Drastischer Strategiewechsel schockt Fangemeinde

23.09.1999

LANGEN: Nur von kurzer Dauer war die Hoffnung der Amiga-Fans, daß der einstige Kultcomputer unter der Führung Gateways zu alter Stärke und Bedeutung zurückfindet. Aufgrund jüngster personeller und strategischer Veränderungen in den beiden Firmen dürfte dieser Traum jetzt wohl ausgeträumt sein.Gerüchte über eine Renaissance des Amiga-Computers gab es reichlich, seit die Gateway-Tochter im April dieses Jahres neue Produkte ankündigte (siehe ComputerPartner 14/99, Seite 12). Die Rede war vom "Multimedia Convergence Computer" mit einer Transmeta-CPU, Linux als Betriebssystem oder Software von Corel. Dazu digitale Musik-Abspielgeräte, Spielekonsolen und drahtlose Internet-Handhelds, die spätestens zu Beginn des nächsten Jahres auf den Markt kommen sollten. Doch Pustekuchen. Alles Schnee von gestern. Der PC-Hersteller Gateway Inc. als Mutterfirma der Amiga Inc. hat seine Pläne für den einstigen Markennamen drastisch geändert.

Aufmerksame Marktverfolger rochen den Braten bereits Anfang September, als Amiga-Chef James Collas nach nur etwas mehr als einem halben Jahr im Amt seinen Rücktritt "aus persönlichen Gründen" bekanntgab und durch Thomas Schmidt ersetzt wurde. Eine Nacht-und-Nebel-Aktion, in die nicht einmal Petro Tyschtschenko als Geschäftsführer der Amiga International Inc. eingeweiht war. "Ich weiß auch nicht, was hinter den Kulissen vorgefallen ist", äußert er sich. "Ende Juli hatte Collas in London doch noch die neuen Produkte für November angekündigt". Den Wechsel bedauere er zutiefst, da Collas der richtige Mann gewesen sei: "Er hatte Profil, Visionen und die richtigen Verbindungen."

Ee kam, wie es kommen musste

Endgültige Gewißheit über den Richtungswechsel in der Firmenstrategie erhielt die Amiga-Gemeinde dann vor etwa einer Woche durch einen offenen Brief des neuen CEOs Schmidt auf der Amiga-Homepage: Das Unternehmen wolle sich künftig darauf konzentrieren, unter dem Namen Amiga ein anwenderfreundliches Interface zur Zusammenstellung von Internetgeräten über ein Heimnetzwerk zu entwickeln. Oder, mit den Worten von Schmidt: "Amiga wird Softwaretechnologie herstellen, die Internetdienste auf einer im Entstehen begriffenen Kategorie von Produkten ermöglichen wird, die im allgemeinen als ,Information Appliances' bezeichnet werden." Von neuen Rechnern und ehedem angekündigten "sensationellen Produkten" ist dabei aber keine Rede mehr.

Stellt sich die Frage, wie es zu dem plötzlichen Sinneswandel bei Gateway kam, wo sich das US-Unternehmen doch 1997 für 13 Millionen Dollar die 47 Amiga-Patente sicherte. Ein Motiv könnte in der Zielsetzung Gateways liegen, in spätestens drei Jahren 30 Prozent des Umsatzes und knapp die Hälfte des Gewinns über Internet-Dienste zu erzielen. Die jetzt angekündigte neue Technologie würde da ganz gut hineinpassen - auf jeden Fall viel besser als Amiga-Computer. Entscheidend könnten aber auch das Wirken und die Meinung von Fachleuten gewesen sein, die kürzlich von anderen Firmen zu Amiga gewechselt hatten.

Wie auch immer - Gateway hüllt sich dazu in Schweigen. Weder bei der deutschen Niederlassung in Frankfurt noch bei der Europazentrale in Dublin war eine Stellungnahme zu den neuesten Entwicklungen zu erhalten. Selbst Tyschtschenko habe von all den Vorgängen - wie er sagt - erst über das Internet erfahren. Dazu paßt auch die Tatsache, daß sich "bei mir über 1.200 E-Mails von aufgeregten Amiga-Usern aus der ganzen Welt stapeln, weil ihnen in Amerika keiner antwortet", seufzt Tyschtschenko.

Nicht zuletzt durch diese Blockadepolitik dürfte Gateway nun auch noch die letzten treuen Kunden vergraulen, die trotz turbulenter Zeiten und so gut wie keinen Neuerscheinungen an "ihrem" Amiga festhielten. Ein Händler aus Salzwedel bestätigt, daß viele "Amiganer" zuletzt auf andere Rechner umgestiegen seien, "weil jahrelang nichts passiert und die Firma den Bach hinuntergegangen ist".

Tyschtschenko ist sich des Ärgers durchaus bewußt. "Doch was soll ich machen? Mir sind die Hände gebunden", ereifert er sich. Das klingt schon ein bißchen resignierend, obwohl er beteuert: "Unabhängig von allem Entwicklungen mache ich hier ganz normal weiter." Mit der Aussage, daß der Amiga nie wieder den früheren Stellenwert erreichen werde, spricht ein Fachhändler aus Duisburg den Fans aus dem Herzen. "Aber es wäre schön gewesen, wenn sich Amiga wenigstens einen Teil des Kuchens hätte abschneiden können." (tö)

Das Lachen dürfte Petro Tyschtschenko, Geschäftsführer von Amiga International, aufgrund von Gateways Informationspolitik vergangen sein.

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