Die Stunde des "Mietermarktes" nutzen

26.11.1998

BERLIN: Der Mieter ist König. Das zumindest gilt schon seit geraumer Zeit für den gewerblichen Wohnungsmarkt, auf dem Interessenten mehr denn je auf individuell gestrickte Mietverträge zu mieterfreundlichen Konditionen pochen können. Niko Härting* faßt wichtige Aspekte und interessante Spitzfindigkeiten des deutschen Gewerbemietrechts zusammen.Sehr zum Leidwesen der Vermieter hat sich der Immobilienmarkt in den letzten Jahren grundlegend verändert. Tausende Quadratmeter leerstehender Gewerberäume und fallende Mietpreise sind allerorts Realität. Immobilienmakler und Hausverwaltungen klagen über unentschlossene Interessenten. Und trotz zahlreicher Besichtigungen und intensiver Vertragsgespräche kommt es in vielen Fällen nicht zum Abschluß eines Mietvertrags, weil der Mieter in letzter Minute ein noch günstigeres Angebot findet.

Mieter sind gut beraten, sich den derzeitigen "Mietermarkt" zunutze zu machen. Anders als noch vor wenigen Jahren lohnt es sich, beim Abschluß von Mietverträgen hart zu verhandeln. In den allermeisten Fällen sind Vermieter bereit, dem Mieter bei der Ausgestaltung des Vertrags entgegenzukommen.

Wer Büro- oder Ladenräume anmietet, sollte sich zunächst einmal über die rechtlichen Unterschiede zwischen gewerblich genutzten Räumen und privaten Mietverhältnissen bewußt sein. Letztere werden durch zahlreiche Mieterschutzgesetze und eine überaus mieterfreundliche Rechtsprechung charakterisiert.

Beim gewerblichen Mietrecht stehen sich dagegen - jedenfalls nach der Vorstellung des Gesetzgebers - gleichberechtigte Partner gegenüber. Es gilt daher weitgehende Vertragsfreiheit. Schließt der Gewerberaummieter einen für ihn ungünstigen Vertrag, so kann er sich - anders als der Wohnungsmieter - nicht auf gesetzliche Schutzvorschriften berufen, wenn der Vermieter später seine Rechte aus dem Mietvertrag geltend macht.

Büromieten sind reine Verhandlungssache

Die fast schrankenlose Vertragsfreiheit betrifft zunächst einmal die Miethöhe. Das Miethöhegesetz, das den Vermieter von Wohnraum an Vergleichsmieten und lokale Mietspiegel bindet, gilt für Gewerberaummieten nicht. Die Höhe der Miete ist bei Läden und Büroräumen reine Verhandlungssache.

Wer Büroflächen für 30 Mark pro Quadratmeter anmietet und später feststellt, daß eine Etage höher identisch ausgestattete Räume zum halben Preis vermietet werden, ist nicht berechtigt, vom Vermieter Gleichbehandlung zu verlangen; er wird die hohe Miete schlicht und einfach zahlen müssen.

Bei Verhandlungen über einen Gewerberaummietvertrag ist zu berücksichtigen, daß sich die Miete in der Regel aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt. Neben dem monatlichen Mietzins wird eine "zweite Miete" für monatliche Nebenkostenvorauszahlungen vereinbart.

Anders als bei Privatvermietungen finden sich im Mietrecht für gewerblich genutzte Räume keine Bestimmungen, welche Nebenkosten der Vermieter auf den Mieter umlegen darf. Mieter sollten deshalb bei vorgefertigen Mietverträgen einen besonders kritischen Blick auf die Kosten werfen, die sie selbst tragen müssen.

Ist der Mietvertrag einmal unterschrieben, gilt diese Regelung auch dann, wenn die Umlage von Kosten vereinbart wird, die üblicherweise vom Vermieter getragen werden, beispielsweise Aufwendungen für die eigene Hausverwaltung. Eine vermieterfreundliche Nebenkostenklausel kann gewerbliche Mieter teuer zu stehen kommen.

Die Miethöhe ist in der Regel vertraglich festgeschrieben

Bei Mieterhöhungen gilt im Gewerberaummietrecht eine vergleichsweise mieterfreundliche Regelung. Mieterhöhungen sind nämlich nur dann berechtigt, wenn dies im Mietvertrag ausdrücklich festgelegt ist. Wer zum 1.1.1999 einen Mietvertrag zu 20 Mark mit einer Laufzeit von zehn Jahren abschließt, hat die Gewißheit, daß er bis zum Ende 2008 nicht mehr als 20 Mark zahlen muß.

Häufig gibt es in Mietverträgen Klauseln über eine automatische Anpassung der Miete entsprechend dem Lebenshaltungsindex des Statistischen Bundesamtes. Wenn die allgemeine Teuerungsrate um einen bestimmten Prozentsatz steigt, so tritt bei Vereinbarung einer Anpassungsklausel eine entsprechende Mieterhöhung in Kraft.

Anpassungsklauseln bedürfen, um wirksam zu werden, der Genehmigung durch die örtliche Landeszentralbank. Wird diese nicht eingeholt oder verweigert, ist die Anpassungsklausel unwirksam, und der Vermieter ist nicht zu einer Mieterhöhung berechtigt.

Der Wert einer Immobilie wird in der Regel von den Einnahmen bestimmt, die sich durch eine Vermietung erzielen lassen. Je höher die Mieten, desto höher ist der Preis, den der Vermieter bei einem Verkauf des Objekts erzielen wird. Ein beliebter Trick, den Wert einer Immobilie zu steigern, ist daher der Abschluß von Mietverträgen, die eine vergleichsweise hohe Miete vorsehen, dem Mieter aber für mehrere Monate oder gar Jahre Mietfreiheit gewähren.

Bei Verhandlungen über die Miethöhe lohnt es sich, dem Vermieter die Vereinbarung einer mietfreien Anfangsperiode vorzuschlagen. In vielen Fällen wird ein solcher Vorschlag auf das offene Ohr des Vermieters stoßen.

Ausserordentliche Kündigung nut bei groben Vertragsverstössen

Einer der wichtigsten Punkte ist die Laufzeit des Mietverhältnisses. Mietverträge über einen längeren Zeitraum sind nur dann zu empfehlen, wenn sich Mieter sicher sind, daß sich die Geschäfte so entwickeln werden, daß die angemieteten Räume auch tatsächlich bis zum Ende der Vertragslaufzeit ihre Funktion haben.

Wird ein Mietvertrag auf fünf Jahre geschlossen, bedeutet das rechtlich, daß für diesen Zeitraum weder der Mieter noch der Vermieter zu einer ordentlichen Kündigung berechtigt ist. Ausnahme: Eine der Parteien verletzt ihre vertraglichen Verpflichtungen nachhaltig.

Langfristige Mietverträge, die Anfang der neunziger Jahre zu hohen Preisen geschlossen wurden, haben so manchen Unternehmer in den Ruin getrieben. Stellt ein Mieter mit einem auf zehn Jahre abgeschlossenen Mietvertrag dann nach drei Jahren fest, daß er die hohen Kosten nicht mehr aufbringen kann, erlebt er ein böses Erwachen. Denn entläßt der Vermieter den Mieter nicht freiwillig aus dem Vertrag, wird ihm in den meisten Fällen nichts anderes übrig bleiben, als Monat für Monat zu bezahlen.

Möchten Mieter die Sicherheit nutzen, die ein langfristiger Mietvertrag zu einem fest vereinbarten Mietzins bietet, ohne zugleich die Nachteile einer langfristigen Bindung in Kauf zu nehmen, sollten sie ein Sonderkündigungsrecht aushandeln. Das kann beispielsweise für den Fall festgelegt werden, daß innerhalb einer bestimmten Frist die Umsatzerwartungen des Mieters nicht eintreten. Es empfiehlt sich daher, in einer entsprechenden Klausel Fristen und Zahlen so genau und klar wie nur möglich zu definieren.

Um möglichen Risiken vorzubeugen, sollte bei Vertragsverhandlungen auch der Punkt Untervermietung genau geklärt werden. Gelingt es dem Mieter, sich in dem Vertrag das Recht einräumen zu lassen, nach seinem Ermessen die Mieträume teilweise oder vollständig unterzuvermieten, wird auch auf diesem Weg wirksam Vorsorge gegen unerwartete Umsatzeinbußen getroffen. Schließt der Mietvertrag jedoch ein derartiges Recht aus, sind Untervermietungen nicht möglich.

Instandhaltungskosten sind meist vom Mieter zu tragen

Ein besonderes Augenmerk sollte der Mieter auch auf die Vereinbarungen richten, die den Zustand der Mieträume und deren Instandhaltung betreffen. Anders als im Wohnraummietrecht ist es bei der Vermietung von Gewerberäumen ohne weiteres zulässig und in der Praxis üblich, daß der Mieter die Verpflichtung übernimmt, die Räume instandzuhalten und alle anfallenden Reparaturen zu übernehmen.

Mieter sind demnach nicht nur verpflichtet, die üblichen Schönheitsreparaturen auszuführen und die Räume regelmäßig mit frischer Farbe zu versehen. Wurde eine Instandhaltung der Räume durch den Mieter vereinbart, muß dieser auch Handwerkerrechnungen bezahlen, wenn beispielsweise die Etagenheizung ausfällt oder Scheiben zu Bruch gehen. Fällt die Klimaanlage aus, so bedeutet das für den Mieter, auf eigene Kosten für eine Reparatur Sorge zu tragen.

Da die Übernahme der Instandhaltungspflicht mit sehr hohen und kaum vorhersehbaren Kosten für den Mieter verbunden sein kann, sollten entsprechende Klauseln möglichst klar und unmißverständlich gefaßt werden. Im Mietvertrag ist ebenfalls detailliert zu regeln, wer beispielsweise für die Kosten einer Heizungsreparatur aufzukommen hat. Inwieweit der Mieter die Instandhaltungspflicht übernimmt, ist ausschließlich Verhandlungssache.

Vorsicht bei Haftungsklauseln

Vorsicht ist in Mietverträgen bei Bestätigungen über den Zustand der Räume zum Zeitpunkt der Anmietung geboten. Bestätigt der Mieter, daß sich die Räume in "einwandfreiem Zustand" befinden, wird er größte Schwierigkeiten haben, vom Vermieter eine Mängelbeseitigung einzufordern, wenn sich beispielsweise nach dem Einzug herausstellt, daß sanitäre Anlagen defekt sind.

Bestätigungsklauseln sind darüber hinaus auch insoweit tückisch, als sie vielfach an die Verpflichtung gebunden sind, die Räume beim Auszug wieder in den ursprünglichen Zustand zu bringen. Wurde im Mietvertrag der Zustand der Räume als "einwandfrei" bestätigt, wird der Mieter später größte Schwierigkeiten haben, den Nachweis zu führen, daß beispielsweise marode Fensterbänke von Anfang an sanierungsbedürftig gewesen sind. Eine Bestätigungsklausel sollten Mieter nur dann unterzeichnen, wenn sie sich vom genauen Zustand der Wohnung überzeugt haben.

Häufig versuchen Vermieter, in Mietverträgen jegliche Haftung für etwaige Mängel auszuschließen. Ein derartiger Haftungsausschluß ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich zulässig und führt dazu, daß der Mieter sein Recht verliert, im Falle von Mietmängeln die Miete zu mindern. Wird dann beispielsweise später der Bürgersteig vor dem Ladenlokal neu gepflastert und bleiben in der Folge die Kunden aus, kann sich der Mieter nicht darauf berufen, daß durch die Baumaßnahmen ein Mietmangel entstanden ist, der den Mieter zur Kürzung der Miete berechtigt. Klauseln, die eine Mängelhaftung des Vermieters ausschließen oder begrenzen, sind sehr riskant. Mieter sind daher gut beraten, auf der Streichung derartiger Klauseln zu bestehen.

Den Mietvertrag niemals ungelesen unterschreiben

Die Liste der Kriterien, die beim Abschluß eines Mietvertrags zu beachten sind, ließe sich noch um einiges verlängern. Zwei Punkte sind indes in jedem Fall zu berücksichtigen:

- Erstens sollten sich Mieter genau überlegen, worauf sie bei der Nutzung der Räume angewiesen sind. Ist beispielsweise eine neue Raumaufteilung notwendig, sollte das Recht des Mieters, entsprechende bauliche Maßnahmen vorzunehmen, in dem Mietvertrag genau geregelt werden. Ebenso klar sollte darüber hinaus vereinbart werden, ob und inwieweit der Mieter bei seinem Auszug zu Rückbaumaßnahmen verpflichtet ist.

Benötigt der Gewerbetreibende für seine Kundschaft dringend eine Beschilderung, sollte er beim Abschluß eines Mietvertrags darauf bestehen, daß genau geregelt wird, wo und in welcher Größe er an der Hausfassade ein Schild anbringen darf. Bleiben wichtige Fragen im Mietvertrag offen, geht der Mieter das Risiko ein, entweder rechtlos dazustehen oder zur Durchsetzung seiner Rechte vor den Kadi ziehen zu müssen.

- Der Mieter sollte zweitens den Vertragstext, den er vom Vermieter vorgelegt bekommt, gründlich lesen. Viele Mieter unterzeichnen Mietverträge blind. Das dicke Ende kommt dann oft erst sehr viel später. Mietverträge begleiten den Unternehmer jedoch häufig über viele Jahre. Daher ist jeder gut beraten, der vor der Unterzeichnung den Text Zeile für Zeile liest und sich zudem vergewissert, daß er die Bedeutung des Vertragstextes auch in allen Punkten verstanden hat.

* Niko Härting leitet die Berliner Kanzlei Härting und ist auf die Themen Multimedia und Immobi-lien spezialisiert.

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