Folgen des Europarechts in Deutschland

26.06.2004
Die neuen europäischen Vorgaben nehmen Hersteller bei der Entsorgung von Elektronikschrott künftig stärker in die Pflicht. Wie die Umsetzung der neuen Verordnung in Deutschland aussehen wird, erklärt Rechtsanwalt Christian Wilser.

Wieder einmal ist es so weit - Vorgaben aus Europa müssen in nationales Recht umgesetzt werden. Diesmal sind es die Richtlinien zu Elektro- und Elektronik-Altgeräten und zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in derartigen Geräten (2002/95/EG und 2002/96/EG). Das Bundesumweltministerium hat hierzu den ersten Entwurf einer deutschen Elektro- und Elektronik-Altgeräte-Verordnung ("ElektroV") vorgelegt.

Hersteller sind für die Verwertung verantwortlich

Ganz rund ist das Paket zwar noch nicht, die eine oder andere Änderung wird es sicherlich noch geben - aber die wesentlichen Grundzüge der neuen Rechtslage dürften klar sein. Einordnen lässt sich das Projekt unter dem Stichwort "Produktverantwortung" - ähnlich wie zum Beispiel bei Verpackungen soll der Hersteller eines Elektro(nik)produkts für dessen gesamten Lebenszyklus von Anfang (Auswahl der Rohstoffe) bis Ende (Recycling/Entsorgung) verantwortlich sein.

Und was heißt das nun für die Betroffenen konkret? Kurz gefasst bedeutet es, dass jeder Bürger Altgeräte, vom Toaster über den PC bis hin zum Fernseher, bei Sammelstellen der Kommunen abgeben kann; ab da sind dann die Hersteller für die weitere Verwertung verantwortlich. Für den Verbraucher bringt das Ganze somit wohl kaum Veränderungen - die Hersteller jedoch müssen ihre Produktion und ihr innerbetriebliches Berichts- und Dokumentationswesen an die neue Rechtslage anpassen sowie erstmals finanzielle Mittel für die Entsorgung der Altgeräte bereitstellen.

Verwendung von gefährlichen Stoffen ist verboten

Und das kommt im Einzelnen auf Hersteller und Verbraucher zu: Ziel des Gesetzgebers ist die Vermeidung von Abfällen einerseits und das Erreichen einer möglichst hohen Recyclingquote andererseits (§ 1 ElektroV).Durch ein Verbot der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe bei der Produktion von Neugeräten sollen Belastungen für Umwelt und Gesundheit von vornherein vermieden werden und durch die erhöhte Wiederverwendbarkeit von Bauteilen Entsorgungsprobleme gar nicht erst entstehen (§ 4 ElektroV).

Die Verordnung erfasst die verschiedensten Gerätetypen wie Haushaltsgroßgeräte, Kühl-, Informations- und Telekommunikationsgeräte, Geräte der Unterhaltungselektronik, Bildröhrengeräte (Fernsehgeräte und Monitore), quecksilberhaltige Lampen, Haushaltskleingeräte, Beleuchtungskörper, elektrische und elektronische Werkzeuge, Spielzeuge, Sport- und Freizeitgeräte, aber auch medizinische Geräte, Überwachungs- und Kontrollinstrumente sowie Automaten.

Bei der Umsetzung ihrer Ziele setzt die Verordnung auf ein möglichst hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit der Hersteller. "Hersteller" im Sinne dieser Vorschriften sind dabei neben den echten Produzenten im Wortsinne diejenigen, die Geräte anderer Hersteller unter ihrem Label in den Verkehr bringen oder entsprechende Geräte im Inland erst in den Handel bringen - also Importeure (§ 3 Abs. 10 ElektroV).

Die Sammlung organisiert die öffentliche Hand

Die öffentliche Hand ist nur für die Sammlung der Altgeräte verantwortlich (§ 5 ElektroV). Diese erfolgt - wie auch schon bisher - bei den Kommunen, die dafür nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ohnehin zuständig waren. Für den Bürger ändert sich also in der Regel nichts - der alte Fernseher oder Computer kann wie bisher zur gemeindlichen Sammelstelle am Wertstoffhof gebracht werden, wobei darauf hinzuweisen ist, dass es vor allem im Osten Deutschlands zum Teil noch Nachholbedarf an öffentlichen Sammelstellen gibt. Eine Gebühr für die Annahme darf übrigens nicht erhoben werden.

Die Auswirkungen für die Hersteller durch die neue Rechtslage werden jedoch erheblich sein - ihr Einsatz beginnt nach der Sammlung der Geräte: Ihnen obliegt nun die organisatorische und finanzielle Verantwortung für die Abholung der Altgeräte bei den Kommunen und die anschließende Verwertung/Entsorgung. Gewerbebetriebe können ihre Altgeräte übrigens direkt beim Hersteller zurückgeben (§ 6 Abs. 7 ElektroV) - hier sind die Kommunen nicht für die kostenfreie Sammlung zuständig. In jedem Fall sind für die verschiedenen Gerätetypen unterschiedliche Verwertungs- und Recyclingquoten einzuhalten und nachzuweisen.

Das Problem dabei: Es sind Unmengen verschiedenster Gerätetypen und damit auch zahlreiche Hersteller von der Verordnung betroffen - wie kann gewährleistet werden, dass sich alle Hersteller an der Abholung beteiligen, wie soll diese organisiert und anschließend auch überwacht werden ? Wie können die so genannten "Trittbrettfahrer" ausgeschlossen werden? Die Masse der betroffenen Geräte wird immerhin auf ein bis zwei Millionen Tonnen pro Jahr geschätzt. Der Anteil der IT- und Telekommunikationsgeräte daran beträgt geschätzte elf Prozent (Gewicht) beziehungsweise 26 Prozent (Anteil an Gesamtkosten für Verwertung/Entsorgung).

Lösung durch privatwirtschaftliche Organisation: An dieser Stelle kommt das Kernstück der ElektroV ins Spiel: die so genannte Gemeinsame Stelle und das Zentrale Register. Die Gemeinsame Stelle muss von den Herstellern eigenverantwortlich bis spätestens 1. Mai 2005 eingerichtet werden (§§ 6, 10 ElektroV). Sie soll als so genannte "beliehene" Stelle mit einigen staatlichen Hoheitsbefugnissen ausgestattet werden.

Ihre wesentliche Aufgabe ist die Einrichtung und Führung des Zentralen Registers. In diesem Register müssen sich alle Hersteller registrieren lassen; ihre Namen und die Registrierungsnummer werden im Internet veröffentlicht. Hersteller, die auch Geräte für Verbraucher produzieren, müssen dem Zentralen Register jährlich eine Garantie für die Finanzierung der Rücknahme und Entsorgung der Elektro- und Elektronikgeräte nachweisen, die nach dem 13. August 2005 in Verkehr gebracht werden und in privaten Haushalten genutzt werden können.

Neue Informationspflicht für Hersteller

Wie diese Garantie ausgestaltet sein soll, ist noch unklar. Natürlich kann es eine Bankbürgschaft sein - aber wird auch eine Rückstellung in der Bilanz anerkannt werden? Jedes Gerät, das ab 13. August 2005 in den Verkehr gebracht wird, muss einen Hinweis auf den Hersteller tragen sowie ein Symbol - eine durchgestrichene Mülltonne -, das auf die Geltung der Elektroverordnung hinweist (§ 6 Abs. 6 ElektroV). Übrigens: Wer ab 13. August 2005 Geräte nicht registrierter Hersteller in den Verkehr bringt, wird dadurch selbst zum "Hersteller" im Sinne der ElektroV, mit allen daraus folgenden Konsequenzen.

Es gibt bereits ein Pilotprojekt für diese Gemeinsame Stelle, die "EAR Elektro-Altgeräte Register Projektgesellschaft bürgerlichen Rechts" (www.ear-projekt.de). Gesellschafter sind führende Industrieunternehmen und Verbände der betroffenen Branchen (zum Beispiel Fujitsu-Siemens, HP, Miele oder der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels). Nachdem es jedenfalls bislang keine Konkurrenz für dieses Projekt gibt, dürfte diese Gesellschaft gute Chancen haben, im nächsten Jahr tatsächlich die offizielle "Gemeinsame Stelle" zu werden.

Die Hersteller sind verpflichtet, der Gemeinsamen Stelle laufend mitzuteilen, wie viele Geräte sie in den Verkehr gebracht und wie viele Altgeräte sie zurückgenommen haben und wie diese verwertet wurden (Wiederverwertungs- und Entsorgungsanteil). Die Gemeinsame Stelle berechnet anhand der Herstellerangaben die Menge der von jedem registrierten Hersteller bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern abzuholenden Altgeräte und meldet die Berechnung dem Zentralen Register.

Dabei richtet sich diese Menge schlicht nach dem Marktanteil, den dieser Hersteller im jeweiligen Segment (zum Beispiel Haushaltsgroßgeräte) zuletzt hatte. Hersteller, die sich nicht registrieren lassen, die falsche Angaben zur Zahl der von ihnen in den Verkehr gemachten Geräte machen oder gegen ihre Pflicht zur Abholung der Geräte bei den Sammelstellen verstoßen, begehen eine Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 50.000 Euro Geldbuße geahndet werden kann (§ 15 ElektroV i.V.m. § 61 KrW/AbfG).

Verträge mit Entsorgungsunternehmen dürften die logische Konsequenz der neuen Rechtslage sein. Denn die Hersteller werden ihre Verpflichtung zur Abholung der Altgeräte bei den Sammelstellen In der Praxis sicherlich nicht selbst wahrnehmen - vielmehr bietet sich hier ein breites Geschäftsfeld für Entsorgungsunternehmen, die für die Hersteller die Abholung und die gesetzeskonforme Wiederverwendung von Bauteilen beziehungsweise Verwertung der Geräte organisieren werden.

An entsprechenden Entsorgungskonzepten wird derzeit bereits gearbeitet. Dabei sind die Hersteller sicherlich gut beraten, sich an qualifizierte Entsorgungsfachbetriebe zu wenden. Die vertraglichen Vereinbarungen mit den Entsorgern müssen sorgfältig erarbeitet werden - es muss sichergestellt sein, dass alle Verpflichtungen nach der ElektroV, die der Hersteller einhalten muss, auch tatsächlich vom Entsorger erfüllt werden.

Denn solte es hier zu Verstößen kommen, kann sich der Hersteller - und damit dessen Geschäftsleitung - nur dann exkulpieren, wenn er zweifelsfrei nachweisen kann, dass der Entsorger eine ihm kraft Vertrages obliegende Verpflichtung verletzt hat.

Fazit: Auch wenn diese neue Rechtsvorschrift noch nicht erlassen ist, ist es für jeden Hersteller/Importeur höchste Zeit, sich mit der Umsetzung der Elektroverordnung in seinem Betrieb intensiv auseinander zu setzen. Die Verordnung wird definitiv kommen; nach derzeitigem Sachstand wird sie wohl gegen Ende des Jahres 2004 verabschiedet werden. Es ist nicht zu erwarten, dass in den Grundzügen noch wesentliche inhaltliche Änderungen vorgenommen werden.

Steckbrief

Christian Wilser ist seit 1989 als Rechtsanwalt tätig. Er ist Partner der Kanzlei PRW Rechtsanwälte in München, die sich auf die Beratung von Unternehmen der IT-Branche spezialisiert hat. Betreut werden daneben auch Unternehmen aus dem Bereich der Abfall- und Entsorgungswirtschaft.

Kontakt: www.prw.info

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