Dienstleister haben in Europa derzeit nichts zu lachen

27.02.2003
Nach einem kurzen Aufatmen zum Jahresende fielen die europäischen und vor allem die deutschen Dienstleister im Januar in ein Stimmungsloch, das so tief ist wie schon lange nicht mehr. Ganz anders in den USA: Dort hat sich das Wachstum in der Branchesogar noch beschleunigt.

Wenig Tröstliches wusste Paul Stodden, Vorsitzender des Bereichsvorstands Siemens Business Services (SBS), Mitte vergangener Woche auf einer Betriebsversammlung der Belegschaft mitzuteilen: "Auch im laufenden Jahr gehen wir - zumindest in Deutschland - von keiner entscheidenden Belebung der Konjunktur aus. Wir rechnen daher mit stagnierenden Umsätzen für unser eigenes Geschäft."

Tatsächlich sind die Geschäfte der deutschen Dienstleister im Zuge der allgemein miesen wirtschaftlichen Stimmung laut "Handelsblatt" Anfang dieses Jahres so stark eingebrochen wie seit über fünf Jahren nicht mehr. Und das betrifft nicht nur die IT-Services. Dabei sah es nach einer Umfrage von ZEW und Creditreform Ende des Jahres noch so aus, als hätte sich die Branche, die immerhin zwei Drittel der deutschen Wirtschaftsleistung stellt, fast schon gefangen. Denn mit 2,1 Prozent Jahresumsatzwachstum im vierten Quartal ging die Mehrheit der deutschen Dienstleister damals noch von einer steigenden Nachfrage aus. Die Ausnahme bildeten allerdings allen voran die Architekten sowie Werbetreibende, der ITK-Fachhandel und TK-Dienstleister. Überdurchschnittlich gut abgeschnitten haben im vierten Quartal 2002 die IT-Dienstleister und -Vermietungsservices sowie Unternehmen, die im Bereich Forschung und Entwicklung tätig sind. Entsprechend hoch waren ihre Erwartungen für die Folgemonate. Doch von Wachstum war im Januar für die Dienstleister in Deutschland durch die Bank kaum eine Spur. Im Gegenteil: Die schlechte Lage der Servicebranche hierzulande hat auch den Dienstleistungssektor im Euro-Raum an den Rand der Stagnation gebracht, während das Wachstumstempo in den USA sogar noch zugenommen hat.

Der Reuters-Einkaufsmanager-Index für die deutsche Servicebranche ist im Januar saisonbereinigt von 45,4 auf 43,9 Punkte abgesackt, berichtet die Forschungsgruppe NTC. Je weiter der Index unter die 50-Punkte-Marke sinkt, desto deutlicher wird das als Signal für schrumpfende Geschäfte gewertet. In der Euro-Zone waren mit 50,2 Index-Punkten auf der Januar-Skala auch nur noch marginale Umsatzzuwächse drin. Die Geschäfte in Italien, Frankreich und Spanien laufen jedoch weit besser als die in Deutschland. Hinsichtlich der Geschäftserwartung stieg der Index im Euro-Raum um 0,5 auf 61,3 Punkte, während er in Deutschland weiter sank.

Die schlechte Stimmung hierzulande nur mit dem drohenden Irak-Krieg zu erklären, lässt Dirk Schumacher, Chefvolkswirt bei Goldman Sachs, nicht gelten. Denn sonst wäre der Index in den anderen europäischen Ländern ebenfalls ins Minus gerutscht. Schumacher erklärt den Pessimismus in Deutschland viel mehr mit einer tiefen Vertrauenskrise und einer Endzeitstimmung bei Verbrauchern und Unternehmen. Im Jammern auf hohem Niveau seien die Deutschen ja schon immer gut gewesen. Für wichtige Investitionen fehlt es auch an positiven Signalen von der Politik. Der harte Wettbewerb veranlasste die meisten deutschen Unternehmen im Januar zu weiteren Preissenkungen, womit jedoch zum Teil auch empfindliche Gewinneinbußen verbunden sind.

Job-Motor Services stottert

Am stärksten zu spüren bekommen das die Beschäftigten der Dienstleistungsbranche, die bis vor kurzem noch als einzigartiger Jobmotor in Deutschland gefeiert wurde. Mehr als die Hälfte des Umsatzes in der deutschen Dienstleistungsbranche im vierten Quartal wurden laut ZEW von Unternehmen erwirtschaftet, die Personal eingespart haben. Im dritten Quartal lag der Anteil noch bei 40 Prozent. Die Unternehmen, die neue Mitarbeiter eingestellt haben, repräsentierten im Dezember nur noch zwölf Prozent aller Dienstleistungsumsätze. Nach Umsatzgröße gehen 40 Prozent der deutschen Dienstleister für das erste Quartal 2003 von einem weiteren Stellenabbau aus.

Nachdem in den zurückliegenden zehn Monaten schon unzählige gut bezahlte Fachkräfte der Dienstleistungsbranche ihren Job wegen betriebsbedingter Kündigungen verloren haben, erreichte der Stellenabbau im Januar einen neuen, traurigen Rekord. Holger Fahrinkrug, Deutschland-Experte bei der Investmentbank USB Warburg, rechnet sogar mit noch Schlimmerem. "Solange sich in Deutschland nichts Grundsätzliches ändert, verlieren wir pro Jahr in der Gesamtwirtschaft 300.000 bis 500.000 Stellen."

Statt die Schuld an der Misere nur bei der Politik oder der Schwäche der Weltwirtschaft zu suchen, ist SBS-Chef Stodden überzeugt, dass die nicht gerade rosigen Aussichten in der IT-Branche auch ein Resultat vieler nicht eingehaltener Versprechen sind. In der "Entmythologisierung der New Economy" sieht Stodden für SBS auch eine Chance. Für den Bereich IT-Services rechnet er mittelfristig wieder mit einem überdurchschnittlichen Wachstum im "oberen einstelligen Bereich". Gleichzeitig betont er, dass Dienstleistungen auch außerhalb der IT-Branche immer wichtiger würden, was sich auch auf die Zahl der Beschäftigten auswirke: Während in Deutschland Industrie, Landwirtschaft, Bau, Bahn und Bergbau bis 2010 laut Prognos fast 1,8 Millionen Stellen abbauen werden, soll im Dienstleistungsbereich rund eine Million neue Arbeitsplätze entstehen.

www.zew.de; www.siemens.de

ComputerPartner-Meinung

Vertrauenskrise und Endzeitstimmung kann man auch herbeireden. Man muss nur kräftig mitmachen, dann hört das Gejammer in Deutschland nie auf. Positive Signale werden von der Politik natürlich zu Recht eingefordert. Aber was hierzulande nach vielen fetten Jahren auch fehlt, ist ein wenig mehr Optimismus nach dem Motto: "Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt ..." Das gilt im Kleinen ebenso wie im Großen. (kh)

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