Elektronische Marktplätze auf dem Vormarsch

30.11.2000
Forrester Research glaubt, dass im Jahr 2003 industrielle Waren und Dienstleistungen im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar auf elektronischen Marktplätzen umgesetzt werden. In der Implementierung von Online-Handelsplattformen bieten sich Systemintegratoren neue Geschäftsfelder.

ComputerPartner hat bereits vor einem halben Jahr (Ausgabe 23/2000) über Online-Marktplätze berichtet. Damals konnte man ernsthafte Anbieter noch an einer Hand abzählen. Nun kamen einige neue interessante Mitspieler hinzu.

Zwar wird deswegen keinesfalls mehr auf deren Marktplätzen gehandelt - die meisten Interessenten schauen nur mal so rein -, aber wer heute die strategische Position eines Marktplatzbetreibers nicht besetzt, wird in zwei Jahren, wenn es nach der Gartner Group endlich losgehen soll, einen schweren Stand haben.

Parks für alle

Zu den Newcomern zählt zum Beispiel die Webpark AG. Zur diesjährigen Cebit stellte sich der neue Marktplatzbetreiber noch unter dem Namen Ecom AG der Öffentlichkeit vor. Im Oktober folgte nun der Namenswechsel, um deutlicher auf die Branchenplattformen Webparks aufmerksam zu machen.

Mittlerweile betreibt die schwäbische Company acht derartige Webparks, die sich unter anderem an Bootsbauer, Papierhersteller und seit neuestem auch an die Werkzeugindustrie und Datenkommunikationsspezialisten wenden. Dabei agiert die Webpark AG als Web-Dienstleister, der diese branchenspezifischen Plattformen den Markteilnehmern gegen eine feste monatliche Gebühr zur Verfügung stellt.

Jeder der Webparks fußt auf fünf Säulen: Tradeshow, Community, Suchmaschine, Marktplatz und Mietservice. Größter Erfolge erfreut sich nach wie vor die virtuelle Messe (Tradeshow). Hierin können sich einzelne Unternehmen, die in der betreffenden Branche tätig sind, eintragen lassen und in einer speziellen, ihnen thematisch zugeordneten Halle einmieten. Das Ganze fängt mit einem kostenfreien Eintrag an, der aber dementsprechend rudimentär ausfällt. Sollen dort mehr Informationen über ein Unternehmen als nur Postadresse und Telefonnummer erscheinen, werden natürlich Gebühren fällig — maximal 530 Mark.

Die Community-Schiene dient der Kommunikation der Spezialisten untereinander, dort werden Neuigkeiten ausgetauscht und Fachgespräche geführt. Das schnelle Auffinden von Kunden, Partnern und Lieferanten besorgt die integrierte Suchmaschine.

Am Marktplatz soll es schließlich zu tatsächlichen Geschäften kommen, sei es im Auktionsverfahren oder über Ausschreibungen. Doch gerade daran hapert es noch. Deswegen führt die Webpark AG momentan Gespräche mit anderen Marktplatzeignern. Es geht um die Zusammenlegung von mehreren Marktplätzen, um sie dann kostendeckend zu betreiben. Als Geschäftsmodell schwebt Webpark dabei eine prozentuale Beteiligung am Tranksaktionsvolumen vor. So sollen zwei Prozent des am Marktplatz anfallenden Umsatzes an den Betreiber abgeführt werden.

Und last but not least operiert Webpark als Application Service Provider (ASP) und vermietet seinen Kunden Bausteine für individuelle Lösungen, wie Online-Shops oder Business-TV-Anwendungen. So könnten sich auch kleinere Unternehmen auch komplexe CRM-Lösungen (Customer-Relationship-Management, Kundenbeziehungssysteme) leisten, an deren Kauf sie sonst nie denken würden. Die Mindestmietzeit von Software beträgt bei Webpark ein Jahr.

Werkzeug zur Einbindung des Fachhandels

Als absoluter Marktführer im Bereich der Online-Marktplätze gilt die Starnberger DCI AG. Daran hat sich auch seit dem Sommer nichts geändert. Damals ergab nämlich eine Umfrage unter den führenden 38 deutschen Marktplätzen, dass über DCIs "Web Trade Center" mehr als 42 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens im Business-to-Business-Bereich abgewickelt werden.

Auf der diesjährigen Systems präsentierte nun die Company ihr neues Werkzeug LGTS - Lead Generating and Tracking System. Diese Lösung soll es Hardware- und Software-Herstellern ermöglichen, mit ihren Fachhändlern noch besser zusammenzuarbeiten. Dabei geht es um die Kundenanfragen ("Leads"), die direkt beim Hersteller eingehen. Da dieser sie nicht verarbeiten kann und will, leitet er sie mittels LGTS an verschiedene Fachhändler weiter.

Ein Beispiel: Ein Großkunde fragt bei einem Monitorhersteller, ob er 17-Zoll-Bildschirme für weniger als 400 Mark pro Stück bekommen könnte. Der Hersteller leitet diese Anfrage an mehrere Fachhändler weiter. Diese wiederum erstellen ihre eigenen individuellen Angebote samt Service und senden sie an das LGTS zurück. Das System wiederum leitet die Fachhandelsangebote an den Kunden weiter. Dieser kann sich nun aus mehreren Angeboten das für ihn günstigste aussuchen und bei dem betreffenden Händler bestellen.

DCIs Lead Generating and Tracking System verfolgt all diese Vorgänge ganz genau und misst dabei zum Beispiel, welcher Händler in der Lage ist, besonders attraktive Angebote zusammenzustellen oder welche Fähigkeiten er bezüglich Kundenpflege aufweisen kann.

In diesem vollelektronischen System ist auch die Auswirkung von Marketing-Maßnahmen unmittelbar einsehbar. So kann der Hersteller etwa sofort feststellen, welche Resonanz eine Anzeige in einer Zeitschrift auf die Anzahl von Kundenanfragen zur Folge hat.

Für den Hersteller sind mit LGTS Investitionskosten im sechsstelligen Bereich verbunden, hinzu kommt eine transaktionsabhängige fünfstellige Monatsgebühr. Für den angeschlossen Fachhändler fallen erstmals keine Gebühren an, er rechnet das ganze mit seinem Lieferanten ab. Und dieser bekommt mittels der Lösung wertvolle Informationen über die angeschlossenen Fachhändler, etwa über deren Transaktionsvolumen, Preisstruktur oder zusätzliche Services, so dass er seinen Partnern kaum etwas in Rechnung stellen wird. "Die ersten Reaktionen der Hersteller auf unser System waren überwältigend", weiß auch Gerhard Trinkl, DCIs Vertriebsvorstand, von der diesjährigen Systems zu berichten. "Was den Interessenten besonders gut gefallen hat, war die enge Einbindung des qualifizierten Fachhandels in das System", so Trinkl weiter.

Einen reinen Marktplatz für Endverbraucher betreibt die Regensburger Offerto.com GmbH. Es handelt sich dabei um ein Auktionshaus. 1998 gegründet, nahm das Geschäft einen so erfreulichen Verlauf, dass sich nach etwas mehr als einem halben Jahr der Online-Discount-Broker Consors an Offerto mehrheitlich beteiligt hat.

Dabei agiert das Internet-Auktionshaus nicht nur als eine Plattform für alle, sondern organisiert auch regional begrenzte Versteigerungen. So können auch lokal handelnde Anbieter ihre Produkte absetzen.

Zusätzlich bietet Offerto seine Auktionssoftware im ASP-Modus feil. Unternehmenskunden können sich darüber eine Auktions-Software mieten, sie in die eigene Website integrieren und mit der Plattform von Offerto vernetzen. Das bedeutet, dass die Applikation selbst auf einem Server von Offerto läuft, der Käufer nutzt die Website des Anbieters lediglich als Einstiegsseite für die eigentliche Auktion.

Das Hosting der Basislösung kos-tet den Unternehmenskunden 300 Mark monatlich, hinzu kommt die einmalige Einrichtungsgebühr in Höhe von 5.000 Mark. Noch macht Offert alles selbst, agiert also sowohl als Marktplatzbetreiber als auch als Application Service Provider und sogar als Systemintegrator, falls der Unternehmenskunde sich eine Einbindung des eigenen Warenwirtschaftssystems in die Offerto-Plattform wünscht. "Wenn wir dabei weiterhin so erfolgreich agieren, werden wir hierfür schon bald Partner benötigen", skizziert Kirsten Schönharting, Offertos Ma-naging Director, ein mögliches Zukunftsszenario.

Denn der mögliche Implementierungsaufwand beim Kunden steigt proportional zum gewünschten Integrationsgrad. Soll etwa nur das Basismodul installiert werden, reichen dazu schon wenige Tage. Ist aber eine Lösung mit individuellen Design und Zusatzmodulen erwünscht, können auch schon einige Wochen für die Anpassungen draufgehen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Kunde eine möglichst enge Integration der Auktionssoftware an seine Datenbanken und ERP-Systeme haben möchte.

In ihrer jüngsten Studie "Business-to-Business-Marktplätze im Internet" kommt die Unternehmensberatung KPMG zu dem Schluss, das die Zeit für elektronische Handelsplätze nun gekommen ist. Nur auf diese Art und Weise werden die Akteure in der heutigen Handelslandschaft auch noch morgen dort mitspielen.

Zeit zum Handeln

Es kommt zur Ausbildung völlig neuartiger Wertschöpfungsketten, beispielsweise bei der Automatisierung des Beschaffungs-Managements - Stichwort E-Procurement. Auf diesem Feld tummeln sich neben großen Konzernen wie Oracle auch einige wenige Startups, so zum Beispiel die Onventis GmbH.

Das Stuttgarter Unternehmen bietet ein komplettes Konzept für die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen im Internet. Dazu zählt ein weitgehend automatisiertes Ausschreibungsverfahren, gefolgt von der eigentlichen Bestellung und Abwicklung des Geschäfts auf dem Marktplatz.

"Im Vergleich zum Vertrieb ist der Beschaffungsvorgang im Internet noch relativ unterentwickelt", erkennt Raimund Schlotmann, Geschäftsführer von Onventis. Seine Firma bezeichnet er auch als Procurement Service Provider (PSP) oder als ASP mit Mehrwert.

Denn Onventis möchte nicht nur seine Software für Beschaffungs-Management an Unternehmen vermieten, sondern gleichzeitig als Vermittlungsstelle zwischen Kunde, Anbieter, Lieferant und Partner auftreten. "Das lohnt sich auch bei geringem Transaktionsvolumen", behauptet Schlotmann. Ein weiterer Vorteil der Onventis-Lösung: Im Gegensatz zum kompletten Outsourcing der Beschaffung behält der Einkäufer die Fäden in der Hand. "So kann er sich beispielsweise seine Lieferanten immer noch selbst aussuchen", so der Onventis-Chef.

Es sieht also tatsächlich so aus, als ob es auf dem Gebiet der Internet-Handelsplätze Beschäftigungsmöglichkeiten für die verschiedensten Arten von Dienstleistern gäbe: neben den Marktplatzbetreibern auch für Lieferanten/Distributoren, Online-Shop-Anbieter, E-Procurement-Spezialisten, Logistikfachleute, für Online-Händler, Web-Integratoren und viele andere. (rw)

www.dci.de

www.kpmg.de

www.offerto.de

www.onventis.de

www.webpark.com

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