Entlassungen und andere Schreckensmeldungen der IT-Branche

19.04.2001

Ein Blick auf Unternehmen und Märkte lehrt: Derzeit gibt weltweit der Bär den Ton an. Wer sich über die Quartalsberichte nicht nur von IT-Unternehmen beugt, blickt auf Entlassungen sonder Zahl. So mancher - beispielsweise Chris Galvin, CEO des IT-Riesen Motorola - bemühte sogar die Rezession der Weltwirtschaft Mitte der 70er Jahre, um sich und dem Publikum die derzeitige Wirtschaftsmalaise zu erklären, und wer heute noch auf seinen Nemax-Aktien sitzt, um "seine Rente zu sichern", dürfte sie allenfalls als verleihbare Aussichtstürme zu Geld machen können. Es scheint, als würden mit den Träumen der New Economy auch die stocknüchternen Marktaussichten der Old Economy unsanft zu Boden gehen.

Doch wie so oft lohnt ein zweiter Blick auf die Szenarien aus der Unternehmens- und insbesondere der IT-Welt. Zum Beispiel, wenn von Entlassungen zu Tausenden die Rede ist. Laut dem amerikanischen Ökonomen Gary Burtless publizieren IT-Unternehmen solche Meldungen aus dem ausgesprochen prosaischen Beweggrund, ihre Kurse zu halten und die Investoren zu beruhigen. "Investoren lieben solche Nachrichten. Dann glauben sie, das Management greift beim Kostensparen durch und kümmert sich um ihren Profit", erklärte er. Ähnlich unaufgeregt schätzt Jonathan Grew, Analyst bei US-Marktforscher IDC, zahlreiche Horrorentlassungen ein. Der Großteil der Entlassungen erfolge in einem Zeitraum von zwei Jahren "mittels natürlicher Fluktuation". Falls sie nicht unterblieben, weil sich die Wirtschaftslage wieder stabilisiert habe. Im Übrigen zeigten die vielen Hunderttausend offenen Stellen im Internet, wie gesucht Arbeitskräfte seien.

Man mag dagegen einwenden, dass der Crash der Dotcoms real und die Krise der IT-Branche kein Medienereignis ist, sondern beide wirklich sind, und dass die Käuferzurückhaltung in den ökonomisch treibenden Ländern eindeutig nachgewiesen ist. Dem soll nicht widersprochen werden. Doch ebenso richtig ist, dass die weltweiten IT-Ausgaben nach wie vor hoch sind - sie liegen bei rund zehn Prozent der Firmenausgaben, und der Produktivitätszuwachs etwa der US-Ökonomie mit 2,2 Prozent im vierten Quartal 2000 ein deutliches Wachstum aufweist. Kurzum, allen Schreckensmeldungen und bleichgesichtigen Fondsanalysten zum Trotz boomt die vernetzte Wirtschaft. Das Internet ist auf dem Vormarsch, und die Geschäftsmöglichkeiten sind breiter gestreut denn je.

So ist zu folgern: Die Krise der IT-Branche hat weniger mit der ökonomischen Entwicklung im Großen zu tun als mit Faktoren, die Unternehmen selbst betreffen. Diese Faktoren reichen von Überproduktion infolge allzu optimistischer Absatzerwartungen - siehe Cisco - über ruinöse Produktpolitik - siehe Motorola - bis hin zu klaren Management-Fehlern - siehe Intershop. Die Lehre daraus, wenn es denn eine gibt, heißt: Es ist wichtiger denn je, sich die Unternehmen, mit denen man Geschäfte macht oder machen will, genau anzusehen. Wie sind sie aufgestellt? Wohin entwickeln sie sich? Wie heißen die aktuellen Kennzahlen und die Konkurrenten? Wer das sorgfältig analysiert und folgert, muss die Krise der Ökonomie nicht fürchten.

Wolfgang Leierseder

wleierseder@computerpartner.de

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