ECS Elitegroup will europäischen PC-Markt revolutionieren

30.05.2002
ECS Elitegroup, weltweit größter Mainboard-Hersteller, will nun auch mit einem eigenen Computermodell und einem neuen Beschaffungskonzept den europäischen PC-Markt aufmischen. Schützenhilfe erhält er von Winfried Hoffmann, Urgestein der IT-Szene.

Johnson Chiang, Gründer und Chairman der ECS Elitegroup, war für einige Tage in Deutschland unterwegs, um persönlich seine Geschäftsidee vorzustellen. Er wirkt gelassen und sehr selbstbewusst. Mit gutem Grund: 30 Millionen produzierte Motherboards und 3,5 Millionen Notebooks pro Jahr haben sein Unternehmen zum weltweiten Marktführer (28 Prozent) bei PC-Komponenten gemacht. Innerhalb der vergangenen Jahre hat Chiang den Firmenumsatz verzehnfacht. Er betrug 2001 eine Milliarde Dollar. ECS beschäftigt heute weltweit mehr als 20.000 Mitarbeiter.

Auf dieser sicheren Basis kann man sich entweder gemütlich zurücklehnen oder noch mal so richtig durchstarten. Zweiteres hat Chiang vor und holte sich Winfried Hoffmann, Ex-Commodore-, Ex-ASI-, Ex-Fujitsu- und Ex-FSC-Manager, gemeinsam mit dessen Sohn Hendrik, Ex-Natcomp-Manager, an Bord, um nun auch den europäischen Markt mit seiner neuen Geschäftsidee samt Produktneuheit auf den Kopf zu stellen. Vor etwa 18 Monaten führte der ECS-Chef erste Gespräche mit dem FSC-Management, vor zwölf Monaten präsentierte er das erste Konzept und vor sechs Monaten bereits den ersten Prototypen des "Desknote". Seit Januar produziert das taiwanische Unternehmen rund 80.000 Geräte pro Monat für den amerikanischen und asiatischen Markt - Tendenz steigend. Und nun habe man eben auch den europäischen Markt im Visier.

Äußerlich sieht der Desknote wie ein normales Notebook aus, es ist aber ein "verkleideter" Desktop. Konkret bedeutet das nach Firmenangaben: im Inneren arbeiten Standard-PC-Komponenten. Und wie ein typischer Desktop verfügt dieses neue Gerät ebenfalls über keinen internen Akku, sondern es wird wie ein klassischer PC per Kabel mit Strom versorgt. Laut Winfried Hoffmann liegen die Vorteile auf der Hand: Der Desknote ist flexibel einsetzbar und platzsparend wie ein Notebook, ist aber genauso schnell, kostengünstig, fehlerresistent und problemlos aufrüstbar wie ein PC. Da die meisten Notebook-User das Gerät sowieso am Stromnetz nutzen würden (daheim, im Büro, im Zug), da die Akkulaufzeit zu gering und die Ausfallchance zu hoch sei, biete sich der Desknote als Alternative an. Optional könne man aber natürlich auch externe Akkus kaufen.

Doch nicht allein die existierenden Notebook-Anwender hat ECS im Visier. Das Unternehmen will vielmehr die vielen potenziellen Kunden ansprechen, die bislang wegen des hohen Anschaffungspreises vor dem Kauf eines Notebooks zurückschreckten. Neben Privatkunden will man auch Behörden, Schulen und Firmen als Käufer gewinnen. Außer den Desknotes hat ECS auch den Panel-PC, eine All-in-One-Multimedia-Einheit, im Angebot. Tastatur und Maus arbeiten wireless, sodass es nur ein Kabel, eben das Stromkabel, gibt. Beide Produktgruppen sollen den klassischen PC ablösen.

Mehr Handelsmarge durch direkten Bestellweg

An dieser Stelle soll dann auch das neue Beschaffungskonzept "One-Stop-Buying" greifen. Nach Ansicht von ECS sei die heutige Beschaffungskette viel zu lang und zu teuer. Da ist erst einmal der Produzent, in den meisten Fällen in Asien, dann kommt der Assemblierer (also die offiziellen Hersteller und Distributoren) in Deutschland, dann die Wiederverkäufer und zum Schluss die Endkunden. Nach dem neuen Einkaufsprinzip wird der Assemblierer überflüssig. ECS will ihn durch eine kleine, schlagkräftige Präsenz des taiwanischen Herstellers in Europa ersetzen, die in Abstimmung mit den Wiederverkäufern und der Fabrik Vertrieb und Marketing steuert.

Dadurch fiele die benötigte Marge für den Assemblierer von 8 bis 13 Prozent weg. Neben einer Preissenkung für den Endkunden gäbe es dennoch einen höheren Verdienst für den Handel.

Nach Aussage von Hoffmann ist der neue verkürzte Beschaffungsweg schnell und sicher: Logistik und Lagerhaltung werden durch Just-in-Time-Lieferung optimiert. Schon fünf Tage nach Bestellung (Mindestmenge: 500 bis 1.000 Stück) werden die Geräte zum Wiederverkäufer oder dem Distributor geliefert. Dadurch sollen sich die Lagerwertverluste aller Beteiligten spürbar reduzieren. Diese kurze Reaktionszeit ist dank bester Flugverbindungen von Taiwan und China überallhin gewährleistet. Die kompletten rechtlichen und finanziellen Pflichten wie Einkaufsmodalitäten, Gerichtsstand, Reparaturservices und Garantieleistungen werden von den lokalen ECS-Vertretungen übernommen. Da diese jedoch möglichst klein gehalten werden, gibt es auch keine übermäßigen Verwaltungskosten, die den Preis unnötig erhöhen.

Nach Aussage von Hendrik Hoffmann waren die ersten Gespräche mit rund 20 großen Retailern wie Vobis, Metro oder Media-Markt aber auch mit einigen Distributoren schon sehr viel versprechend. Dabei wurden jedoch keine OEM-Angebote gemacht. Vielmehr soll der Desknote unter dem gleichnamigen Brand verkauft werden und der Name ECS als Herstellerhinweis nur ganz klein auftauchen. Der große Wunschtraum wäre jedoch, wenn es in Zukunft hieße, ein Produkt sei "ECS-Desknote-kompatibel" wie in den Anfängen des Computerbooms der Zusatz "IBM-kompatibel" als Qualitätsmerkmal galt.

www.ecs.com.tw

ComputerPartner-Meinung:

Hier hat kein Newcomer eine nette Idee, sondern hier will ein potentes Unternehmen mit langjähriger Erfahrung ein neues Geschäftsmodell etablieren. Allein die Tatsache, dass man als Wiederverkäufer oder Kunde direkt in Taiwan beim Produzenten bestellt, ist noch gewöhnungsbedürftig. Doch mit der richtigen Marketingunterstützung und Positionierung im Markt könnten die beiden Hauptprodukte zukünftig eine wichtige Rolle spielen. (go)

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