Endlich mal etwas Erfreuliches

05.07.2001

Corel-Chef Derek Burney darf die Korken knallen lassen. Die Ergebnisse der Corel Corporation lesen sich gut. 2,3 Millionen Dollar Nettogewinn im zweiten Quartal 2001 - zwar bei etwas weniger Umsatz als im Vorjahr, aber wichtig ist schließlich, was hinten rauskommt. Mit diesen Zahlen hat Burney das geschafft, was sein Vorgänger Michael Cowpland immer wieder hoch und heilig versprochen hatte. Und: Er hat es sogar früher geschafft, als er im Januar angekündigt hatte. "Im dritten Quartal des nächsten Jahres werden wir wieder profitabel arbeiten", hörte man aus Ottawa. Den Cowpland-geschädigten Investoren und Marktkennern zauberte das zunächst nur ein Gähnen in die Gesichter. Solche Versprechen kannte man ja schon. Hätte nicht Microsoft Ende vergangenen Jahres die Geldbörse gezückt, wäre es um Corels Liquidität schlecht bestellt gewesen.

Und nun, auf einmal, sind die Ergebnisse wieder schwarz. Doch um das Ruder derart herum zu reißen, bedurfte es einiger harter Maßnahmen - und bekanntlich sind die wenig populär. Die Kos-ten wurden rigide gesenkt. Jeder noch so kleine Bereich im Unternehmen wurde von Burney einer kritischen Prüfung unterzogen. Der Rotstift wurde zum Beispiel auch bei den lokalisierten Versionen der Corel-Produkte angesetzt. Die deutschen Word-Perfect-Fans mussten sich von der deutschen Version des Office-Paketes verabschieden. Lokalisierte Versionen rechnen sich nicht. Ob die WP-Fans nun zähneknirschend auf die englische Version umsteigen, weiß man noch nicht. Dazu gibt es noch keine Zahlen. Mit Sparen allein ist der Karren noch nicht aus dem Dreck heraus, und eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.

So kann man auch bei Corel einen Richtungswandel erkennen. Vor allem die eingekauften Metacreations-Produkte sind nun zu waschechten "Corels" geworden. Bryce 5 hat gerade den Reigen eröffnet. Dann folgen Knock-Out, KPT und Painter - all diese Produkte wird es nicht nur für Windows, sondern auch für den Macintosh geben. Die Kanadier wollen den Macintosh-Markt wieder zurückerobern, den sie eine ganze Zeit ziemlich vernachlässigt haben. Noch eine weitere Plattform erfreut sich bei Corel weiterhin großer Beliebtheit: Linux. Ein Bestandteil des Deals mit Microsoft war die Bedingung, dass Corel auf Anforderung seine Linux-Spezialisten an Microsoft ausleiht. Gut, die Aufforderung ist jetzt gekommen. 30 Corel-Leute sitzen schon daran, Microsofts Dotnet-Plattform auf Free BSD zu übertragen, damit man auch von Unix aus auf Dotnet zugreifen kann. Die drei Millionen Dollar, die dafür veranschlagt wurden, sind bereits vor Monaten auf die Seite gelegt worden. Und: "Für uns ist das toll, weil sich unsere Leute nun 'Dotnet' einmal genauer anschauen können und gleichzeitig draußen klar wird, dass wir auf diesem Gebiet die Fachleute sind", freut sich Burney.

Alles in allem schaut es bei den Kanadiern nicht schlecht aus. Erfreulich, nachdem man sonst aus der Branche immer nur Gewinnwarnungen und mehr oder weniger erfolglose Kostensparverrenkungen zu hören bekommt.

Gabriele Nehls

gnehls@computerpartner.de

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