Ein Batzen Geld oder eine Rente

26.07.2001
Im elften Teil unserer Serie "Private Altersvorsorge" stellt Werner Staudte* die Vor- und Nachteile einer Kapitallebensversicherung dar.

Die Lebensversicherungen sind überzeugt davon, dass sie den Löwenanteil der zusätzlichen privaten Altersvorsorge über die Riester-Rente auf sich vereinigen können. Auch die kapitalbildende Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall, die nach dem steuerlich bedingten Boomjahr 1999 in der jüngeren Vergangenheit einen Einbruch erlebte, hofft wieder auf bessere Zeiten.

Gewachsen ist die Kapitallebens-versicherung im vergangenen Jahr nur noch durch die in viele Verträge eingebaute Dynamik. Dabei steigen die Beiträge - meist gekoppelt an den Index der Lebenshaltungskosten - Jahr für Jahr an und erhöhen dementsprechend auch die Versicherungssummen. Die gesamten Beitragseinnahmen der deutschen Lebensversicherungsgesellschaften stiegen so noch um immerhin 3,7 Prozent auf 119,2 Milliarden Mark, obwohl das Neugeschäft drastisch schrumpfte. Mit 7,3 Millionen Verträgen und 11,1 Milliarden Mark laufendem Beitrag waren Minusraten von 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verbuchen.

Das aber war ein Ausnahmejahr. Es war geprägt von der überzeugenden Ankündigung des sparsamen Bundesfinanzministers Hans Eichel, die bislang steuerfreien Gewinnbeteiligungen der Lebensversicherungspolicen künftig zu besteuern. Wenn man dagegen die Ergebnisse der Assekuranz im vergangenen Jahr mit dem Jahr 1998 vergleicht, zeigt sich wieder eine ganz normale Entwicklung.

Nach wie vor große Zurückhaltung

Auch im laufenden Jahr ist die Zurückhaltung der Kunden noch groß. Hans Schreiber, Vorstandschef der Mannheimer Versicherungsgruppe, spricht von einem ausgeprägten "Attentismus" der Bundesbürger besonders bei den Kapitallebensversicherungen auch im laufenden Jahr. Er führt das darauf zurück, dass noch niemand genau weiß, was mit der staatlich verordneten und geförderten Riester-Rente als Ersatz für die sich abzeichnenden Lücken in der gesetzlichen Rentenversicherung auf ihn zukommt.

Dabei hat die Kapitallebensversicherung ihre Vorteile. Sie bietet sofortigen Versicherungsschutz, sobald der Vertrag unterschrieben und der erste Beitrag gezahlt ist. Diese Art von Policen bietet also einen ausgezeichneten Schutz für die Hinterbliebenen und die Familie. Wenn der Vater heute einen Vertrag über 500.000 Mark Versicherungssumme unterzeichnet, seine erste Monatsprämie überweist und morgen bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt, steht der Mutter und den Kindern trotz Zahlung von nur einer Prämie eine halbe Million Mark zur Verfügung. Das ist für die Angehörigen des Versicherungsnehmers ein - wenn auch nur finanzieller - Trost, für die Top-Manager der Versicherungsgesellschaften aber eine Horrorvision.

Kapitalversicherungen können dynamisiert werden, also ohne zusätzliche Gesundheitsprüfung ü-ber etwas höhere Beiträge laufend an den mit steigendem Einkommen wachsenden Versicherungsbedarf angepasst werden. Der Versicherungsnehmer sieht jährlich, wie sich seine Versicherungssumme erhöht, weil er von seiner Gesellschaft jedes Jahr eine Übersicht über den aktuellen Stand seiner Ansprüche bekommt. Darin sind meist zumindest die ursprüngliche Versicherungssumme, die gegenwärtige Leistung aus der Gewinnbeteiligung und der zur Zeit geltende Rückkaufswert angegeben. Teilweise werden auch die Leistungen genannt, die erbracht werden, wenn der Vertrag aus wirtschaftlichen Gründen beitragsfrei gestellt wird. Das ist allemal die bessere Lösung als ein vorzeitiger Rückkauf des Vertrages.

Gros der Kunden erlebt die Fälligkeit

Die große Mehrzahl aller Kunden in der Kapitallebensversicherung erlebt die Fälligkeit ihres Vertrages. Das heißt also, sie bekommen die Versicherung, bei der sich im Zeitraum von 28 bis 30 Jahren die ursprüngliche Versicherungssumme verdoppelt hat, ausgezahlt. Wer dann nicht weiß, was er mit dem vielen Geld anfangen soll, hat mehrere Möglichkeiten. Er kann den Betrag nehmen und ihn in eine alternative Anlage investieren. Wer im Alter noch mutig genug ist, steckt seine fällig gewordene Lebensversicherung zumindest teilweise in Aktien oder einen Aktienfonds. Wer ruhig schlafen will, kauft Pfandbriefe, Rentenfonds oder offene Immobilienfonds, denn die Hypotheken auf das Eigenheim oder die Eigentumswohnung sind inzwischen meist längst getilgt.

Wer gar nichts mit dem plötzlichen Geldsegen zu tun haben will, kann ihn bei seiner vertrauten Lebensversicherung verrenten. Dabei wird die fällige Summe als Einmalbeitrag gewertet und in eine monatliche Rente verwandelt. Und selbst hier gibt es wieder zwei Alternativen: Wer sein Kapital verleben - der feinere Ausdruck heißt: verzehren - will, bekommt naturgemäß eine deutlich höhere Monatsrente. Nur ist dann eben nach zehn, 20 oder 30 Jahren das Kapital zu Ende. Und wer ist schon so völlig sicher, dass er vielleicht nicht doch 100 Jahre alt wird.

Wer dagegen das Kapital für seine Hinterbliebenen erhalten und nur von den Erträgen leben will, muss sich mit einer deutlich niedrigeren privaten Zusatzrente begnügen. Wer gar nicht mehr an sich selbst und die möglichen finanziellen Belastungen im Alter denkt, kann die ausgezahlte Kapitallebensversicherung schließlich dazu verwenden, seinen Kindern einen guten Start ins Leben, den Kauf der eigenen Immobilie oder die Exis-tenzgründung oder den Enkeln eine solide Ausbildung zu ermöglichen.

Es wird also Folgendes deutlich: Die Kapitallebensversicherung ist mit derzeitigen Renditen zwischen gut fünf bei den weniger erfolgreichen Gesellschaften und mehr als sieben Prozent bei den Spitzenreitern nicht nur eine recht rentable Angelegenheit. Sie ist auch ein vielseitig einsetzbares Instrument für die eigene private Altersvorsorge sowie ein sicherer Schutz für die Familie.

70 Prozent der Deutschen sind lebensversichert

Für ihr eigenes Alter und zum Schutz ihrer Angehörigen sorgen mehr als 70 Prozent der Deutschen mit einer Lebensversicherung vor. Dabei hat sich die Mehrheit der Bundesbürger für die kapitalbildende Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall entschieden. Der wesentliche Grund dafür dürfte der in der Police enthaltene Schutz der Hinterbliebenen sein. Die Kapitalversicherung verliert allerdings an Boden. Bernd Michaels, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, schildert die Lage: "Von den 7,3 Millionen neuen Verträgen im Jahr 2000 entfielen 1,95 Millionen auf Kapitalver-sicherungen, 1,28 Millionen auf die fondsgebundene Lebensversicherung und 926.000 Verträge auf die Einzelrenten- und Pensionsversicherungen." Damit hat die Kapitalversicherung mit rund 27 Prozent den größten Anteil am Neugeschäft, gefolgt von den Fondspolicen (18 Prozent) und den Rentenversicherungen (13 Prozent).

Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Lebensversicherung als optimale Eigenvorsorge hält Peter Geisler, Vorstandschef des Debeka Lebensversicherungsvereins: "Die Lebensversicherung ist für die Altersvorsorge durch ihre Sicherheit und Berechenbarkeit in besonderer Weise geeignet. Die vertragliche Leistungsgarantie entspricht einer Mindestverzinsung, welche die zu erwartende Rentabilität der gesetzlichen Rentenversicherung übertrifft. Diese Garantie bezieht sich nicht wie bei anderen Kapitalanlagen nur auf die heutigen Beitragszahlungen, sondern auch auf alle künftigen Beiträge. Zusätzlich zur garantierten Mindestverzinsung hat der Kunde einen rechtlich festgeschriebenen Anspruch auf Gewinnbeteiligung. Diese Kombination aus Langfristigkeit, Garantieleistung und guter Rendite bieten heute nur Produkte der Lebensversicherungswirtschaft."

Derzeit 85 Millionen Verträge

Insgesamt hat die Assekuranz zurzeit rund 85 Millionen Lebensversicherungsverträge in ihren Büchern. Die relativ niedrigen durchschnittlichen Versicherungssummen von 50.000 bis 60.000 Mark machen jedoch deutlich, dass noch erheblicher Vorsorgebedarf besteht.

An ihre Kunden haben die Lebensversicherer im vergangenen Jahr rund 97 Milliarden Mark ausgezahlt. Einschließlich der Rückstellungen und Überschussguthaben für künftige Leistungen steigt die Summe auf mehr als 170 Milliarden Mark. Nimmt man nur die bereits ausgezahlten Leistungen, dann sind das heute schon mehr als 28 Prozent der Ausgaben, die gleichzeitig in der gesetzlichen Rentenversicherung anfielen.

Einen kleineren Teil der Erträge für die Versicherungskunden erzielen die Lebensversicherungsgesellschaften aus den so genannten Sterblichkeitsgewinnen. Das heißt, dass die Versicherten später sterben, als in den Verträgen einkalkuliert ist. Seitdem freilich die neuen Sterbetafeln die zunehmende Lebenserwartung der Bundesbürger besser berücksichtigen, sprudelt diese Gewinnquelle nur noch spärlich. Gemessen werden die einzelnen Gesellschaften eher an der Kostenquote und den Kapitalerträgen.

Die Lebensversicherungen haben stark rationalisiert. Deshalb haben sich die Verwaltungsaufwendungen - gemessen in Prozent der gleichzeitig eingenommenen Beiträge - seit Beginn der achtziger Jahre von damals sieben Prozent bis heute in etwa halbiert. Die Kapitalanlagen, in die der Sparanteil aus den Verträgen fließt, haben dagegen drastisch zugenommen. 1980 verfügten die Lebensversicherungen über 173 Milliarden Mark Vermögen. Daraus ist bis zum Anfang dieses Jahres nach Angaben des Bundesamtes für das Versicherungswesen erstmals mehr als eine Billion Mark geworden. Die genaue Ziffer lautet: 1.064 Milliarden Mark oder 544 Milliarden Euro. Allein der Marktführer Allianz hat an jedem Tag eines Jahres einen Anlagebedarf von rund 100 Millionen Mark

Größte institutionelle Investoren am Aktienmarkt

Von den gesamten Kapitalanlagen der Lebensversicherer steckt weit mehr als die Hälfte in festverzins-lichen Wertpapieren. Der Anteil der Aktien ist geringer, als es das Gesetz erlaubt. Trotzdem sind die Lebensversicherungen mit über 200 Milliarden Mark die größten institutionellen Investoren am deutschen Aktienmarkt. Nur mit erfolgreichen Engagements und Spekulationen am Aktienmarkt ist es zu erklären, wenn eine Gesellschaft wie die WWK Versicherungen in München trotz der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt im vergangenen Jahr ihre Kapitalanlagen mit netto 8,1 Prozent verzinsen konnte. Das ist weit überdurchschnittlich. Als Verzinsung für die Sparanteile in der Kapital-lebensversicherung, also die Gewinnbeteiligung, bleiben davon 7,6 Prozent. Mindestens 90 Prozent der Kapitalerträge müssen die Lebensversicherungen als Überschussanteile an ihre Kunden ausschütten.

Generell sieht es aber für die in der Vergangenheit recht hohe Gewinnbeteiligung in der Lebensversicherung eher düster aus. Dazu noch einmal Hans Schreiber, der Chef der mit Nischenprodukten für bestimmte Zielgruppen erfolgreichen Mannheimer Versicherungsgrup-pe: "Die Gewinnbeteiligung im vergangenen Jahr auf dem hohen Stand von 7,7 Prozent zu halten war eine schwere Aufgabe. Wir mussten Bewertungsreserven auflösen. Noch so ein Börsenjahr wie 2000 können wir uns nicht leisten, sonst müssen wir die Gewinnbeteiligung in der Lebensversicherung senken. Es würde mich nicht wundern, wenn das im kommenden Jahr in der Assekuranz auf breiter Front passiert."

Für die "Riester-Rente" stehen die Lebensversicherungen in den Startlöchern. Sie haben kein Problem damit, alle Kriterien zu erfüllen, die im Gesetz als Voraussetzung für die steuerliche Förderung genannt werden. Gerhard Rupp-recht, Vorstandsvorsitzender der Allianz Lebensversicherung, rechnet damit, dass mittelfristig 40 bis 50 Prozent der Vorsorgebeiträge für das Alter kapitalgedeckt angelegt werden. Von diesem Kuchen wollen sich die Lebensversicherer das größte Stück abschneiden.

* Werner Staudte ist freier Wirtschaftsjournalist in Dietzenbach.

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