Fehler machen Vertrag ungültig

23.03.2006
Von Max Keller
Bei so genannten Technologie-Lizenzvereinbarungen wird häufig die Bedeutung des Kartellrechts unterschätzt. Rechtsanwalt Max-Lion Keller erklärt, wie man sich vor Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen schützt.

Oftmals wird bei der Erstellung von Technologie-Lizenzvereinbarungen die Bedeutung des Kartellrechts völlig verkannt. Gerade im Bereich der Technologie-Lizenzvereinbarungen stellt das Kartellrecht jedoch einen enorm wichtigen Rechtsbereich dar. Verstößt nämlich eine Klausel aus dem jeweiligen Lizenzvertrag gegen geltendes Kartellrecht, kann dies dazu führen, dass die entsprechende Klausel unwirksam, ja sogar unter Umständen nach § 139 BGB der gesamte Technologie-Lizenzvertrag nichtig ist.

Bei dieser Rechtsfolge muss es nicht einmal bleiben: Das jeweilige Unternehmen setzt sich darüber hinaus der Gefahr von Unterlassungs- wie auch Schadensersatzansprüchen Dritter aus. Zudem drohen Bußgelder seitens der Kartellbehörden.

Vor diesem Hintergrund sollte man sich zumindest mit den Grundprinzipien des Kartellrechts vertraut gemacht haben.

Kartellverbot des Art. 81 EGV

Ausgangspunkt der Frage, ob sich eine Lizenzvereinbarung mit den Vorgaben des Kartellrechts verträgt, ist das europäische Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EGV (unter www.it-recht-kanzlei.de abrufbar). Nach Art. 81 EGV sind Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen zwischen Unternehmen, die den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verfälschung, Einschränkung oder Behinderung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten. Diese Formulierung ist jedoch so weit gefasst, dass sie durch die europäische Kommission und die Gerichte bereits mehrfach eingeschränkt worden ist.

Wettbewerbsbeschränkung muss spürbar sein

Enthält der Technologie-Lizenzvertrag eine Wettbewerbsbeschränkung, egal welcher Art, ist nur dann der Anwendungsbereich des Art. 81 Abs. 1 EGV eröffnet, wenn die daraus folgenden Wettbewerbsbeschränkungen auch spürbar sind. Hierbei kann als Faustregel gelten, dass eine Spürbarkeit dann angenommen werden kann, wenn die beteiligten Unternehmen Wettbewerber sind und ihr gemeinsamer Marktanteil zehn Prozent nicht überschreitet. Sollte es sich bei den beteiligten Unternehmen nicht um Wettbewerber handeln, wird eine Wettbewerbsbeschränkung meist nur dann anzunehmen sein, wenn der gemeinsame Marktanteil 15 Prozent übersteigt.

Weitere Einschränkungen

Art. 81 Abs. 3 EGV bringt eine weitere Einschränkung des Kartellverbots des Art. 81 Abs. 1 EGV mit sich. Demnach sind wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen dann vom Kartellverbot ausgenommen, wenn nach einer zutreffenden Abwägung die gesamtwirtschaftlichen Vorteile die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen überwiegen. Das Problem liegt nun darin begründet, dass die angesprochene Abwägung von den Unternehmen selbst durchzuführen ist. Hilfestellung leisten zwar die in Art. 81 Abs. 3 EGV aufgeführten Tatbestandsmerkmale, jedoch sind diese dermaßen unbestimmt gehalten ("angemessene Beteiligung der Verbraucher"), dass für das Gros der Unternehmen in der Regel ohne kompetenten rechtlichen Rat kaum zu klären ist, ob Art. 81 Abs. 3 EGV nun auf den gegenständlichen Lizenzvertrag einschlägig ist oder nicht.

Abhilfe leisten hier die so genannten Gruppenfreistellungsverordnungen. Diese typisieren in abstrakt-genereller Weise bestimmte Sachverhalte, bei denen angenommen wird, dass kein Verstoß gegen das Kartellrecht vorliegen würde. Um es klarzustellen: Gruppenfreistellungsverordnung verpflichten die Unternehmen nicht dazu, sich in der Weise zu verhalten, wie in den Gruppenfreistellungsverordnungen vorgesehen. Indem jedoch ein Unternehmen sein Verhalten an den Inhalt der jeweils maßgeblichen Gruppenfreistellungsverordnung anpasst, kommt es in die komfortable Situation, von vornherein einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EGV zu vermeiden. Der Vorteil der Gruppenfreistellungsverordnung liegt also darin, dass grundsätzlich sämtliche Vereinbarungen einer bestimmten Art (Gruppe) mit ihrem gesamten Inhalt freigestellt werden. Dies gilt jedoch nur, solange bestimmte Marktanteilschwellen nicht überschritten werden. Dies hat wiederum zu Folge, dass die Mehrzahl der Vereinbarungen von kleinen und mittelständischen Unternehmen freigestellt ist. Ausnahmen ergeben sich hierbei nur bei einer Reihe generell verbotener Wett- bewerbsbeschränkungen, den so genannten Kernbeschränkungen (sog. "Hardcore-Kartelle").

Empfohlene Herangehensweise

Die Prüfung der kartellrechtlichen Wirksamkeit eines Lizenzvertrages oder einer einzelnen Lizenzbestimmung erfolgt in mehreren Schritten:

Schritt 1: Zunächst einmal muss überprüft werden, ob der Anwendungsbereich des Art. 81 Abs. 1 EGV bzw. § 1 GWB überhaupt eröffnet ist. Dies ist immer nur dann der Fall, wenn der jeweilige Lizenzvertrag eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken würde. Ist die Möglichkeit einer solchen Wettbewerbsbeschränkung gegeben, gelangt man zu Schritt 2.

Schritt 2: Bevor man sich der langwierigen und schwierigen Prüfung hingibt, ob die jeweilige wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung im Sinne des Art. 81 Abs. 3 EGV bzw. § 2 GWB ausgenommen ist, sollte man sich zunächst den Gruppenfreistellungsverordnungen zuwenden und prüfen, ob nicht der Anwendungsbereich einer solchen Gruppenfreistellungsverordnung eröffnet sein könnte. Beispiele wären sektorspezifische Gruppenfreistellungsverordnungen, Gruppenfreistellungsverordnungen für horizontale Vereinbarungen oder auch vertikale Vereinbarungen. (Auf der Homepage www.it-recht-kanzlei.de finden Sie die wichtigsten Gruppenfreistellungsverordnungen aufgeführt.)

Schritt 3: Erst wenn man zum Schluss kommt, dass keine Gruppenfreistellungsverordnung einschlägig ist, hat man sich der ("riskanten") Prüfung des Art. 81 Abs. 3 EGV hinzugeben. Zum Schluss soll nicht unerwähnt bleiben, dass insbesondere Gruppenfreistellungsverordnungen für Technologietransferleistungen (GVO-TT) die wesentliche Regelungsmaterie für Technologie-Lizenzverträge darstellen. Die Regelungen der GVO-TT sind jedoch dermaßen komplex geraten, dass die Gestaltung und Prüfung von Lizenzverträgen nach diesem Regelungswerk ein eigenes Thema darstellen.

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