Der P4 ist tot, es lebe der P4

12.07.2001
Mit dem Ende des Sockels 423 geht auch Intels Monopol beim Chipsatz und somit die Notwendigkeit, Rambus-Speicher zu verwenden, zu Ende. Die bekannten Chiphersteller stehen schon in den Startblöcken.

Die Erwartungen bei der Einführung des Pentium 4 waren hoch, sowohl beim Kunden als auch bei Intel. Erstere erhofften sich eine Alternative zu den AMD-Prozessoren, die bei der Performance und beim Preis-Leistungs-Verhältniss die Nase vorn hatten. Intel selber wollte das gute alte "Intel Inside"-Gefühl bei den Entscheidungsträgern der Großkunden reaktivieren. Doch leider kam es anders, als die Intel-Gewaltigen es sich vorgestellt hatten.

Vorab: Der P4 ist kein schlechter Prozessor. Doch in der bis heute ausgelieferten Version hat er eine ähnliche Funktion wie dereinst der Pentium II MMX. Er ist eine Testplattform, um die letzten Unebenheiten auszubügeln. Das macht aber alle bisherigen Käufer zu Beta-Testern.

Schon bei der Auslieferung der ers- ten 1,3-GHz-P4-Systeme verwies Intels Roadmap auf einen Nachfolger. Das wäre wenig bemerkenswert, käme der nicht mit einem anderen Sockel einher, der die Aufrüstbarkeit aktueller Rechnersysteme ad absurdum führt. Die vierte Auflage des Pentium mit derzeit 423 Pins wird es nur bis maximal 2,0 GHz geben. Selbst im günstigsten Fall rechtfertigt der Leistungsgewinn durch zusätzliche 700 MHz die notwendige Investition nicht. Damit kann von Investitionssicherheit keine Rede sein.

Doch auch den Kunden, die bei Intel noch immer die größere Kompetenz im CPU-Bau sehen und mit der gebotenen Leistung zufrieden sind, gab der Marktführer einige Kröten zu schlucken. Per Vertrag noch immer an Rambus gekettet, unterstützt der hauseigene Chipsatz i850 ausschließlich RDRAM. Was dereinst antrat, die Speichertechnik zu revolutionieren, hat bis heute lediglich durch übertriebene Preise auf sich aufmerksam gemacht.

Zu allem Überfluss legte Intel den Chipsatz als Dual-Channel-System aus, wodurch die Systeme zwingend mit zwei oder vier Speichermodulen betrieben werden müssen. Der Leistungszuwachs dieser Architektur wird also um den Preis der einfachen und halbwegs bezahlbaren Speicheraufrüstung realisiert.

In puncto Boards gibt#s keine Auswahl

Zudem gibt es im Grunde keine Auswahl, was die Mainboards angeht. Zwar haben alle namhaften Anbieter P4-Boards im Programm, doch basieren diese sämtlich auf Intels i850-Chipsatz. Man konnte sich nicht durchringen, frühzeitig Lizenzen an die anderen Chipsatzhersteller zu vergeben, um Rambus als einzige unterstützte Speicherplattform nicht zu untermi- nieren. Das Ergebnis ist eine Palette dem Referenzdesign zum Verwechseln ähnlicher Mainboards. Die Kaufentscheidung fällt nicht auf Grund von Performance oder Stabilität, sondern allein auf Grund des Preises.

Nur wenige Hersteller haben sich die Mühe gemacht, zusätzliche Funktionen zu integrieren. So bietet das GA-8TX von Gigabyte ein zweites Bios für den Fall eines missglückten Bios-Updates, und das neue Elitegroup-Board P4-ITA kommt mit einer Firewire-Schnittstelle und Voice-Debugging, einer "gesprochenen" POST (Power On Self Test)-Code-Ausgabe, daher. Die Folge ist, dass der Kunde den P4 von der Stange kauft, was bei Systemen, die auf Leistung ausgelegt sein sollten, noch nie eine gute Wahl war.

Und auch hier konnte Intels Flaggschiff nicht überzeugen. Zwar deutlich schneller als ein Pentium III, musste man sich doch allzu oft den Spitzenmodellen von AMD geschlagen geben, die zu allem Überfluss auch noch preiswertere Sys-teme ermöglichten.

Die Lösung dieses Dilemmas soll eine Doppelstrategie bringen. Zum einen dreht man bei Intel an der GHz-Spirale, um durch einen Vorsprung bei der Prozessortaktung auch Leistungsmäßig vor den Thunderbirds zu liegen. Zum anderen soll ein neuer Chipsatz preisgünstigere P4-Systeme ermöglichen. Mit dem i845 (Brookdale) wird es erstmals auch möglich sein, SDRAM als Arbeitsspeicher zu verwenden.

Der nächste Flop steht schon vor der Tür

Während der neue P4 mit Sockel 478 das Potenzial für Taktungen weit jenseits der 2 GHz mitbringt und somit in der Leistungs-Oberliga für reichlich frischen Wind sorgen wird, steht mit dem i845 der nächste Flop vor der Tür.

Zunächst einmal beschränkt sich Intel beim Brookdale-I nur auf die Unterstützung von Single-DataRate-RAM. Die Option für schnellere DDR-Speicher wird es erst im Laufe des nächsten Jahres geben. Zudem werden beide Versionen nur mit synchronem Speichertakt arbeiten. Damit kommen aber nur PC100- und später PC1600-DRAMs in Frage. Der Kundenkreis für derartige "Boliden" dürfte ziemlich klein sein. Schon bei aktuellen Athlon- und Pentium-III-Rechnern spielen die beiden Speichertypen keine Rolle mehr.

Also liegen alle Hoffnungen auf den bekannten Zulieferern. Ali und auch der Grafikspezialist ATI verfügen nach eigener Aussage über Lizenzen zur Entwicklung und zum Vertrieb von DDR-fähigen P4-Chipsätzen. Die Nummer eins auf dem Chipsatzmarkt VIA Technologies dagegen glaubt, durch die im Zuge des Kaufs der Grafikschmiede S3 erworbenen Lizenzen dazu berechtigt zu sein. Intel selber sieht das allerdings anders. Gerüchten zufolge sollen diese Lizenzen lediglich die Entwicklung, nicht aber den Vertrieb von Chipsätzen gestatten.

Dennoch wird VIA wohl das erste Unternehmen sein, das mit seinem P4x266 einen SDRAM-Chipsatz anbietet, der auch DDR-Module unterstützt. Als Termin für erste Produkte wird der August gehandelt. Wen Chi Chen, der rührige und bibelfeste Präsident von VIA, sieht einer möglichen juristischen Auseinandersetzung jedenfalls ge- lassen entgegen. Schon beim Pentium III ist man diesen Weg gegangen und schlussendlich Marktführer für P-III-Chipsätze geworden. Ali und ATI werden sich aller Voraussicht nach an den Intel-Fahrplan halten und zumindest dem Brookdale-I den Vortritt lassen.Damit steht für die Sockel-478-Variante des P4 den Board-Herstellern also ein Quartett auch technisch unterschiedlicher Chipsätze bereit. VIA wird seinen V-Link zwischen North- und Southbridge nutzen, und zumindest Ali setzt auf Hyper-Transport als Kommunikationstechnologie. Hier liegt für den Konkurrenten AMD auch die größte Gefahr. Die geballte Ingenieurleistung von vier der fünf wichtigsten Chipsatzschmieden verspricht zumindest einen, wenn nicht gar mehrere leistungsstarke Lösungen. Zudem ermöglicht zumindest der P4x266 von VIA preiswertere Mainboards. Er erlaubt Platinen in 4-Layer-Technik anstelle der bisher notwendigen sechsschichtigen Motherboards für den i850. Damit wären die beiden größten Handicaps des P4s beseitigt, und er könnte sein wahres Potenzial ausspielen.

ComputerPartner-Meinung:

Es wird Herbst werden, bis die Welt den ersten wirklichen P4 erblickt. Dann allerdings trägt er die neue Versionsnummer zurecht. Dass dies nicht Intels Schuld sein wird und dass der Kunde bis dahin mit zweitklassigen P4-Rechnern die Zeche zahlen muss, wirft kein gutes Licht auf den Marktführer. Treue Fans verzeihen es vorübergehend, Zweiter zu sein, solange ein eindrucksvolles Comeback folgt. Vergraulte Fans könnten sich langfristig nach einem anderen Verein umsehen. Bei ihnen hat sich Intel Sympathien verspielt. (tm)

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