Engands grösste Elektronik-Einzelhandelskette

15.04.1999

MÜNCHEN: Auf der Comdex in Las Vegas im letzten Jahr nahm Computergigant Intel ausgerechnet einen seiner besten Kunden ins Visier; die Dixons Group Plc, Englands größte Einzelhandelskette für Elektronik. Das britische Unternehmen erzielt im PC-Geschäft eine "unglaubliche Gewinnspanne", beklagte sich Craig Barrett, Hauptgeschäftsführer bei Intel, auf einem Presseempfang. Paul Ottellini, einer seiner "Oberleutnants", stimmt zu: Dixons haben eine solche Macht, daß sie auf dem englischen Computermarkt bestimmen könnten, "was verkauft wird und wieviel es kostet."Handelt es sich hier um jemanden, der in einem Silizium-Glashaus sitzt und mit Steinen wirft? Scheint so, wenn man sich Intel anschaut. Das Unternehmen hat den Ruf, auch nicht gerade zimperlich zu sein. Aber mit dem Statement, das in England verbreitet und ausführlich kommentiert wurde, schien die Geschäftsleitung von Intel den Nerv getroffen zu haben. Dixons schlug verärgert zurück, und der Chipgigant murmelte rasch eine Entschuldigung: Barrett hätte eigentlich sagen wollen daß nicht die Gewinnspanne von Dixons zu hoch sei, sondern die Preise - dann ist es ja gut.

Aber Intel ist nicht der einzige, der es auf Dixons abgesehen hat. Der Konzern ist auf dem weltweiten Elektronikmarkt einzigartig. Kritiker sagen sogar, man könne es mit der Angst bekommen. Denn seit Jahren sitzt die Firma auf dem Inlandsmarkt wie ein Koloß. Ihre fast 1.000 Läden gehören genauso zum Bild jeder englischen Stadt wie Kneipen oder Wettbüros. Dixons hat über 17.000 Angestellte, die mehr als 30.000 Produkte an ungefähr zwei Millionen Kunden im Jahr verkaufen, so daß im letzten Geschäftsjahr 2,77 Milliarden Pfund in den Kassen klingelten. Und am beeindruckendsten ist, daß ungefähr 60 Prozent der Heimcomputer in Großbritannien über Dixons Ladentische gehen. Wenn man den PC-Verbrauchermarkt mit der Automobilindustrie vergleichen würde, wäre Dixons ein Gegenstück zu GM, Volkswagen, Fiat, Renault und BMW zusammen unter einem riesigen Dach.

Die Marktmacht wird gnadenlos ausgenutzt

Aber Größe ist nicht alles. Intel, Microsoft und andere, deren Produkte Dixons verkauft, beklagen sich bitterlich über harte Preisverhandlungen und die hohe Handelsspanne. Verbraucherschützer beschweren sich, daß die Firma ihre Marktmacht dazu benutzt, hohe Preise für PCs verlangen - und das sei einer der Gründe, warum PCs in England generell teurer sind als sonstwo. Das britische Office of Fair Trading (OFT) untersucht diese Beschwerde zur Zeit, will sich aber nicht weiter dazu äußern. Phil Evan's Geduld, er ist Chefjurist bei der Consumer's Association, ist am Ende. "Viele Verbraucher - besonders die mit niedrigem Einkommen und wenig Erfahrung - haben das Gefühl, daß sie übers Ohr gehauen werden."

Auch die Konkurrenz schläft nicht. Da sie reichlich Möglichkeiten sehen, Dixons Preise zu unterbieten, fangen jetzt andere Einzelhandelsriesen wie zum Beispiel die Supermarktketten Tesco Plc. und ASDA Group Plc an, neben Fleisch und Cornflakes preiswerte PCs in die Regale zu packen und damit Dixons den Preiskrieg zu erklären. Eine neue Generation hungriger PC-Hersteller, unter anderem Fujitsu Ltd. aus Japan, Großbritanniens Einsteiger Time Computer Systems Ltd. und Tiny Ltd., kommt auf den Markt. "Dixons bekommt jetzt reichlich Konkurrenz", sagt Pete Day, ein führender Analyst beim britischen Marktforschungsinstitut Inteco Corp. in Woking. "Bei so vielen neuen Playern wird es für Dixons schwerer, den Markt allein zu kontrollieren."

Aber Dixons sitzt nicht tatenlos herum und will es den Kritikern zeigen. Der Konzern schlägt mit Preissenkungen zurück, um mithalten zu können. Vor kurzem wurde auch eine Reorganisation angekündigt, nach der das Unternehmen in drei Gruppen aufgeteilt wird und in diesem Jahr 2.000 neue Stellen geschaffen werden sollen. Der Aktienkurs ist astronomisch gewachsen, seit Dixons seinen kostenlosen Internet-Service Freeserve anbietet, der sich innerhalb von drei Monaten in England auf den ersten Platz katapultiert hat. "Der Markt hat auf die Einführung von Freeserve sehr positiv reagiert", sagt Noah Yaßkin, Analyst bei Jupiter Communications in London. "Doch solche kostenlosen Dienste stellen für die traditionellen Onlinedienste eine echte Bedrohung dar."

Briten kaufen lieber Markenprodukte

Dixons wehrt sich hartnäckig gegen Kritik an der Preispolitik und den Vorwurf, es irgendwie zu schaffen, den Ladenpreisindex eines ganzen Landes zu beeinflussen. Nach Aussage von Inteco lag der Einzelhandelspreis für einen PC inklusive Peripherie, Software, Gewährleistungs- vertrag und Mehrwertsteuer zwölf Monate lang bis Ende September vergangenen Jahres bei 2.020 Dollar. In Frankreich kostete das gleiche Angebot nur 1.660 Dollar und in Deutschland 1.520 Dollar. Daß sich dieser höhere Preis durchsetzen ließe, liege teilweise daran, erläutert Inteco, daß die Briten lieber Markenartikel mit allen möglichen Extras kaufen würden und daher auch bereit seien, etwas mehr zu bezahlen. Auch Nick Cadbury, Marketing-Direktor bei PC World, einer Tochterfirma von Dixons, findet nicht, daß die Preise in England zu hoch seien - außerdem spiegelten die Preisdifferenzen lediglich die höheren Immobilienpreise und Arbeitskosten wider.

"Der Markt ist sehr auf Wettbewerb eingestellt. Und unsere Preise sind schneller gefallen als sonst auf dem Markt", verteidigt Cadbury die Preisentwicklung. "Bei Industrievergleichen waren wir oft billiger als die Konkurrenz, und wir haben letzes Jahr schon gesagt, daß wir im Einzelhandel nie unterboten werden können." Die Gewinnspanne - "im unteren zweistelligen oder hohen einstelligen Bereich" - sei ein Beleg dafür, daß seine Preise stimmen:

"Wenn wir solche Spannen machen, weiß ich nicht, wie wir noch konkurrenzfähiger werden sollen."

Dennoch beklagen sich einige Mitbewerber und Lieferanten, daß Dixons den Markt zu fest im Griff hat. Das Unternehmen fing 1937 ganz klein mit einem Fotoladen an und machte sich während des Krieges mit Soldatenbildern einen Namen. In den sechziger Jahren kamen Kameras dazu und schließlich Consumerelektronik. Das Unternehmen wuchs schnell, zum Teil auch, weil Mitbewerber aufgekauft wurden. Außer den 346 Dixons-Läden gehören der Unternehmensgruppe heute auch die führenden Elektronikhändler PC World, Currys und The Link. Der Marktanteil bei PCs, der von Inteco mit 60 Prozent angegeben wird, stellt alle Mitbewerber in den Schatten: Die nächsten auf der Hitliste wie Tempo, Comet, Toys'R'Us, Powerhouse, Argos und Staples haben nur Marktanteile von zwei bis drei Prozent.

Im Vergleich dazu kontrollieren die größten Computerhändler in Frankreich und Deutschland nur etwa zehn Prozent des Marktes. Durch Vertriebskanäle wie das Internet und über Katalogangebote erzielt Dixons 19 Prozent vom gesamten englischen PC-Markt, sagt Inteco. Dixons widerspricht und gibt 15 Prozent an.

Die Nummer eins bekommt Konkurrenz

Doch nun wird die Nummer eins von immer mehr Firmen angegriffen. Im letzten Jahr beschwerte sich Fujitsu, ähnlich wie Intel, daß die Gewinnspanne bei "führenden" englischen Händlern zu hoch sei. Winfried Hoffmann, Fujitsus Europa-Chef, beklagt den Mangel an alternativen Absatzmöglichkeiten für Computer. Obwohl er zugibt, daß englische Einzelhändler höhere Kosten tragen müßten, glaubt er, daß andere Faktoren wie etwa günstige Importbedingungen durch das starke Pfund die zusätzlichen Kosten wieder ausgleichen würden.

Immer noch, sagt er, "können sich in England nur Gutverdienende einen Computer leisten." Fujitsu, dessen Tochter ICL Ltd. früher Englands größter PC-Hersteller war, hat nun beschlossen, Dixons und andere alteingesessene Händler zu umgehen.

"Wir kennen die Verhältnisse in Frankreich und Deutschland. Der Verbraucher sieht einen Computer, der so preiswert ist, daß er ihn bar bezahlen kann, packt ihn in den Einkaufswagen und geht damit nach Hause", sagt Judith Grindall, Sprecherin von Fujitsu Europa. "Das schien aber auf dem Markt in England nicht zu klappen, also haben wir uns etwas anderes einfallen lassen." Fujitsu nahm Kontakt mit Lebensmittelgigant Tesco auf. Gemeinsam starteten Fujitsu und Tesco im vergangen Juli in einem Londoner Geschäft ein Pilotprojekt und boten einen PC mit Minimalausstattung für 799 Pfund an. Das war der preiswerteste Rechner auf dem Markt. Die Verkaufszahlen sind laut Aussage der Analysten zwar noch bescheiden, aber sie steigen. Weder Fujitsu noch Tesco machen Umsatzangaben, aber die Zahl der Tesco-Märkte, die Computer anbieten, ist in den letzen sechs Monaten auf 84 gestiegen. Die Nachfrage sei so enorm, daß ab und zu der Lagerbestand ausgehe, sagt Tesco, und zu Stoßzeiten gebe es lange Käuferschlangen. Tesco arbeitet jetzt mit drei weiteren Computerherstellern, unter anderem mit der deutschen Siemens AG, und senkt weiter die Preise. Zu Weihnachten gab es sogar ein Sonderangebot für 489 Pfund.

Fujitsu zettelte damit eine Preisschlacht an. Einige Tage nachdem Tesco den ersten Computer von Fujitsu vorgestellt hatte, kam Dixons mit einem eigenen Billigmodell. Das Feilschen ging mit dem Angebot von Dixons Ende letzten Jahres weiter: ein Computer ohne Schnickschnack zu 499 Pfund. Supermärkte wie ASDA und Tesco schlugen wiederum mit allerniedrigsten Preisen für ihre Computer zurück. Dixons sagt, seine Preise seien wettbewerbsfähig. Und Cadbury fügt hinzu: "Was die Supermärkte nicht leisten können, ist der Kundendienst vor und nach dem Kauf mit dem dazugehörigen Service für die gesamte Lebensdauer des Geräts. Und wenn der Computer aufgerüstet werden muß, bieten wir unseren Kunden Service und Beratung."

Dixons hat allerdings noch mehr Konkurrenz bekommen. Und zwar sind das die sogenannten Direktvertreiber wie Time Computer Systems und Tiny. Sie produzieren auf Bestellung und annoncieren in Computerzeitschriften. Sie können die Preise niedrig halten, weil sofort nach der Produktion verkauft wird und keine Kosten entstehen. Vor einigen Jahren führte Time eine Marktforschung durch und kam zu dem Ergebnis, daß englische Verbraucher nach einer kostengünstigen Quelle für Computer suchen. Aber weil den meisten das Fachwissen fehlte, wollten sie nicht per Post bestellen.

Also startete Time landesweit mit kleinen Vorführräumen. Die Time-Verkäufer geben den Verbrauchern eine Einführung in die verschiedenen Bestandteile des Computers und geben ihnen eine Videokassette mit, die sie sich zu Hause in Ruhe ansehen können. Der Kunde bestellt per Telefon, dadurch kann Time auftragsbezogen fertigen. Auch diese Strategie hatte Erfolg, denn es gibt bereits 120 Vorführräume, in denen die Kunden erst einmal mit den Computern spielen können. Inteco meint, daß Time und Tiny inzwischen zusammen einen Marktanteil von 13 Prozent für sich beanspruchen. "Die Verbraucher wollen gerne im Geschäft kaufen, aber dafür sind die Kosten zu hoch. Wir geben den Kunden die Möglichkeit, sich das Produkt anzusehen, wir lassen den Zwischenhandel weg und können damit preiswert anbieten", so ein Time-Sprecher.

Preise in Bewegung

Abgesehen von der Konkurrenz besteht die Gefahr für Dixons, daß sich der Staat einmischt, und zwar über das "Office of Fair Trading". Der Elektronikmarkt wird generell überwacht, so wurde es zum Beispiel einigen Mobilfunknetzbetreibern untersagt, Wucherpreise für ihren Telefonservice zu nehmen. Vergangenes Jahr verbot das OFT nach einer ausführlichen Untersuchung des Verbraucherelektronikmarktes, Richtpreise für den Einzelhandel festlegen zu wollen.

Supermärkte und andere große Einzelhandelsketten erweiterten ihr Angebot daraufhin mit kostengünstigen Fernsehgeräten, Handys und CD-Spielern. Die Nachfrage war enorm: Am ersten Tag, als Tesco einen 28-Zoll-Fernseher von Amstrad für 250 Pfund anbot (im Gegensatz zu 700 Pfund, die dieses Geräte sonst kostet), standen die Leute frühmorgens schon Schlange. Amstrad ist seitdem durch den Verkauf von großen Mengen an Fernsehgeräten wieder in den schwarzen Zahlen.

Während einige Hersteller von Verbraucherelektronik sich davor scheuen und ihre Produkte nur in Fachgeschäften verkaufen, entgegnen die anderen, daß man diesen Massenabsatz nicht ignorieren könne. "Je mehr Möglichkeiten man hat, das Produkt den Kunden anzubieten, desto besser", sagt Tim Mabley, Verkaufs- und Marketing-Direktor der Pioneer High Fidelity Ltd.

Alle diese Aktionen haben den Profit von Dixons gedrückt. Obwohl sich die Firma über die letzten sechs Monate bei einem Bruttogewinn von 80,9 Millionen Pfund, was rund fünf Prozent mehr ist als im Vorjahr (77,1 Millionen) nicht beklagen kann, meinen Analytiker, daß der Schein trüge. Während Dixons weiterhin hohe Verkaufszahlen bei teuren Produkten wie Handys, Camkordern und Dekodern für Digitalfernsehen melden konnte, ist der Absatz für allgemeine Verbraucherelektronik und PCs zurückgegangen. Während der Absatz von Computern um 24 Prozent gestiegen ist, fiel der tatsächliche Verkaufswert um zwei Prozent.

Auch wenn sich die englische Regierung an der Verbraucherdebatte beteiligt, wollen Firmen wie Fujitsu und Siemens nicht auf das Ergebnis warten. Viele Hersteller verhandeln jetzt schon mit anderen Supermärkten und Einzelhändlern, sogar mit Boutiquen und Kaufhäusern. "Vielleicht haben wir den Zeitpunkt erreicht, wo auch andere Vertriebskanäle ihre Gewinnspanne überdenken und diesem Markt beitreten wollen", sagt Hoffmann von Fujitsu.

Kimberley A. Strassel

Der Artikel erschien erstmals in Convergence, einer gemeinsamen Publikation von Wall Street Journal Europe und Handelsblatt, Ausgabe 1, Frühjahr 1999.

Schluß mit lustig: Intel unter CEO Craig Barrett (links) und Fujitsu unter Europa-Chef Winfried Hoffmann haben Dixons den Kampf angesagt.

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