Der Vertragsgegenstand

15.06.2000
Folgender Fall ist typisch: Der Vertrag ist noch nicht unterschrieben. Vor allem ist noch nicht klar, was die EDV-Anlage alles können sollte. Auf beiden Seiten drängen aber die Entscheider auf den baldigen Beginn des Projekts. Daher fangen beide Parteien schon einmal mit ersten Installationsarbeiten an. Wie wichtig jedoch ein exakt festgelegter Vertragsgegenstand ist, weiß Volker Siegel.

Der Vertragsgegenstand ist der zentrale Bereich eines Projektvertrags. Wie wir bereits im vorherigen Artikel gesehen haben (siehe ComputerPartner 8/00, Seite 38), legt er nicht zuletzt maßgeblich fest, nach welcher Vertragsart der Vertrag geregelt wird (in der Regel Dienst- oder Werkvertragsrecht).

Zum Teil wird der Vertragsgegenstand auch direkt aus dem Pflichtenheft entnommen. Das ist dann möglich, wenn zwischen der Erstellung des Pflichtenheftes und der Auftragsvergabe eine Zäsur ist, oder wenn von vornherein das Pflichtenheft auf den Vertragsgegenstand hin entwickelt wurde und gewollt war. Dann muss das Pflichtenheft vor allem über die technische Beschreibung hinausgehen und die Vertragsziele zumindest grob umfassen.

Wenn nämlich zum Beispiel nicht präzise festgelegt ist, welchen Umfang die EDV-Anlage haben soll, dann ist auch nicht präzise beschrieben, wann die Abnahme erklärt werden kann und wann das Werk errichtet ist. Im Werkvertrag steht der Vergütungsanspruch in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vergütung: Die Vergütung wird für den im Vertragsgegenstand festgelegten Umfang bezahlt. Das bedeutet, dass der Werk-ersteller, in der Regel der Entwickler oder das Software-Haus, nur diejenigen Leistungen erbringen muss, die auch tatsächlich gefordert waren.

Vertragsgegenstand legt den Inhalt des Vertrags fest

Problematisch ist bei der Festlegung des Vertragsgegenstandes auch, dass dieser sowohl von Kaufleuten als auch von Technikern und teilweise der Rechtsabteilung oder externen Anwälten festgelegt wird und daher die Gefahr besteht, dass bestimmte Vertragsbestandteile vergessen werden, weil hier die Techniker dachten, die Kaufleute würden das mitberücksichtigen und umgekehrt. Ein weiterer Grund liegt häufig darin, dass Techniker, Kaufleute und Juristen eine teilweise unterschiedliche Vorstellung von Präzision und präziser Beschreibung haben.

Da bei EDV-Projekten Änderungen des Vertragsgegenstandes typischer Bestandteil des Geschäfts sind, ändern Vertragsänderungen diese unpräzisen Regelungen zum Teil erheblich. Der Servicegedanke wird von einigen Lieferanten so groß geschrieben, dass auch wirtschaftlich umfangreiche Arbeiten kostenlos übernommen werden, weil sie mit dem ursprünglichen Vertrag zusammenhängen. Das kann aber insgesamt erhebliche Nachteile haben:

-Die Höhe der Aufwendungen für die freiwilligen Nachbesserungsarbeiten lässt sich am Anfang nicht abschätzen.

-Knapp kalkulierte Projekte werden notleidend.

-Die Gewährleistungsfrist läuft nicht an.

-Der Umfang der Gewährleis-tungs- und Haftungsansprüche nimmt zu und kann nicht immer überblickt werden.

Vertragsänderungen können eine Chance darstellen

Gegen diese Folgen kann sich der Anbieter nur dann wirksam schützen, wenn Art und Umfang des Werks nicht nur technisch, sondern auch kaufmännisch und juris-tisch präzise formuliert wurden. Dann kann das Software-Haus auch gegenüber dem Auftraggeber eine entsprechende Extravergütung verlangen. Der Servicegedanke muss dabei nicht auf der Strecke bleiben: Wenn das Software-Haus klarstellt, dass es selbstverständlich gerne bereit ist, innerhalb kurzer Zeit die gewünschten Änderungen vorzunehmen, aber gleichzeitig deutlich macht, dass erhebliche Extrakos-ten getragen werden müssen, die nicht das Software-Haus verursacht hat, ist der Kunde in der Regel bereit, diese auch zu tragen. Im Baugeschäft machen diese Extravergütungen inzwischen einen nicht unerheblichen Teil der Gesamteinnahmen aus, im IT-Sektor scheuen sich viele Projektleiter immer noch, diese - eigentlich selbstverständlichen - Forderungen zu stellen.

Detaillierte AGB zum Vertragsgegenstand finden sich nur äußerst selten in den AGB der Projektgeschäfte, weil in der Regel jedes Projekt seine Besonderheiten hat. Daher ist es auch nicht möglich, diese standardmäßig zu erfassen. Dennoch ist in den AGB ein Hinweis auf den Vertragsgegenstand nicht verkehrt, weil er den Verwender selbst nochmals auf die hohe Relevanz des Vertragsgegenstands hinweist. Außerdem kann er dann wie eine Checkliste funktionieren: Die Klausel enthält einfach diejenigen wesentlichen Punkte, über die noch zu verhandeln ist, und die gleichzeitig den Umfang der Arbeiten und das Vertragsziel definieren.

Eine Formulierung könnte lauten: "Der Auftragnehmer wird für den Auftraggeber lauffähige EDV-Anlagen und ähnliche Werke herstellen. Die dabei vom Unternehmer zu erbringenden Leistungen und das Werkergebnis werden in einem gesonderten Einzelvertrag beschrieben. Dieser Einzelvertrag enthält zumindest folgende Punkte:

-zu erreichende Vertragsziele

-Leistungsumfang und Spezifikation

-Vergütung."

Anschließend kommen dann noch weitere Punkte wie zum Beispiel Zeitplan, Umfang der Arbeiten, Repräsentanten, Test- und Abnahmevereinbarungen.

Ergebnis

Der Vertragsgegenstand ist das Kernstück des Projektvertrags. Er sollte mit größtmöglicher Sorgfalt formuliert werden. Sowohl Techniker als auch Kaufleute und eventuell Juristen sollten ihn gemeinsam festlegen. AGB können als Check-liste dienen.

E-Mail: v.f.siegel@gmx.de.

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