Flaute im Consumer-Geschäft: "April und Mai waren ein Desaster"

21.06.2001
Der Absatz im Consumerkanal hat einen Tiefpunkt erreicht: Hersteller und Broadliner bemerken erste Sättigungstendenzen - insbesondere schwächelt der Vertrieb über die Consumer-Elektronik-Ketten. Die Computershops sprechen dagegen von Wachstumsquoten im zweistelligen Bereich.

In den Consumer-Abteilungen der großen PC-Hersteller herrscht miese Stimmung: "April und Mai waren ein Desaster. Im PC-Geschäft müssen wir mit roten Zahlen leben", berichtet der Consumer-Chef eines namhaften Anbie- ters. Das Fatale daran ist, dass es für das viel zitierte Sommerloch eigentlich noch zu früh ist. Auch das Wetter kann diesmal - wie im vergangenen Jahr in den Monaten Mai und Juni - nicht als Begründung dienen, da ganz Deutschland im Regen versank. Der launische Endanwender blieb dennoch zu Hause und hortete sein sauer Erspartes lieber für den anstehenden Mallorca-Urlaub und den nächsten Besuch an der Tankstelle.

Womit sich im PC-Handel Geld verdienen ließ, waren Peripheriegeräte. Und hier ging der Anwender zum Computershop um die Ecke. "Das zweite Quartal war deutlich ruhiger, aber nicht desaströs. Allerdings haben wir jedes Jahr Mona-te, die deutlich abflauen: Mal sind es Juli und August, mal Mai, Juni", meint Vorstandssprecher Frank Roebers bei PC-Spezialist. Im Ap-ril hätten seine Franchise-Nehmer zehn Prozent über dem Vorjahr gelegen; im Mai seien es allerdings nur fünf gewesen. "Das sind immer noch Zuwächse, wenn auch im einstelligen Bereich. Gut gelaufen sind Zusatzgeräte wie Digitale Fotografie, MP3 und Mobile Computing", berichtet Roebers. Ebenfalls vom Peripherieabsatz profitierte Atelco: "Käufer, die im vergangenen Jahr bei Media-Markt oder den Lebensmittelketten zugeschlagen haben, kommen jetzt zu uns, um entweder ihren Rechner aufzurüsten oder Peripheriegeräte zu kaufen. Dieser Bereich macht bei uns mehr aus als das PC-Geschäft", sagt Darius Zwacka, Einkaufsleiter bei der Atel- co AG. Auch er verzeichnet derzeit nach eigenen Angaben zweistellige Steigerungszahlen.

"Das ist jetzt das normale Geschäft: Die Goldgräberzeit ist vorbei", stellt dagegen Vobis-Chef Jürgen Rakow klar. Vobis habe aufgrund einer umfassenden Reorganisation, der die Hälfte der Vobis-Läden zum Opfer fielen, bereits Kosten und Standorte optimiert und weise im April und Mai dementsprechend ein zweistelliges Wachstum im Vergleich zum Vorjahr aus. "Wir haben die notwendige Restrukturierung bereits abgeschlossen, die anderen noch be- vorsteht", so Rakow.

Heulendes Elend im deutschen PC-Geschäft

Das heulende Elend macht sich dagegen bei den PC-Herstellern breit.

Die in der Vergangenheit absatzträchtigen Kanäle wie Consumer-Electronic-Ketten, Tankstellen oder Aldi & Co. scheinen ausgereizt: "Die Industrie hat in den letzten Jahren auf Mengenvermarktung gesetzt und alle Endkunden-Kanäle mit den gleichen Produkten auf hohem Niveau versorgt. Das hat den Markt versaut", meint Klaus-Peter Voigt, Chef der Media-Markt-Saturn-Gruppe. Biete man den PC überall - auch zwischen Konserven und Leberwurst - an, nehme man dem Produkt seinen Reiz.

"Die Lagerbestände bei den Großflächenmärkten sind sehr hoch: Im April und Mai gab es kein Wachstum im Consumer-Segment", schießt Uli Kemp, Geschäftsführer bei FSC zurück. Ja, die Lagerbestände bei Media-Markt-Saturn waren hoch, man habe mit einer Abwertungsorgie reagiert und jeden Rechner im Schnitt um 300 Mark im Preis gesenkt, räumt Voigt ein. "Der Kunde will kein riesiges PC-Angebot von unzähligen Herstellern mehr, sondern eine reduzierte, zielgruppenorientierte Auswahl." Im April, Mai musste Media-Markt mit Einbußen von 15 Prozent leben, allerdings bei einem immer noch hohen Absatzvolumen.

Auch in der Consumer-Abteilung von Hewlett-Packard, neben FSC, Medion und Compaq noch einer der verbleibenden Fokuslieferanten für PCs bei Media-Markt, herrscht nicht gerade eitel Sonnenschein: "Wir nähern uns im Endkundengeschäft einer Marktsättigung. Industrie und Handel haben es nicht verstanden, dem Kunden zu erklären, warum er einen neuen Rechner braucht. Der richtige Preis für entsprechende Leistung reicht hier nicht mehr aus", stellt auch Ralf Groh, Business-Manager Consumer bei HP fest. "Alle PC-Anbieter müssen sich an andere Zielgruppen gewöhnen: Früher hatten wir in Deutschland 75 Prozent Erstkäufer. Heute sind das nur noch zirka 30 Prozent", meint Karola Bode, Consumer-Chefin bei Compaq. Und wagt den Blick in die Glaskugel: "In den USA ist jetzt die Talsohle erreicht: Dort wird es langsam wieder bergauf gehen. In Europa steht uns das Tal der Tränen noch bevor."

ComputerPartner-Meinung:

Der deutsche Endkunde hat heute andere Sorgen als den Kauf eines PCs: egal, ob Erst- oder Zweit-Gerät. Der Sommerurlaub steht bevor, steigende Energiekosten belasten das Haushaltsbudget und der Monat Mai war für die deutschen Privathaushalte einer der teuersten seit langem. Das größte Problem vor dem Industrie und Handel künftig stehen, ist, dem Endkunden zu erklären, warum er unbedingt einen neuen Rechner braucht. Selbst für das normalerweise umsatzstarke vierte Quartal sind die Prognosen zurückhaltend: Einen Hype mit enormen Absatzzahlen wird es dieses Jahr wohl kaum geben. (ch)

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