Der Schritt aufs Parkett verlangt eine sorgfältige Planung

26.11.1998

MÜNCHEN: Ein Unternehmen spaziert nicht so nebenbei aufs Parkett. In der Praxis erfordert der Gang an die Börse ein ordentliches Stück Arbeit. Wie eine professionelle Vorbereitung für ein Going Public aussieht, stellen Rainer Mauer und Konrad Bösl von der Münchner Unternehmensberatung Wieselhuber & Partner GmbH dar.Nur durch eine umfassende und weitsichtige Vorbereitung des Börsengangs kann ein Unternehmen Zeit, Kosten und Konflikte sparen. Der Prozeß der Börseneinführung weist starken Projektcharakter auf. Es liegt daher nahe, und die Erfahrung bestätigt es, daß einem kompetenten Projektmanagement große Bedeutung für den Erfolg der Börseneinführung zukommt. Dessen Kernaufgaben umfassen die Unterstützung und Beratung der Unternehmensleitung in allen Phasen des Going Public sowie die Koordination der Aktivitäten.

Ein Going Public hat für ein Unternehmen eine hohe Außenwirkung, ist kaum umkehrbar und stark vermögensbeeinflussend. Deshalb ist der erfolgreiche Verlauf der Börseneinführung von großer Bedeutung. Mit dem Börsengang wird ein Unternehmen nicht nur gesellschafts- und steuerrechtlich sowie betriebswirtschaftlich-organisatorisch neugestaltet.

Mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar entscheidend, ist die Meinungsbildung im Eigentümerkreis. Hier gilt es in erster Linie, weitreichende Informationsdefizite zu beseitigen. Außerdem sind die unterschiedlichen Ziele, die einerseits die Alteigentümer, andererseits das Unternehmen verfolgen, transparent zu machen.

Ziele Transparent machen

Nicht selten werden bei den unterschiedlichen Zielen Interessenskollisionen sichtbar. Auch passiert es, daß Unternehmen zwar die formalen und gesetzlichen Voraussetzungen für einen Börsengang erfüllen. Die innere Börsenreife des Unternehmens und seine Wettbewerbsposition als auch die zukünftigen Markt- und Branchenperspektiven sind für ein Going Public zum aktuellen Zeitpunkt jedoch nicht tragfähig. Vielmehr muß das Unternehmen erst börsenfit gemacht werden.

Diese Punkte sollten mit einem insbesondere in Familiengesellschaften erfahrenen externen Berater geklärt werden. Bereits zu diesem Zeitpunkt mit Banken über einen möglichen Börsengang zu reden, ist erfahrungsgemäß nicht sehr sinnvoll. Grund: Die vielfältigen, noch nicht definitiv entschiedenen Zielvorstellungen und ein möglicher Dissens im Gesellschafterkreis werden noch nicht transparent genug.

Informationen über eine mangelnde innere Börsenreife könnten trotz durchaus wettbewerbsfähiger Ertrags- und Renditezahlen höchst negative Auswirkungen haben. Das gilt vor allem mit Blick auf eine kreditgebende oder auf die möglicherweise spätere Emissionsbank.

Auch beim Börsengang gilt das Motto: "Nachdenken ist durch nichts zu ersetzen, außer durch Vordenken." Die Tragweite eines Börsengangs für Gesellschafter und Unternehmen erfordert mehr als nur einen juristischen und betriebswirtschaftlichen Check. Es geht um das eigene Unternehmen, das möglicherweise auch noch den eigenen Namen trägt.

Börseneinführung als Projekt begreifen

Der Prozeß der Börseneinführung läßt sich durchaus mit einem Projekt vergleichen:

- Der Gang an die Börse stellt ein einmaliges und zeitlich begrenztes Vorhaben im Leben eines Unternehmens dar.

- Im Rahmen des Going Public sind komplexe und vielschichtige Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben zu bewältigen. Insbesondere ist eine Reihe externer Spezialisten unterschiedlicher Fachgebiete in den verschiedenen Phasen der Börseneinführung zu integrieren: Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, PR-Experten, Bankenvertreter.

Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, den gesamten Prozeß der Börseneinführung frühzeitig einem versierten Projektmanagement zu übertragen. Die Zusammensetzung des Projektteams muß in jeder Phase des Going Public eine kompetente Beratung in unternehmerischen, steuerlichen und rechtlichen Fragen gewährleisten.

Die Projektleitung sollte einem mit allen Facetten des Börsengangs vertrauten Projektmanager übertragen werden. Bei der Wahl sollte vor allem auf seine Neutralität und Unabhängigkeit geachtet werden. Mit anderen Worten: Es muß gewährleistet sein, daß der Projektmanager ausschließlich die Interessen der Eigentümer und des Unternehmens vertritt.

Analyse und Dokumentation der Bürsenreife

Eine Kernaufgabe im Rahmen des Projektmanagements ist es, ein Unternehmen systematisch auf den Börsengang vorzubereiten. Hierzu gehört vor allem die Analyse und Dokumentation der Börsenreife. Deren Beurteilung hat sich an den von Marktusancen und Emissionsbanken üblicherweise gestellten Anforderungen zu orientieren.

Relativ einfach und schnell läßt sich feststellen, ob die formalen Kriterien erfüllt sind. Das Unternehmen muß beispielsweise mindestens drei Jahre alt sein, und alle betriebsnotwendigen Aktiva sind in das Unternehmen einzubringen. Eine eventuell noch erforderliche Umwandlung in die Rechtsform der Aktiengesellschaft sollte erst nach der endgültigen Entscheidung für den Börsengang erfolgen.

Im Gegensatz zu den formalen Kriterien ist die Beurteilung der zukünftigen Unternehmensentwicklung und der inneren Börsenreife, zum Beispiel der Qualität des Steuerungsinstrumentariums, umfassend zu analysieren. Dieser Aufwand lohnt sich allemal - selbst dann, wenn der Schritt an die Börse nicht sofort vollzogen wird.

Die Analyseergebnisse der Börsenreife haben stets einen hohen Nutzen für die Verbesserung der strategischen und operativen Unternehmensführung. Darüber hinaus geben sie Aufschluß, wie sich Wettbewerbsfähigkeit, Ertragskraft und der Unternehmenswert steigern lassen.

Entscheidend ist der Emissionspreis

Die Dokumentation der Börsenreife stellt in erster Linie ein Qualitätszeugnis dar. Vor allem soll es sich für den Kandidaten letztendlich im Emissionspreis ausbezahlen. Je positiver die Unternehmensentwicklung beurteilt wird, je besser die im Wettbewerb erforderlichen Erfolgsfaktoren erfüllt werden und je mehr die internen Strukturen und Steuerungsinstrumente auf eine erfolgreiche Gestaltung des Wettbewerbs schließen lassen, um so höher kann der Emissionspreis angesetzt werden.

Um das Standing im Markt abzusichern und Haftungsrisiken zu vermeiden, wird der Börsenreife vor allem von den Emissionsbanken große Bedeutung beigemessen. Je besser die Anforderungen erfüllt werden, um so attraktiver ist ein Börsenkandidat, und um so größer ist das Interesse der Emissionsbanken.

Durch die Unabhängigkeit des Projektmanagers ist sichergestellt, daß sich eventuelle Schwächen bei der inneren Börsenreife beheben lassen, ohne daß sich dies negativ auf das Emissionsstanding des Unternehmens auswirkt.

Erarbeitung des Emissionskonzepts

Gemeinsam mit den Eigentümern und unter Berücksichtigung der Unternehmenssituation ist vom Projektmanagement das Emissionskonzept einschließlich der Zeitplanung für die weiteren Schritte zu erarbeiten. Dabei ist es die Aufgabe des Projektmanagers, über die Alternativen und Besonderheiten zu informieren sowie Vor- und Nachteile objektiv darzustellen.

In dieser Phase ist insbesondere zu klären, in welchem Maße die Eigentümer zukünftig Einfluß auf das Unternehmen ausüben möchten. Davon wiederum hängt die Wahl der Aktiengattung und ihrer Ausgestaltung sowie die Höhe des an der Börse zu plazierenden Aktienvolumens ab. Weitere wichtige Punkte des Emissionskonzepts sind:

- Börsenplatz

- Marktsegment

- Nennwert der Aktie

- Verwendung der zufließenden Mittel

Zu klären ist auch, welche Art der Emissionspreisfindung - Festpreis- oder Bookbuilding-Verfahren - von den Eigentümern präferiert wird.

Auf die richtige Emissionsbank kommt es an

Mit dem Abschluß der Vorbereitung des Unternehmens auf den Börsengang ist auch der Zeitpunkt für die Auswahl der Emissionsbank gekommen. Dies sollte im Rahmen einer Wettbewerbspräsentation erfolgen. Eine gezielte Vorbereitung ist entscheidend für den erfolgreichen Verlauf der Präsentationen. Hierzu ist ein Bankenexposé zu erstellen, das neben den Eckpunkten des Emissionskonzepts die Dokumentation und Würdigung der Börsenreife des Unternehmens enthält. Außerdem empfiehlt es sich, das Unternehmen den Banken vor Ort persönlich vorzustellen.

Die Banken haben in ihrer Präsentation über die Emissionsstrategie, die Emissionsleistungen und -kosten sowie über den Emissionskurs zu informieren. Die Erfahrung zeigt, daß die Spannbreite der Bankangebote bei den Emissionsleistungen und dem gebotenen Emissionskurs erheblich ist.

Ein erfahrenes Projektmanagement stärkt dabei die Position des Börsenkandidaten erheblich. Es trägt wesentlich zur Objektivierung von Entscheidungen und zu einem fairen Interessenausgleich bei der Emissionspreisfindung bei.

Nicht zuletzt kommt auch der Auswahl der PR-Agentur große Bedeutung zu. Ein hervorragendes Publizitätskonzept spielt beim Aufbau des Emissionsstandings eine entscheidende Rolle. Die PR-Strategie sollte Kreativität und Qualität beweisen.

Genauso wichtig ist ein gezieltes Medien- und Pressetraining der Unternehmensführung. Die einzelnen Kommunikationsmaßnahmen sind aufeinander abzustimmen. Auswahlkriterien sind die Erfahrung der Agentur mit der Finanz- und Imagewerbung im Rahmen eines Going Public, die Kreativität der vorgeschlagenen PR-Strategie und die veranschlagten Publizitätskosten. In der Praxis ist immer wieder zu beobachten, daß der Prozeß der Börseneinführung eines Unternehmens als "unorganisiertes" Projekt abgewickelt wird. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß ein kompetentes Projektmanagement entscheidend für ein erfolgreiches Going Public ist. Nur so lassen sich Ressourcen effizient einsetzen.

(In den nächsten Ausgaben von ComputerPartner erscheinen weitere Beiträge zu den Themen Börsenreife, Emissionskonzept und Going Public.)

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