Die Hersteller sollen herstellen, und der Handel soll handeln

26.11.1998

Was Microsoft-Manager Joachim Kempin auf dem Fujitsu-Symposion am 16. November im Frankfurter Kongreßzentrum den Zuhörern zu sagen hatte, war für alle eine Überraschung. Während nämlich Fujitsu die Fahne des indirekten Vertriebs ganz weit aus dem Fenster hängt, stellte Kempin in seinem Vortrag über die "Trends in der PC-Industrie" die These auf: "Es gibt einen klaren Trend zum Direktvertrieb."Kempin hatte einige Schaubilder mitgebracht, die dazu dienen sollten, seine Ausgangsthese zu belegen. Die wesentlichen Aussagen in Kürze: In den Jahren 1994 bis 1997 haben die weltweit 80.000 bis 100.000 Kleinassemblierer mit einem Ausstoß von bis zu 10.000 PCs im Jahr ihren Marktanteil von 20 auf 26 Prozent ausweiten könne. Ebenfalls ihre Marktposition verbessern konnten die großen Hersteller (Absatz größer eine Million Stück pro Jahr), die ihre Produkte direkt zum Endkunden bringen. Die Verlierer sind nach der Darstellung Kempins die großen Hersteller mit indirekter Vertriebsstrategie (ihr Marktanteil verringerte sich von 49,9 auf 48,2 Prozent) sowie vor allem die mittleren Hersteller (bis eine Million Stück pro Jahr).

Eine Erklärung für diese Entwicklung hat Kempin auch mitgebracht. Erfolg hat ein Unternehmen gleich welcher Branche nur, wenn es eine deutlich erkennbare Stärke hat. Das können sein

1. eine sehr enge Kundenbeziehung (Beispiel Architekt),

2. effiziente Betriebsabläufe mit entsprechend preisgünstigem Warenangebot (Beispiel Aldi),

3. eine sehr starke Marke (Beispiel Mercedes-Benz).

Hersteller, die in die dritte Kategorie fallen, gibt es in der PC-Industrie nur in Ansätzen. Die kleinen Assemblierer fallen in die erste Kategorie. Fast alle mittleren und großen Hersteller "krabbeln" (Kempin) in der zweiten Kategorie, doch nur wenige tun hier einen guten Job. Die Schlußfolgerung, die Kempin aus dieser Beobachtung zieht: Die PC-Hersteller müssen näher zum Kunden. O-Ton: "Wenn die Hersteller nicht dicht genug beim Kunden sind, haben sie einen Nachteil." Bis hierher kann man Kempin ja noch folgen. Aber der Microsoft-Manager schießt weit übers Ziel hinaus, wenn er daraus den Schluß zieht, die Hersteller müßten den Direktvertrieb forcieren. Erstens ist nämlich ein direktes Vertriebsmodell nicht kosteneffizienter als ein indirekter Vertrieb. Zweitens sind die Hersteller überhaupt nicht in der Lage, die Aufgaben ihrer Handelspartner zu übernehmen. Sie schaffen es ja heute nicht einmal, die Lieferbeziehung zu ihren Handelspartnern reibungslos zu gestalten. Wenn die Hersteller die Rolle der Vertriebspartner übernehmen wollten, müßten sie enorme interne Kapazitäten aufbauen, was nicht nur finanziell, sondern auch personell und organisatorisch unmöglich ist.

Die Industrie tut gut daran, sich auf ihre ureigene Aufgabe zu konzentrieren: auf die Produktion. Hier sind die meisten Hersteller so weit von der Perfektion entfernt wie in der Fußballbundesliga Borussia Mönchengladbach von der Tabellenspitze. Wenn man sich von Dell etwas abschauen möchte, dann auf diesem Gebiet. Der Grundsatz bleibt: Die Hersteller sollen herstellen, und der Handel soll handeln.

Damian Sicking

dsicking@computerpartner.de

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