Europäische Währungsunion

12.03.1998

EUROPA: Auch wenn die neue Währung seit einiger Zeit vom Thema Jahr-2000-Umstellung in den Hintergrund gedrängt wird, steht eines fest: Der Euro kommt. Und während das Jahr 2000 noch mehr als ein Jahr entfernt ist, fängt die Umstellung auf den Euro schon in etwas weniger als einem Monat an. Zeit also, sich ein paar Gedanken über den Stand der Dinge und deren Auswirkungen zu machen.Von den 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nehmen elf an der Europäischen Währungsunion (EWU) teil (siehe Tabelle). Nicht mit dabei sind zunächst einmal Großbritannien und Dänemark, die Gebrauch von der sogenannten "Opt-out-Klausel" machen. Damit können sie der EWU fernbleiben, auch wenn sie die Konvergenzkriterien erfüllt haben. Schweden möchte erst später in die EWU eintreten. Grund: Die schwedische Krone sei auch während der letzten zwei Jahre nicht im europäischen Währungssystem vertreten gewesen. Einziger EU-Staat, der die Konvergenzkriterien nicht erfüllt hat und deshalb nicht teilnehmen darf, ist Griechenland. Alle anderen haben, wenn auch teilweise sehr knapp, die Kriterien erfüllt und werden ab dem 1.1.1999 die neue europäische Währung, den Euro, einführen.

Ebenfalls am 1.1. werden die endgültigen Wechselkurse der Landeswährungen zum Euro von der Eurozentralbank festgelegt werden. Voraussichtlich wird der alte ECU für den Kurs herangezogen werden, das heißt eine Mark wird dann rund 0,51 Euro wert sein.

Euro: geliebt, gefürchtet und gehasst

Ob die gemeinsame Währung ein Segen ist oder eher den sicheren Absturz in Inflation und Armut bedeutet, darüber scheiden sich die europäischen Geister. Der Vorteil ist sicherlich, daß die lästigen Wechselkursschwankungen oder die Zölle wegfallen und somit der Handel mit Nachbarländern erheblich einfacher und lukrativer wird. Außerdem hoffen die Freunde des Euro, daß sich die Preise innerhalb der EU angleichen. Bis es soweit ist, wird es allerdings noch eine ganze Weile dauern, denn das Zusammenwachsen der einzelnen EU-Staaten geschieht nicht von heute auf morgen. Bis dahin werden die Spanier für ihren Big Mac immer noch weniger zahlen als die Dänen (siehe Seite 90).

Die Gegner der Währungsunion warnen insbesondere vor steigenden Inflationsraten und einem "weichen" Euro. Diese Befürchtungen sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Es gibt zwar mit der Europäischen Zentralbank ein Kontrollorgan, die über die Finanzen der EWU wacht. Diese allerdings wird wiederum von keiner politischen Instanz überwacht. Im Moment haben zwar alle Mitglieder die Konvergenz-kriterien erfüllt. Was aber passiert in Zukunft? Werden die Gesamtschulden der einzelnen Mitglieder auch in Zukunft das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht mehr als 60 Prozent übersteigen? Wird das Haushaltsdefizit der EWU-Länder auch in den nächsten 20 Jahren höchstens drei Prozent des BIPs betragen?

Auch die Stimmung in der Bevölkerung ist zweigespalten. Eine Umfrage der EU-Kommission ergab, daß rund 60 Prozent aller Europäer für die Einführung einer gemeinsamen Währung sind. In jedem europäischen Land wurden 1.000 Bürger befragt, wie sie zum neuen Geld stehen. Am positivsten sehen die Italiener den Euro - rund 78 Prozent freuen sich auf die neue Währung. In Finnland dagegen findet das gemeinsame Geld nur wenige Sympathisanten: 33 Prozent sind mit der Euro-Einführung einverstanden. In Deutschland liegt die Rate der Befürworter inzwischen bei rund 40 Prozent, 45 Prozent sind dagegen, und 15 Prozent haben dazu keine Meinung.

Die Einführung in der Praxis

Am 1.1.1999 ist es soweit: Alle bargeldlosen Zahlungen können sowohl in Euro, als auch in der jeweiligen Landeswährung durchgeführt werden. Die Banken stehen in den Startlöchern - Überweisungsvordrucke zum Beispiel sehen schon seit geraumer Zeit ein Plätzchen für den Euro vor. Die Zahlung in Euro wird sich vor allem erst einmal im Import- und Exportbereich durchsetzen. Wenn zum Beispiel der Preis für eine Wagenladung Tastaturen mit dem französischen Geschäftspartner von vornherein in Euro ausgehandelt wird, vermeidet man Risiken durch Währungsschwankungen oder Rundungsfehler.

Die endgültige Einführung der Scheine und Münzen startet erst 2002. Für ein halbes Jahr werden dann sowohl die Gemeinschaftswährung als auch die jeweilige Landeswährung im Umlauf sein. Während dieser Zeit werden die rund zwölf Milliarden Banknoten und die gut 70 Milliarden Münzen durch die europäische Gemeinschaftswährung ersetzt.

Die Verbraucher allerdings sollten schon vorher vom Einzelhandel an die Gemeinschaftswährung gewöhnt werden. Der Hauptverband des deutschen Einzelhandels beispielsweise plädiert dafür, die ersten Schritte in Richtung Euro schon ab Mitte 1999 zu unternehmen (siehe Artikel auf Seite 92).

Und spätestens hier prallt Theorie auf Praxis. Denn zu den Schwierigkeiten, die im Alltag zuerst mit der doppelten und später mit der neuen Währung auftauchen, gibt es nur vage Vorschläge. Wie soll zum Beispiel die Preisauszeichnung aussehen? Doppelt? Nur auf den Preisschildern oder auch auf dem Kassenbon? Für jeden Posten einzeln oder nur für den Gesamtbetrag? Die Verbraucherverbände (AgV) fordern die doppelte Auszeichnung vehement. Der Grund: Preistransparenz. Die Bundesarbeitsgemeinschaft des Einzelhandels (BAG) dagegen meint, Verbaucher würden durch doppelte Preise eher verwirrt. Sie schlägt statt dessen kostenlose Taschenrechner und Umrechnungstabellen für den Käufer vor.

Und was passiert mit den sogenannten Schwellenpreisen? Das Sonderangebot für 9,99 Mark wird in Euro umgerechnet nicht mehr ganz so verlockend aussehen. Verbraucherverbände fürchten dadurch Preiserhöhungen, die BAG fordert die Preissetzungsfreiheit und verweist auf das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage.

Eine weiteres Problem ist die Phase der doppelten Währung. Für dieses halbe Jahr müßten normalerweise neue Kassensysteme eingeführt werden, die beide Währungen angeben. Doch diese Investition lohnt sich für den Handel nicht, denn nach einem halben Jahr ist der Spuk vorbei. Die Zeitschrift "Dynamik im Handel" schätzt die zusätzlichen Kosten für den Handel auf rund 8,5 Milliarden Mark. Ob die Kosten vom Einzelhandel getragen werden, ob die EU unterstützend einspringt oder die Verbraucher den Euro bezahlen müssen, das steht noch in den Sternen der Euroflagge.

Ein Quentchen nationalität bleibt dennoch

Trotz aller Schwierigkeiten - der Euro wird kommen, und die Mitgliedstaaten der EU sind schon emsig beschäftigt, die Scheine und Münzen zu produzieren. Doch wer meint, die Europäer hätten sich auf ein einheitliches Design geeinigt, sieht sich getäuscht. Zumindest die Rückseiten der Münzen sind je nach Herstellungsland verschieden. Belgien zum Beispiel schmückt seine Münzen mit dem Portrait von Prinz Albert II. Auf Irlands Münzrückseite prangt die Harfe, und Portugals Centstücke haben verschiedene historische Siegel auf der Kehrseite. Deutschland hat sich für den Bundesadler, das Brandenburger Tor und das Pfennig-Eichenlaub entschieden. Insgesamt wird der europäische Verbraucher also mit 88 verschiedenen Münzdesigns konfrontiert, und das bei acht verschiedenen Centwerten. Soviel zur europäischen Einheit.

Für Betriebe müßte die Umstellung der Hauswährung auf den Euro eigentlich schon fast durchgeführt sein. Im großen und ganzen ist dem jedoch nicht so. Selbst große Konzerne hinken mit den Maßnahmen zum Euro hinterher. Hier ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei den Vorbereitungen zum Jahr 2000.

Lieber dreimal testen als einmal Schiffbruch

Eine Vorreiterrolle hat der medizinische Konzern Fresenius übernommen. Zusammen mit Sun hat Fresenius die Umstellung bereits dreimal geprobt - unter möglichst praxisnahen Bedingungen (siehe Artikel auf dieser Seite).

Grundsätzlich gilt: Je größer der Datenbestand, desto dringlicher sind die individuellen Vorbereitungen. Belege müssen auf Euro umgestellt werden, Programme müssen mehrwährungsfähig sein, Preise oder Gewichtseinheiten müssen neu kalkuliert werden... Diese Aufzählung ließe sich noch eine ganze Weile fortführen. Vor allem die Banken haben sich inzwischen darauf spezialisiert, ihren Firmenkunden Hilfestellung in Form von Broschüren, Checklisten oder Beratungsgesprächen in bezug auf die Euroumstellung zu geben. Auch Hersteller von Hard- und Software informieren ihre Kunden oder bieten Consulting zur Umstellung an.

Trotz aller Befürchtungen birgt die Einführung des Euro in Verbindung mit dem vereinten Europa auch große Chancen. Durch die Einheitswährung entstehen neue Märkte. Zwar wird der Kreis der Mitbewerber sich vergrößern, aber ebenso wird die Nachfrage steigen. Kooperationen werden erleichtert durch den Wegfall der Währungshürden. Die Verbraucher werden die Preise nicht mehr nur innerhalb des eigenen Landes vergleichen, sondern innerhalb von Europa.

Zusätzlich werden durch den Euro neue Produkte und Arbeitsmärkte geschaffen. Ein Beispiel dafür sind die Automatenhersteller, die in nächster Zeit volle Auftragsbücher haben werden. Durch die neuen Münzen wird der Bedarf an neuen Münzautomaten steigen und mit ihm auch die Nachfrage nach neuen Ideen, Produkten und Arbeitskräften. Dadurch werden neue Märkte geschaffen, die sich vielleicht heute noch niemand vorstellen kann. Wer sich auf die Umstellung vorbereitet und sowohl Augen als auch Ohren offen hält, wird aus der Euroeinführung Nutzen ziehen. (gn)

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