Ein Tag im Leben von ... Maxdata-Chef Holger Lampatz

11.04.2002
Der Mann, um den es sich in dieser Geschichte handelt, ist nicht einfach. Das macht ihn interessant. Doch das wäre nicht genug, um einen ganzen Tag mit ihm zu verbringen und darüber zu schreiben. Der Mann, von dem hier die Rede sein soll, hat etwas auf die Beine gestellt. Wir sprechen vom Gründer der Maxdata Computer AG. Das Unternehmen ist im IT-Handel ein Begriff, sein Chef weniger. Er hält sich zurück, was er einerseits bedauert, andererseits genießt. Der Versuch einer Annäherung von Damian Sicking.

Als eine Fachzeitschrift im vergangenen Jahr einen sehr negativen Artikel über ihn mit der Überschrift "Der Gott vom Pott" brachte, habe er sich zuerst schon sehr geärgert. "Aber dann habe ich mir überlegt: Es heißt: Ich ärgere mich. Also wenn ich es bin, der mich ärgert, dann kann ich auch damit aufhören. Und das habe ich dann auch getan." Dieser Satz ist typisch für den Mann, der an diesem Mittwochmorgen im März an seinem Schreibtisch sitzt und die Zeitungen durchblättert. Dieser Mann sagt ab und zu solche Sätze, die man selten hört. Zum Beispiel hat er einmal gesagt: "Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um mir Freunde zu machen." Oder: "Ich bin so erzogen worden, dass mir ziemlich egal ist, was andere über mich denken."

Der Mann, der solche Sätze sagt, heißt Holger Lampatz und ist Vorstandsvorsitzender der Maxdata Computer AG in Marl. Marl liegt in Westfalen, und die Einwohner dieses Landstrichs gelten als eigensinnig und dickschädelig, bodenständig und direkt. Für den diplomatischen Dienst eignet sich der Westfale nicht, der Kompromiss ist nicht seine Stärke, ebenso wenig wie der gepflegte Smalltalk. Wenn ein männlicher und ein weiblicher Westfale sich begrüßen, dann tun sie dies per Handschlag, das in anderen Landesteilen übliche Bussi-Geben gilt hier als albern. Der Westfale ist grundsätzlich ehrlich, kann aber auch trickreich und verschlagen sein. Der Begriff "Bauernschläue" ist westfälischen Ursprungs, zumindest könnte er es sein. Der Westfale als Person ist gewöhnungsbedürftig, vor allem für NichtWestfalen, aber auch für Westfalen selbst.

Holger Lampatz ist Westfale. Der Mann kann nicht mit jedem, und nicht jeder kann mit ihm. Lampatz ist jemand, der polarisiert. Ihm gegenüber eine neutrale Haltung einzunehmen, das ist nicht möglich. Entweder man mag ihn, oder man mag ihn nicht. Lampatz ist keiner dieser stromlinienförmigen Konzernmanager, die vor Wichtigkeit kaum laufen können. In manchen Augenblicken wirkt Lampatz wie ein kleiner Junge, der einen Streich plant und sich anschließend darüber kaputtlacht. Dass er manchmal hart und rücksichtslos sein muss, muss sein. Dass dies von manchen anders gesehen wird, ist so. Es gibt viele Menschen, die ihn nicht mögen, aber Respekt vor ihm und dem, was er erreicht hat, haben die meisten. Zur Sache: Im Mittelpunkt dieses Mittwochvormittags steht die Präsentation der neuen MaxdataWerbeauftritts. Marketingmanager Stefan Guth präsentiert die Ausgangslage: Defizite beim Bekanntheitsgrad in der relevanten Zielgruppe, also im Mittelstand, zu gering ausgeprägtes Profil (Zitat aus dem Geschäftsbericht: "Maxdata sieht sich nicht als Trendsetter, sondern als Versorgungsunternehmen.").

Lampatz schenkt allen Kaffee ein. Neben den Anzeigen in Zeitschriften und Zeitungen hat das Maxdata-Marketing mehr als 800 Werbespots auf N-TV und rund 60 Spots in der ARD zur Prime-Time vor den 20-Uhr-Nachrichten eingekauft. "Ohne die finanzielle Unterstützung, vor allem von Intel, würden diese Ausgaben unsere Möglichkeiten übersteigen", erklärt der Firmenchef. Bis zu 50 Prozent der Kosten beträgt der Zuschuss des Chip-Giganten. Das gesamte Volumen für diese Kampagne hat einen Wert von rund sechs Millionen Euro; wie viel Maxdata tatsächlich selbst bezahlt, will niemand verraten.

Während der Präsentation seiner Marketingleute fragt Lampatz nach, wirft ein, gibt zu bedenken, erläutert, versteht. Manchmal staunt er, zum Beispiel über die hohen Werbebudgets von Compaq und HP mit jeweils mehr als 60 Millionen Mark im vergangenen Jahr. "Donnerwetter, das hätte ich nicht gedacht", sagt er.

Lampatz will Dinge auch schon mal genau wissen. "Wieso haben Sie in dem TV-Spot nicht den Schauspieler aus der ersten Staffel genommen?", fragt er. Marketingleiter Torsten Keuter ist präpariert. "In der ersten Staffel war das mehr der Chef-Typ, jetzt brauchten wir einen Angestellten", erklärt er. Sein Chef ist offenkundig mit der Antwort zufrieden.

Gladbachs Kicker: kein Maxdata mehr auf der Brust

Hat die Trikot-Werbung bei der Bundesligamannschaft von Mönchengladbach in puncto Bekanntheit nichts gebracht? Doch, schon, und Marketingmann Guth kramt eine Studie als Beleg hervor. "Früher ging der Bekanntheitsgrad unserer Marke so weit wie der Schreibtisch, auf dem er stand. Das ist heute anders", sagt Guth. Lampatz: "Das war gut investiertes Geld." Fünf Jahre dauerte die Achse Marl-Mönchengladbach. Aber dieses Potenzial sei ausgeschöpft, daher werden die Kicker der Borussia in der kommenden Saison einen anderen Trikotsponsor haben.

Eigentlich hält sich Lampatz aus dem Tagesgeschäft heraus. Dass er am Tag nur 20 bis 30

E-Mails erhält, ist ein Indiz dafür, dass er gut organisiert und delegiert hat. Am Wochenende, nachdem er bei gutem Wetter eine Runde auf dem Golfplatz gegangen ist - Handycap 26 -, diktiert er sich in seinen Filofax seine Ziele für die Woche auf.

In diesem Buch stehen auch seine Wochen- und Monatsziele, auf den Vorderseiten die geschäftlichen, auf den Rückseiten die privaten - was übrigens durchaus die Prioritäten symbolisiert. Lampatz kontrolliert auch, ob er seine Ziele erreicht und ob er das, was er sich vorgenommen hat, geschafft hat. "Dann weiß ich, ob ich gut war oder nicht."

Lampatz, der Chef - "käme mit mir gut klar"

"Die Kunst besteht darin, sich auf der einen Seite zurückzunehmen, damit sich die Mitarbeiter entfalten können, und auf der anderen Seite immer auf Ballhöhe zu bleiben", sagt er. Manchmal - es lässt sich nicht vorhersagen wann - bekommt er einen Anfall, dann beißt er sich fest und will etwas ganz genau wissen. "Ich habe einen Spürsinn, der berüchtigt ist. Dann gehe ich wirklich ins Detail. Und da dies sehr spontan auftreten kann, sind die Mitarbeiter lieber immer präpariert."

Lampatz, der Westfale, als Chef. Das ist auch nicht jedermanns Sache, auch daran muss man sich gewöhnen. Leute, Manager, die von außen kommen, haben da schon mal Akklimatisationsprobleme. Wie zum Beispiel Wolfgang Kochan und Klaus Bergter, zwei ausgewachsene Manager, die mit hohen Erwartungen kamen und nicht lange blieben. Ebenso erging es dem Marketingleiter aus der Automobilindustrie.

Manche sagen, das liege an dem autokratischen Führungsstil des Vorstandsvorsitzenden, der das Unternehmen vor 15 Jahren gegründet hat. "Die monatlichen Manager-Meetings stehen in dem Ruf, eher päpstlichen Audienzen als einem innovativen Führungszirkel zu gleichen", schrieb das Fachmagazin Facts über den Maxdata-Chef vor einem Jahr. Lampatz sieht dies anders. "Dieses Unternehmen hat ein Tempo, das andere nicht laufen können", gibt er den schwarzen Peter zurück. Würde er denn gerne unter sich arbeiten wollen? "Ich käme mit mir gut klar", grinst er. "Nein, im Ernst: Mitarbeiter, die sich für die Firma einsetzen, haben nichts zu befürchten. Aber jedem muss klar sein, dass wir keine Anwesenheitsprämie zahlen."

Bevor der Chef morgens von seinem Wohnort Gladbeck ins wenige Kilometer entfernte Gewerbegebiet Marl-Frentrop fährt, wirft er einen Blick in die Zeitungen, in die "Welt" und in die "WAZ". Im Büro liegen dann noch "FAZ", "Handelsblatt" und "Financial Times Deutschland". Einmal pro Woche kommt sogar die "Zeit". "Da stehen immer mal wieder Beiträge drin, die über die Berichterstattung der Tageszeitungen hinausgehen", lobt Lampatz.

Zeitungslektüre: "Negative Artikel lese ich nicht"

Welche Themen interessieren ihn, welche Artikel liest er? Die "Financial Times Deutschland" bringt an diesem Mittwoch eine Titelstory über die Telekom, die "die Notbremse" zieht. Den Artikel liest er ebenso wie den auf Seite 4 über den HP/Compaq-Deal. Die Kurznachrichten und die folgenden Seiten werden überflogen, bis er bei einem Einspalter auf Seite 7 wieder landet. "Auto Becker in Düsseldorf bald ohne Bentley", lautet die Schlagzeile. Lampatz erzählt, dass er sich vor kurzem bei Auto Becker einen Aston Martin (das Auto von James Bond) gekauft habe, und kurz darauf habe das Düsseldorfer Autohaus Insolvenzantrag stellen müssen (was aber nicht seine Schuld sei, grinst Lampatz).

Den politischen Teil blättert er durch, ohne irgendwo hängen zu bleiben. "Ich lese keine Artikel mit negativem Inhalt", sagt er, und man weiß nicht genau, ob es sich hierbei um eine Grundsatzeinstellung handelt oder ob nur die politische Berichterstattung gemeint ist. Das Interesse erwacht wieder, wenn Lampatz beim Teil "Finanzen" ankommt. Die Rubrik "Das Kapital" liest er immer. "Ein super Überblick über das, was am Finanzmarkt wichtig ist", sagt er.

Sein besonderes Interesse gilt heute dem vierspaltigen Artikel auf Seite 21 mit der Überschrift "Selbst großen Firmen droht Liquiditätsengpass". Natürlich gelte die alte Regel noch immer, sagt er: Liquidität geht vor Rentabilität. Für ihn habe die Rangordnung schon immer so ausgesehen: 1. Liquidität, 2. Liquidität, 3. Liquidität. Zeit nimmt sich Lampatz auch für die Kommentare und Meinungsbeiträge auf Seite 30 und 31. Unter anderem steht hier ein Gastbeitrag von Lufthansa-Chef Jürgen Weber. Der hat zwar nicht unbedingt mit seinem Geschäft zu tun, scheint aber trotzdem interessant zu sein.

Erfolge, Fehlschläge, Schutzengel

Was war eigentlich in den vergangenen Jahren sein größter Erfolg und sein größter Misserfolg? "In beiden Fällen der Börsengang", sagt Lampatz. Rund 300 Millionen Mark hat der Börsengang in die Kasse gespült, und fast das gesamte Geld sei noch da. Dass der Kurs im Soge des allgemeinenNiedergangs abrutschte, sei nichts, auf das man stolz sein könne. Auch die Akquisitionen von Panvision und Pansite waren Fehlinvestitionen. Die Etablierung der Monitor-Niedrigpreismarke "Monxx" habe auch nicht so geklappt wie gedacht.

Und was ist mit den Plänen, das Geschäft in die USA auszuweiten? "Davor hat uns unser Schutzengel bewahrt", sagt Lampatz. Amerika ist kein Thema mehr in Marl. In Madrid hat man jetzt die Maxdata-Fahne gehisst, in Polen und Italien will man sich in diesem Jahr ebenfalls zeigen.

Stolz ist der Maxdata-Chef darauf, dass er auch in den schwierigen Zeiten noch nie einen Verlust ausweisen musste. Bei diesem Thema kann er sich eine Spitze gegen sein einstiges Vorbild Actebis nicht verkneifen. "Wer sagt, dass ein Absatz von 300.000 PCs nicht ausreiche, um dieses Geschäft profitabel zu gestalten, bei dem stimmt was nicht", sagt er, und man kann darüber grübeln, ob er mit dieser Aussage die Firma oder den Chef der Firma meint.

Die Post, von Vorstandssekretärin Birgit Spletzer in zwei Mappen vorsortiert, enthält heute "viel Müll" (Lampatz). Eine Einladung zur Verleihung des Grimme-Preises ("Da werde ich wahrscheinlich hingehen, ist schließlich hier in Marl"), noch eine Einladung, diesmal von der Initiative "pro Ruhrgebiet e. V." (Absage), und dann noch eine Einladung, nämlich von SAP zum Golfturnier mit dem Champion Tiger Woods (Wiedervorlage). Dann eine interne Anfrage, welche Größe er für das Poloshirt benötige, das auf dem Händlerkongress auf Mallorca getragen wird (Antwort: "wenn normal ausfällt, XL, wenn klein ausfällt, XXL"), ein Bericht über den Zustand des Repair-Centers ("Das ist wichtig, das werde ich später in Ruhe studieren.") und ein Analystenbericht von Goldmann & Sachs (weitergeleitet an CFO). Die Übersicht über die Gehälter deutscher Vorstände landet sofort und ungelesen im Papierkorb. "Das bringt mich nicht weiter, wenn ich weiß, was andere verdienen."

Beim Mittagessen, das in der Regel nur aus Obst besteht - heute gibt es einen leckeren Apfel -, die Frage, was das Anstrengendste an seinem Beruf sei. Lampatz denkt darüber nach, vielleicht sogar zum erstenmal überhaupt. "Ich denke, das Anstrengendste ist, dass das Unternehmen dich nicht fragt, wie du dich gerade fühlst. Wenn Entscheidungen getroffen werden müssen, wenn es hart auf hart geht, muss man voll da sein, ohne Rücksicht auf die momentane Befindlichkeit. Und was dazu kommt: Die Dinge sind nur zu einem Teil planbar, vorhersehbar, einteilbar. Ja, ich denke, das ist das Anstrengendste in meinem Job", sagt Lampatz.

Aber die Arbeit macht ihm noch immer Spaß. Andere schütteln darüber den Kopf. "Für andere Menschen wäre mein Leben eine Sklaverei", sagt er. Im Bekanntenkreis musste er sich früher für seinen Einsatz und seinen Ehrgeiz rechtfertigen. Das tut er heute nicht mehr.

Und der Börsengang, wie hat der seinen Alltag verändert? "Ich bin in meinen Äußerungen sehr viel vorsichtiger geworden", sagt er. Lamaptz beschränkt sich in der Kommunikation mit den Anlegern aufs Nötigste. "Ich suche nicht den Kontakt zu den Journalisten, einmal im Jahr führe ich eine Konferenz mit Analysten, den Rest erledigt unser Finanzvorstand."

Holger Lampatz ist 44 Jahre alt, und im kommenden Jahr feiert er mit seiner Frau silberne Hochzeit. Seine 20-jährige Tochter studiert Textilwirtschaft, sein 18-jähriger Sohn bereitet sich aufs Abitur vor. Eine Zukunft in der Firma sehen weder sie noch ihre Eltern. "Das wäre auch nicht gut", meint Vater Holger.

Gegen halb fünf steckt Frau Spletzer ihren Kopf durch die Tür und fragt an, ob er noch Zeit habe für den Besuch aus Taiwan. "Die Jungs sollen ihn noch eine halbe Stunde unterhalten, ich komme dann runter", antwortet er. Schon gestern abend ist er mit dem Mann aus Fernost Essen gegangen. Er heißt Michael Chang, wie der Tennis-Spieler, und ist ein Monitorfabrikant aus Taiwan, die Firma heißt TVM, dort ist er der Chef, und den chinesischen und den deutschen Chef verbindet eine nun schon 14-jährige Geschäftsbeziehung.

Überhaupt sind China und die chinesische Kultur im Maxdata-Hauptquartier in Marl auf Schritt und Tritt zu spüren. Im Erdgeschoss zum Beispiel steht eine knapp drei Meter hohe und mehr als 600 Kilo schwere Vase, die mit einem Kran hineinbugsiert worden ist. Auch im Chefbüro finden sich Zeugnisse der engen Verbindung mit China. Zum Beispiel ein Bild, das einen chinesischen Glücksbringer darstellt. "Was mir an den Chinesen so gut gefällt, ist ihr Optimismus", sagt der Westfale Lampatz. "Der ist noch ausgeprägter als bei mir."

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