nur noch um die vier großen Hype-Themen Mobility, Cloud, Social Media und Big Data zu kümmern. Welche Themen brennen mittelständischen IT-Anwenderunternehmen wirklich auf den Nägeln?
Grün: Das Thema Cloud gehört ohne Zweifel dazu. Der Markt ist heute so reif, dass die Mittelständler hier einen konkreten Nutzen erkennen. Themen wie Big Data sind aus dieser Sicht eher noch fünf Jahre weit weg. Ein anderes wichtiges Thema ist Collaboration. Hier geht es darum, die Kommunikation innerhalb und zwischen Unternehmen zu verbessern.
CW: Wo sehen Sie den größten Nachholbedarf im Bereich Business-Software?
Grün: Viele Business-Lösungen sind heute nicht wirklich Cloud-fähig. Denn dazu gehört unter anderem echte Mandantenfähigkeit. Ein Citrix-Zugang zur Anwendung reicht nicht. Die mittelständischen Lösungen müssen zudem schon in der Entwicklungsphase internationaler ausgelegt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Usability. Für Softwarehersteller entsteht hier eine enorme Herausforderung, denn der entscheidende Wettbewerbsfaktor bei Business-Anwendungen wird künftig in diesem Bereich liegen. Funktional sind die Lösungen heute fast alle bei 100 Prozent. Deshalb gibt es auch vom Bundeswirtschaftsministerium die Initiative "Usability für den Mittelstand."
CW: Noch einmal zum Thema Cloud-Software. Die Anbieter-Initiative "Cloud Services made in Germany" wird seit einiger Zeit offensiv beworben. Kommt so etwas an im deutschen Mittelstand und ist es aus Ihrer Sicht der richtige Weg?
Grün: Ich hätte mich natürlich mehr gefreut, wenn Sie in diesem Kontext unsere eigene Initiative "Software made in Germany" genannt hätten. Aber grundsätzlich lautet die Antwort ja. Wir beurteilen das sehr positiv. Denn Deutschland kann sicherlich international Stärken darstellen wie eine hohe Qualität, einen hohen Sicherheitsstandard oder die Rechtsprechung. Das gilt sowohl für die Cloud selbst als auch für die Software, die dort läuft. Unsere Kampagne "Software made in Germany" erfährt in diesem Kontext großen Zuspruch. Wir haben hier bislang mehr als 100 Lösungen zertifiziert, und zwar von Anbietern aller Größenklassen. Dazu gehören Firmen wie CAS, Docuware oder Addison ebenso wie beispielsweise auch der TVG Verlag als Tochter der Telekom.
CW: Eines der zentralen Probleme für IT-Anwender- wie Anbieterunternehmen ist der Fachkräftemangel. Der Mittelstand ist davon besonders betroffen. Wo drückt der Schuh am meisten?
Grün: Der Schuh drückt durchgängig. Fachkräfte werden eigentlich in allen Bereichen gesucht. Vor allem aber mangelt es an Schnittstellenkräften zwischen Business-Anwendung und der IT-Umsetzung. In vielen Fällen entsteht dadurch ein Umsatzverlust, gerade auch im Mittelstand. (wh)