Die Rückkehr des verlorenen Sohnes - ein wahres Softwaremärchen

05.08.1998

SAN DIEGO/DRESDEN: Die Sachsen haben etwas zu feiern. Peter Eichhorst, seines Zeichens geboren in einem kleinen sächsischen Dorf namens Mühlberg, zog vor etlichen Jahren aus, in Amerika sein Glück zu suchen. Heute, nach zwei Firmengründungen und 25 erfolgreichen Jahren in der neuen Welt, kehrt der frischgebackene Vorstand der Softwarefirma Paravisio nach Sachsen, genauer gesagt nach Dresden, zurück. Mit im Gepäck: eine Firma, ein Konzept, ein Produkt und 170 Arbeitsplätze.Eigentlich wollte ich mit Software nichts mehr zu tun haben", beginnt Peter Eichhorst. "Zwei Firmengründungen innerhalb von 20 Jahren, das sollte reichen. Doch die Entwicklung im Workflow-Markt hat mich gereizt. Da wollte ich dabei- sein", ergänzt er.

"Bis zum Jahr 2000 wird dieses Segment ein Volumen von gut fünf Milliarden Mark haben schätzt Eichhorst. "Das kommt einem jährlichen Wachstum von rund 50 Prozent gleich." Im Februar dieses Jahres ist aus dieser Prognose heraus die Firma Paravisio AG entstanden. Themenbereich: Workflow - die Organisation und Optimierung von Geschäftsabläufen. Mit seinem Produkt "Smart Flow 98" will Eichhorst die vielen kleinen Firmen erreichen, die ihre Geschäftsvorgänge zwar automatisieren wollen, für die Workflow aber erst einmal nur ein abstrakter Begriff ist. "Wir wollen mit Smart Flow die breite Masse erreichen. Dementsprechend haben wir auch unsere Preise kalkuliert. Die Software kostet für fünf Clients weniger als 1.000 Mark."

Damit das Konzept aufgeht, hat sich Eichhorst zwei große Partner geholt: Computer 2000 und den Softwareriesen Microsoft. Disti C2000 wird den Vertrieb exklusiv übernehmen. Werner Hollik, Vertriebsleiter von Computer 2000: "Wir suchen immer wieder Produkte, die für unsere Fachhandelspartner attraktiv sind. Es ist ungewöhnlich, ein Produkt in einem so frühen Stadium, gleich nach der Markteinführung, zu übernehmen. Aber der Ansatz von Peter Eichhorst, Workflow als Massenprodukt zu etablieren, ist interessant." Computer 2000 will Smart Flow in 22 Ländern auf den Markt bringen. Dazu sollen mindestens 1.000 Fachhandelspartner allein in Deutschland für dieses Produkt geschult werden. Eichhorst betont: "Smart Flow selbst ist einfach zu handhaben, doch die Optimierung der individuellen Geschäftsvorgänge ist beratungsintensiv. Dazu braucht man geschulte Leute vor Ort."

Damit die Einarbeitungszeit in die Software so gering wie möglich ist, hat Eichhorst seine Software in die Struktur von Outlook auf der Client- und in Exchange auf der Serverseite eingebunden. "Die meisten arbeiten bereits mit Microsoft-Produkten. Nach der Installation merkt der Anwender gar nicht mehr, daß Smart Flow am Werk ist. Er meint, er arbeitet mit Outlook", so Eichhorst. Diese Art der Partnerschaft scheint auch Microsoft zu gefallen. Der Softwarebolide legt ein ungewohntes Engagement bei Paravisio an den Tag. Unter anderem soll noch in diesem Frühjahr eine Roadshow unter der Flagge von Microsoft starten. Spätestens dann erwartet das Dreigestirn Paravisio/

C2000/Microsoft die ersten Aufträge seitens der Fachhandelspartner.

Daß Eichhorst für den Standort seiner dritten Firma gerade Dresden gewählt hat, liegt sicher an seiner Biographie. "Bei den ersten beiden Firmen lag der Hauptsitz immer in San Diego, und wir gründeten Niederlassungen in Europa. Diesmal will ich das Ganze andersherum machen." Schön für Sachsen, denn Eichhorst will bis zum Ende des Jahres 2000 ein Team von gut 170 Mitarbeitern zusammenstellen. Ganz nach dem Motto: Nur ein zufriedener Mitarbeiter ist ein guter Mitarbeiter, führt er sein Team nach dem Beteiligungsprinzip. Der Firmengründer selbst besitzt derzeit 90 Prozent der Firma. Entwicklungschef Mike Caldwell hat zehn Prozent inne. Weitere zehn bis 20 Prozent sollen in nächster Zeit auf die Mitarbeiter übergehen.

Kein Grund für die Standortentscheidung seien die Fördergelder, die laut Kajo Schommer, dem sächsischen Minister für Wirtschaft, "demnächst in angemessenem Rahmen positiv beschieden werden". Über die genaue Höhe wollten sich weder der Minister noch Eichhorst auslassen.

Paravisio wurde im Februar gleich als AG gegründet. Spätestens in zwei Jahren will Eichhorst mit Paravisio an die Börse gehen. Als Stammkapital wurden 100.000 Mark eingebracht. Für dieses Jahr sind rund sechs Millionen Mark Umsatz geplant. Im nächsten Jahr sollen schon 30 Millionen umgesetzt werden. Damit dieses Ziel Realität wird, will Eichhorst rund vier Millionen Mark in die Firma stecken.

Von Dresden aus werden in Zukunft alle Fäden der Paravisio gezogen. Sowohl die weltweite Vermarktung als auch die Entwicklung der Workflow- gesteuerten Anwendungen geschieht von Sachsen aus. München, die bislang einzige Niederlassung, kümmert sich in erster Linie um Support. Die Entwicklung der Basistechnologie bleibt als einziger Bereich in San Diego angesiedelt. Wie auch immer dieses Softwaremärchen ausgehen mag, in jedem Fall die Gründung der dritten Eichhorst-Firma Paravisio dürfte für Dresden einige Arbeitsplätze bedeuten und für die IT-Branche hoffentlich einen Schub in Richtung praxisnahes Workflow. (gn)

Werner Hollik, Vertriebsdirektor Computer 2000, will bundesweit mindestens 1.000 Fachhandelspartner auf Paravisio schulen.

Smart Flow 98 setzt auf Outlook und Exchange auf und soll Workflow zum Massenprodukt machen.

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