Fachhandel hat die Fäden in der Hand

26.04.2001
Die Bundesregierung hat eingelenkt. Die Gewährleistungsfrist, die noch Anfang letzter Woche wie ein Damokles-Schwert über den Köpfen der IT-Industrie schwebte, wird nun doch nur auf zwei statt auf drei Jahre verlängert. Dennoch: Hersteller wie auch Verbände gehen nach wie vor von Preiserhöhungen aus.

Wenn am 1. Januar 2002 die gesetzliche Gewährleistungsfrist von derzeit sechs Monaten auf europaweit zwei Jahre verlängert wird, dann wird sich dies schon dieses Jahr maßgeblich auf die Preise bei Handys und IT-Hardware auswirken. Damit rechnen sowohl die betroffenen Hersteller als auch Verbände wie der Bundesverband der Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom).

Bitkom gibt nicht nur der Fristverlängerung die Schuld an den immensen Kosten, die auf die Indust-rie zukommen. Auch Elektro- schrottverordnung und Urheberrechts-Abgaben schlagen kräftig zu Buche. Doch die vervierfachte Garantiefrist wird den "Löwenanteil" der fünf bis zehn Milliarden Mark Mehrkosten ausmachen. "Wir gehen 2001 von Preiserhöhungen zwischen 10 und 20 Prozent aus", warnt Udo Kuttenbaum, Leiter des Produktmanagements bei Brother, gegenüber dem "Handelsblatt". Doch dies einfach an den Endkunden weiterzugeben, sei nicht so leicht. "Wir können nur das an die Kunden weitergeben, was der Markt erlaubt", schränkt Dieter Angermaier, zuständig für das Marketing bei Minolta, ein. Und der Weg zum Markt, also zum Endkunden, geht für die Hersteller über die Distributoren und den Fachhandel.

Die Distis lehnen sich erst einmal zurück. Martin Löffler, Geschäftsführer des Broadliners Computer 2000, sieht das Problem sowieso nicht so eng: "In einigen EU-Ländern besteht schon von Gesetz wegen eine zweijährige Gewährleis-tungspflicht. In sofern wird die Vereinheitlichung innerhalb der EU für die Hersteller eher kein Novum sein", vermutet er. Löffler verlegt sich bei der Entscheidung auf Marktbeobachtung: "Wenn sich die Preise im Markt senken, senken auch wir die Preise - und umgekehrt."

Kurzlebige Produkte fliegen raus

Im Klartext: Die Broadliner geben den schwarzen Peter an die Händler weiter. Und was macht der Fachhandel? Für Hubertus Kühner, Jurist beim bei Hewlett-Packard, ist klar: "Die Händler, die für die Garantie gegenüber dem Endkunden geradestehen müssen, werden mit Forderungen auf die Hersteller zukommen", schätzt er in einem Interview. Der Fachhandel selbst reagiert abwartend auf die zu erwartenden Preissteigerungen. "Wir bilden uns gerade eine Meinung über die Verlängerung der Gewährleistungsfrist und wie wir in der Sache verfahren. Wie die einzelnen Hersteller reagieren, müssen wir abwarten", erklärt Dariusz Zwacka, Director Purchase Dpt. bei Alteco Computer in Möhnensee. Dennoch weiß er schon jetzt, dass sich die veränderten Fris-ten auf die Zusammenstellung seiner Produktpalette auswirken wird. "Produkte mit einer Gewährleistung von nur sechs Monaten werden wir vermutlich durch andere ersetzen", kündigt er an. Der Geschäftsführer der GHL Computer in Mönchengladbach, Bernd Gretscher, sieht ebenfalls handfeste Herausforderungen auf den Fachhandel zukommen. "Wir stehen hier beim Zusammenbauen von Systemen vor dem Problem, dass die Komponenten schneller vom Markt verschwinden als die Garantie gilt. Der Ersatz vom Hersteller passt dann nicht mehr zum System", befürchtet er. "Deshalb planen wir Systeme langfristiger, bauen lieber Teile ein, von denen wir wissen, dass sie noch länger lieferbar sind." Er verweist auf den Hersteller 3Com, der schon jetzt lebenslange Garantie auf seine Produkte gibt. "Der Fachhandelskunde ist bereit, dafür auch mehr zu bezahlen", so Gretscher.

Der Endkunde ist bei dem ganzen Dilemma scheinbar der lachende Part, vorausgesetzt er legt Wert auf Qualität und nicht auf Schnäppchen. Und so klingen auch die Stimmen, die aus dem Endkundenlager zu hören sind. "Weg mit Billigwaren und zurück zu Produkten, die auch jahrelang ohne Reklamation funktionieren", appelliert ein Verbraucher. Er hat mit der Industrie überhaupt kein Mitleid: "Nicht eingehaltene Preisdisziplin, Preiskämpfe, ja sogar Preis-Dumping und die ruinöse Be- kämpfung der Konkurrenz mit allen Mitteln führt nun zu einem jämmerlichen Gejammer der Indust- rie und des Handels", schimpft er. "Der Zwang und der Druck auf die Qualität wird durch eine gesetzliche Garantieverlängerung ver- stärkt. Die Verbraucher sollten sich darauf einstellen, höhere Preise für ein Qualitätsprodukt bezahlen zu müssen."

www.europarl.eu.int/home/default_de.htm

ComputerPartner-Meinung:

Die Verlängerung der Gewährleis-tungsfrist ist wieder einmal ei-nes jener Ereignisse, die zuerst als unmöglich verdonnert werden, dann aber letztendlich doch eine positive Entwicklung in Gang setzen. Es war schon immer so, dass die Endkunden bereit waren, für wirklich bessere Qualität auch mehr zu zahlen. In diesem Falle wird der Fachhandel als Kanal in umgekehrter Richtung fungieren. Denn wenn die Partner kurzlebige Produkte aus ihren Portfolios entfernen, werden auch die Hersteller sehr schnell umdenken. (gn/kj)

Zur Startseite